Kinder lernen, einander blind zu vertrauen
Primarschüler helfen Kindern mit Behinderungen, sich sicher zu bewegen. Das zeigte gestern ein Spiel- und Sporttag in Rüti.
Rüti/Wetzikon. - Geschickt jongliert der zehnjährige Autist Matteo mit verbundenen Augen ein Kunststoffei auf einem Löffel an acht Kegeln vorbei. Das Ei bleibt auf dem Löffel, alle Kegel bleiben stehen. Die elfjährige Emma führt ihn mit Händen und der Verlagerung des Körpergewichts subtil über den Parcours auf dem Platz des Rütmer Schulhauses Widacher. Matteo lächelt, er ist zufrieden. Der Junge absolviert die Prüfung nochmals - wieder fehlerlos. Er vertraut Emma blind. Und sie wächst an ihrer Aufgabe. Sie klappt perfekt, die Zusammenarbeit der Kinder der Heilpädagogischen Schule Aemmetweg in Wetzikon (HPS) mit jenen der Primarschule. Die 7- bis 13-Jährigen verstehen sich. An einem der elf Posten wird Anna vom Sechstklässler Pascal begleitet. Der Schüler nimmt zum zweiten Mal am gemeinsamen Spiel- und Sporttag teil. Für ihn sei es sehr interessant, einem Kind mit Behinderungen «helfen zu können». Er freut sich über den Kontakt und stellt fest: «Mit Anna ist es einfach. Andere Kinder laufen den Schülern, die sie betreuen, immer weg.»
Einfache Gebärdensprache erlernt
Auf dem Sportplatz schiebt eine Primarschülerin ein Kind in einem Rollstuhl über eine Holzrampe. Mitschülerinnen ohne Behinderungen absolvieren dieselbe Übung selbstständig. Sie erkennen, welche Mühe der Alltag ihren Alterskameraden beschert - jeden Tag aufs Neue. Trotz allem: Es wird auf dem ganzen Schulareal gelacht und gescherzt. Selbst die Konversation unter den Kindern klappt vorzüglich. Die Primarschüler haben an jedem Posten einen Ausdruck in der einfachsten Gebärdensprache erlernt und wissen damit zu kommunizieren.
Die Kinder mit Behinderung wachsen teilweise über sich hinaus. Ein Bub kickt mit einem Fussball problemlos Kegel in einem Tor um. Der Primarschüler, der ihm folgt, trifft daneben. Nicht immer geht alles gut: Ein von einem Kind mit Behinderung geworfener Frisbee landet am Kopf eines Schülers. Der Getroffene reagiert nicht. Es gehört dazu, dass man während des Spiel- und Sporttags Verständnis füreinander hat. Lehrer Ernst Rüthemann vom Widacher stellt fest, dass ein friedlicher Ton herrsche. Die Kinder hätten gelernt, Kontakte zu knüpfen. Das bestätigt der 12-jährige Ali von der HPS. Er sagt, er habe den Tag gleichermassen spannend wie lustig gefunden. «Alle Schüler aus Rüti sind sehr nett.» Dennoch glaubt er nicht, dass sich aus dem Spiel- und Sporttag «Kontakte vertiefen werden».
Erfreuliches Fazit
HPS-Heilpädagogin Jacqueline Büel hat den gestrigen Anlass organisiert. Der vierte gemeinsame Spiel- und Sporttag habe das Ziel gehabt, die Schwellenangst der Primarschüler vor ihren Alterskameraden mit Behinderungen abzubauen. «Das ist absolut gelungen», freut sie sich. Geschafft worden sei das bereits mit der Mittelstufenklasse der HPS, die seit fünf Jahren im Widacher unterrichtet wird. Wichtig sei zudem, dass sich die Kinder vertrauen würden und lernten, aufeinander zuzugehen. Dass die Hemmschwelle abgebaut worden ist, stellt auch Logopädin Ruth Tinner fest. Gefreut hat sie sich darüber, wie liebevoll die Schüler mit den Kindern mit Behinderung umgegangen seien. Ein positives Fazit des gemeinsamen Spiel- und Sporttages zieht Esther Zehnder, seit August Schulleiterin der HPS. Besonders beeindruckt hat sie, wie gut die Primarschüler die einfache Gebärdensprache aufgenommen haben. «Das hat das Gefühl der Zusammengehörigkeit gestärkt.»
Emma führt Matteo durch den Parcours - das Ei auf dem Löffel bleibt heil.
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