Einen Draht zur Jugend
Seit 1974 Jahren arbeitet Fritz Lüdi in Solothurn als Freund und Helfer. Nun hat der Jugendpolizist genug von der Verbrecherjagd und tritt Ende Woche in den Ruhestand. Im Dienst suchte er immer den Dialog.
Wird die Solothurner Jugend bei Diebstahl, illegalem Drogenkonsum, Sachbeschädigung oder Schlägereien erwischt, landet sie mit grosser Wahrscheinlichkeit bei Fritz Lüdi. Der Polizist ist seit 35 Jahren im Dienst, und als «alter Hase» lässt er sich von den jungen Querulanten so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Wo andere den Kopf schütteln, sucht er den Dialog, den Draht zu den Jugendlichen. Genau diesen hat er während seiner Zeit bei der Kriminalpolizei immer besonders geschätzt, und so entschied er sich, seine letzten Dienstjahre als Jugendpolizist zu arbeiten. «Jungen Menschen kann man helfen, sie haben noch eine Zukunft», so seine Motivation. Sicher gäbe es auch Unverbesserliche, manchmal merke man schon bei der Einvernahme, dass man gegen eine Wand rede. «Diese Leute hatten viel Pech und standen immer auf der Schattenseite.» Mehr Aggressivität Kriminelle Jugendliche gab es schon immer; die Jugendpolizei – sie ist für alle unter 18-Jährigen zuständig – wurde jedoch erst vor knapp drei Jahren ins Leben gerufen. Ist die Jugend denn gewalttätiger geworden? «Eher die Art der Gewalt hat sich verändert», meint Lüdi. So würden die Polizisten im Dienst aggressiver bedroht, und die Verletzungen bei Schlägereien seien schlimmer geworden. Die Ursache dafür sieht Lüdi in den sozialen Unterschieden. «Wenn sich jemand in einer Gruppe nicht geachtet fühlt und vielleicht noch Mühe in der Schule hat, dann versucht er eben mit Muskelkraft zu zeigen, dass er auch jemand ist.» Die Folgen von solchen und anderen Delikten führen bis zum Freiheitsentzug. Ob die Strafen hart genug sind, darüber wird oft diskutiert. Auf die Frage, ob er für eine härtere Jugendstrafgesetzgebung eintrete, meint Lüdi, dass zuerst die passenden Institutionen für den Vollzug geschaffen werden müssten. Konkret meint er damit Strafanstalten für Jugendliche, wo diese auch eine Möglichkeit auf eine Ausbildung hätten. «Bevor gar kein Platz für die kriminellen Jugendlichen besteht, nützt auch eine härtere Gesetzgebung nichts», lautet das Fazit des langjährigen Polizisten. Die «goldenen» Achtziger 1974 fing der gelernte Uhrenmacher bei der Polizei an und wechselte 1983 zur Kripo. Die ersten sieben Jahre bei der Stadtfahndung seien seine schönsten gewesen, erinnert sich Lüdi. Intensiv war er mit der damals noch offenen Drogenszene Solothurns in Kontakt. Damals sei noch nicht alles so organisiert gewesen wie heute, sei er neben Polizist auch Betreuer und fast ein Kumpel dieser Leute gewesen. «Indem wir die Drogenkranken wie Menschen behandelten und Vertrauen aufbauen konnten, hatten wir ein gutes Informationsnetz.» Geschah in der Stadt Solothurn ein Überfall, konnte Lüdi sich gleich «an der Front» erkundigen und manch einschlägigen Hinweis auf einen Tathergang bekommen. Weniger positiv erinnert sich Lüdi an seine Zeit beim Ermittlungsdienst, wo er insgesamt drei Jahre arbeitete. Dieser ist für das organisierte Verbrechen zuständig, und da hat es für Menschlichkeit wenig Platz. «Da kann man nicht der ‹liebe Tschugger› sein, da geht es anders zu und her.» Dies sei hart gewesen, und er habe es nicht immer gemocht. Schwere Erinnerungen Am schwierigsten jedoch seien immer die ungewöhnlichen Todesfälle, vor allem die Arbeitsunfälle gewesen. Es sehe schlimm aus, wenn Leute unter den Zug kämen oder durch eine Maschine tödlich verletzt würden. Und die Angehörigen über einen Todesfall zu informieren, das seien auch besonders schlimme Momente in seinem Beruf. «Ich als Familienvater habe da viel mitgelitten.» Um seine eigene Familie sorgte sich Lüdi in den seltenen Fällen, wo er selbst zur Waffe greifen musste und sich in brenzligen Situationen wie einer Hausstürmung oder Schiessereien befand. Dankbar war und ist er, dass er aus Gefahren immer gesund herausgekommen ist. Action steht ab Ende September in seinem Ruhestand nun nicht mehr auf dem Plan. «Lesen, Spazieren und Fussball gucken, das reicht vorerst», meint Lüdi grinsend. Martina Kammermann >
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