YB und der FC Biel tauschten die Rollen
Die Young Boys bezwingen im Schweizer Cup den 1.-Liga-Club FC Biel 3:2 nach Verlängerung. Die Verlierer zeigen sich stolz, die Sieger zollen Respekt.
Miralem Sulejmani wartet und wartet, die Brust frei, die rechte Hand umklammert das nass geschwitzte Trikot. Minutenlang verweilt der 29-jährige YB-Flügel am Samstagabend beim Eingang zu den Kabinen an der Wand angelehnt. Er, der für Ajax Amsterdam, Benfica Lissabon und das serbische Nationalteam gespielt hat. Er, der immer noch Ajax' Rekordtransfer und Champions-League-erprobt ist, er wartet auf Labinot Sheholli, den Bieler Anführer und Assistenztrainer, der nach einem aufwühlenden Abend dementsprechend gefragt ist.
Als Sheholli schliesslich alle Fragen beantwortet hat, erwartet ihn Sulejmani, geduldig ausharrend. Sie tauschen die Trikots, umarmen sich lange und innig. Zwei, die sich zwei Stunden zuvor noch fremd waren, sind sich in diesem Moment ganz nah.
YB-Trainer Seoane rotiert zur B-Elf-plus
Es ist eine Szene, wie sie nur der Cup kreieren kann.
Vor dem Spiel, auf dem Papier, sind die Unterschiede zwischen den Mannschaften riesengross. YB-Trainer Gerardo Seoane nominiert zwar etliche Ersatzspieler, doch diese tragen Namen wie Jean-Pierre Nsame und Marco Wölfli, jene des Meisterschützen und des Meisterhelden. Und mit Sékou Sanogo und Kevin Mbabu stehen die dominantesten YB-Akteure von Beginn auf dem Platz, dazu die Stammspieler Loris Benito und Christian Fassnacht – es ist eine B-Elf-plus.
Hätte Nsame in der ersten Halbzeit nicht nur eine seiner zahlreichen Chancen – nach grandiosem Pass von Michel Aebischer – genutzt, wäre am Ende nicht über Seoanes Rotation diskutiert worden.
So aber wird sie zum Thema, weil die Differenz zwischen gross und klein auf dem schönen Rasen der Tissot-Arena vor 5098 Zuschauern mit jeder Minute mehr verschwimmt. YB ist überlegen, klar, hat mehr Chancen – das auch: Leonardo Bertone scheitert am glänzend reagierenden Goalie Nicolas Schittenhelm, Nsame trifft die Latte. Aber der Gegner spürt, je länger die Partie dauert, desto mehr, dass er mithalten kann. Er wehrt sich nicht nur mit Kampfkraft, sondern auch spielstark.
Labinot Sheholli, den Kopf oben, mit feinen Füssen und massigem Körper, behauptet gegen drei Gegner den Ball, wie es Sanogo so unverkennbar tun kann. Und vor ihm zieht sein jüngerer Bruder Kastriot die Fäden, die Ballführung eng, die Standards präzis. Die Sheholli-Brüder wachsen mit jeder Minute an der Aufgabe, bis man sich irgendeinmal an die Yakins erinnert fühlt. Labinot in der Rolle von Murat, Kastriot mit seinem linken Fuss in jener Hakans.
Und mit den Shehollis wachsen die Mitspieler. Nolan Nuzzolo, Neffe des früheren YB-Spielers Raphaël, fordert mit seinem Tempo Mbabu. Schittenhelm, einst im YB-Nachwuchs, pariert wie Wölfli. In der 64. Minute trifft Jihed Jelassi zum 1:1, 20 Minuten später gelingt dem eingewechselten Mike Natoli mit einem Seitfallzieher das 2:1 für das Heimteam. Der Aussenseiter liegt plötzlich vorne, es kann ein grosser Abend, eine lange Nacht werden. Beim Favoriten fragt man sich in diesem Moment, was darauf wohl folgen würde.
Fassnacht wälzt auf der Bank böse Gedanken
Die Cuphistorie der Young Boys ist eine belastete, in den letzten 30 Jahren scheiterten die Berner gleich 13-mal an unterklassigen Mannschaften. Le Mont, Buochs, Winterthur, es sind Ortschaften, die sich bei Zuschauern und Spielern eingeprägt haben. Und während nun die Sekunden wie Sand in den Händen zerrinnen, sitzt draussen auf der Bank Fassnacht, dessen einzige Cupniederlage mit YB jene im Final gegen den FCZ ist, und wälzt Gedanken, was wohl am Sonntag los sein würde, was ein weiteres Ausscheiden gegen einen Aussenseiter auslösen könnte. So erzählt er das.
Es bleiben dunkle Gedankenspiele, weil sich bei YB Entscheidendes verändert hat. Die vielen Monate des Gewinnens, der Meistertitel, haben ihnen das Siegergen eingeimpft. Sie brechen nach dem Nackenschlag nicht zusammen, sie verlieren nicht die Contenance. Dass Marco Wölfli in der 90. Minute bei einem Eckball nach vorne laufen will, von der Ersatzbank aber zurückgepfiffen wird, weil ja noch Zeit bleibt, steht sinnbildlich dafür.
Und YB belohnt sich in extremis für seinen Glauben. Es läuft die 95. und allerletzte Minute – diesmal ist Wölfli ganz vorne. Er köpft einen Flankenball Sulejmanis vors Tor, Ngamaleu trifft die Latte, Ulisses Garcia drückt den Abpraller über die Linie. 2:2, die Spieler des FC Biel liegen am Boden, und Fassnacht, eben noch böse Gedanken wälzend, jubelt ausgelassen mit Wölfli.
Am Mittwoch wieder Zuschauer
Die Bieler können einem da schon leidtun, Sekunden haben zum grossen Coup gefehlt. Doch es kommt in der Verlängerung schlimmer: Als bei ihnen nach kräftezehrenden 120 Minuten wieder Hoffnung aufkeimt, weil im Elfmeterschiessen alles möglich scheint, gelingt dem eingewechselten Guillaume Hoarau Sekunden vor dem Abpfiff der 3:2-Siegtreffer. Es ist der Schlusspunkt eines grandios aufregenden Erstrundenspiels. «Momentan tut es enorm weh, aber wir werden noch sehr stolz auf diese Leistung sein», sagt Captain Labinot Sheholli.
Das YB-Siegtor in der 120. Minute. Video: SRF
Eine Szene hält der Abend noch bereit, jene mit Sulejmani und Sheholli. Als sie sich umarmt haben, sagt der Bieler zum YB-Akteur, er werde am Mittwoch beim Champions-League-Playoff gegen Dinamo Zagreb im Stadion mit dabei sein, wünscht ihm Glück. Sheholli, der Zuschauer, Sulejmani, der Star. Die Rollen werden dann wieder klar verteilt sein.
Cup-Telegramme
Veyrier - Thun 1:5(1:4)
Village. - 1200 Zuschauer. - SR Fähndrich. - Tore: 7. Hunziker 0:1. 11. Hunziker 0:2. 17. Hunziker 0:3. 20. Paratte 1:3. 33. Fatkic 1:4. 58. Ferreira 1:5.
Thun: Faivre; Glarner, Gelmi, Rodrigues (60. Facchinetti), Kablan; Grégory Karlen (46. Ferreira), Hediger, Fatkic; Salanovic, Hunziker (60. Tosetti), Spielmann.
Bemerkung: Thun ohne Sutter, Joss und Costanzo (alle verletzt).
Concordia Basel - FC Zürich 0:6 (0:4)
St.-Jakobs-Park. - 3551 Zuschauer. - SR Klossner. - Tore: 14. Pa Modou 0:1. 28. Odey 0:2. 33. Marchesano 0:3. 37. Kololli 0:4. 63. Odey 0:5. 88. Marchesano 0:6.
FC Zürich: Vanins; Winter, Nef (71. Rexhepi), Bangura (60. Maxsö), Pa Modou; Domgjoni, Hekuran Kryeziu; Haile-Selassie (60. Rodriguez), Marchesano, Kololli; Odey.
Bemerkungen: Zürich ohne Kempter (verletzt) und Frey (nicht im Aufgebot). 61. Pfostenschuss von Findik (Concordia Basel).
Montlingen - Basel 0:3 (0:1)
Kolbenstein. - 4400 Zuschauer. - Tore: 10. Balanta 0:1. 66. Bua 0:2. 84. Kalulu 0:3.
Basel: Hansen; Widmer, Cümart, Balanta, Riveros; Xhaka, Kuzmanovic; Bua (77. Stocker), Campo (81. Huser), Kalulu; Okafor (53. Pululu).
Bemerkung: Basel ohne Suchy (verletzt).
Frauenfeld - Rapperswil-Jona 0:5 (0:0)
Kleine Allmend. - 800 Zuschauer. - Tore: 63. Turkes 0:1. 68. Nater 0:2. 70. Turkes 0:3. 85. Hadzi 0:4. 88. Krasniqi 0:5.
Langnau - Kriens 0:6 (0:3)
Moos. - 500 Zuschauer. - SR Jancevski. - Tore: 21. Chihadeh 0:1. 33. Seferagic 0:2. 36. Ulrich 0:3. 55. Chihadeh 0:4. 71. Cirelli 0:5. 82. Cirelli 0:6.
Köniz - Sion 0:3 (0:1)
Liebefeld. - 1850 Zuschauer. - SR Schneider. - Tore: 15. Kasami 0:1. 67. Djitte 0:2. 93. Leite (Eigentor) 0:3.
Sion: Fickentscher; Maceiras, Raphael, Neitzke, Abdellaoui; Mveng (46. Daoudou), Song, Toma; Kasami, Djitte (84. Ndoye); Uldrikis (76. Baltazar).
Bemerkungen: Sion ohne Mitrjuschkin, Carlitos, Kouassi, Grgic und Zock (alle verletzt). Verwarnungen: 23. Mveng (Foul). 33. Kasami (Foul).
Biel - Young Boys 2:3 (2:2, 0:1) n.V.
5098 Zuschauer. - SR Erlachner. - Tore: 44. Nsame 0:1. 61. Jelassi 1:1. 86. Natoli 2:1. 94. Garcia 2:2. 120. Hoarau 2:3.
Young Boys: Wölfli; Mbabu, Camara, Benito, Garcia; Sanogo (74. Hoarau), Aebischer; Schick (78. Sulejmani), Bertone, Fassnacht (61. Moumi Ngamaleu); Nsame.
Bemerkung: Young Boys ohne von Bergen, Assalé, Lotomba und Lauper (alle verletzt).
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