Was geht? Die Ausgehtipps der WocheWut und nackte Körper
Von pornografischen Bildern eines Hellsehers bis zu furiosen Liedern eines ehemaligen Punks: Diese Kulturwoche ist voller Gegensätze.
Dem Zeitgeist auf der Spur: Hommage an Alain Tanner

Am 11. September ist der Regisseur Alain Tanner 92-jährig gestorben. Dem grossen Erneuerer des Schweizer Films widmet das Berner Kino Rex kurzfristig eine Hommage, und am Anfang davon steht jener Film, der eine Ära so genau einfing wie kaum ein anderer: In «Jonas qui aura 25 ans en l’an 2000» ist die Atmosphäre der 70er-Jahre wie in einem Konservenglas bewahrt – jene Zeit nach dem grossen Aufbruch, in der man sich seine Utopien frisch zu halten versuchte. Tanner war aber auch mit anderen Werken dem Zeitgeist auf der Spur – dem Aussteiger-Porträt «Charles mort ou vif» etwa oder, mit weiblicher Hauptfigur, «La salamandre». Mit insgesamt sieben Filmen gibt die kleine Reihe einen guten Überblick über Tanners Werk – für Neueinsteiger ebenso wie für Kennerinnen. (reg)
Kino Rex, Bern, 29. September bis 12. Oktober
Gewinnerbilder aus der Medienwelt: Swiss Press Photo

Zum ersten Mal ist «Swiss Press Photo» im Historischen Museum Bern zu Gast – die Ausstellung präsentiert die besten Pressebilder des Jahres 2021. Dazu gehören jene von Denis Balibouse, der zum Swiss-Press-Fotograf des Jahres 2022 gewählt wurde. In seinen Bildern zeigt der Reuters-Angestellte etwa Szenen rund um den US-Russland-Gipfel im Juni 2021 in Genf, als Putin und Biden aufeinandertrafen. Während die Sicherheitsbeamten dunkle Schatten rund um die Villa bleiben, fängt Balibouse auch die zur Schau gestellte Coolness von Joe Biden ein, den verächtlichen Blick von Putin sowie die symbolische Geste von Guy Parmelin, der zwischen den beiden steht und die Arme ausbreitet, als wollte er Frieden stiften. Die Bilder in der Ausstellung wurden vor einer internationalen Jury ausgewählt, gekürt wurden die Fotografien in den Sparten Aktualität, Alltag, Schweizer Geschichten, Porträt, Sport und Ausland. (jek)
Bernisches Historisches Museum, 29. September bis 30. Oktober 2022
Pornografie und russische Spionage: Ingo Swann

Ingo Swann ist eine schillernde Figur. Der Amerikaner aus Colorado, der 2013 gestorben ist, war ein angeblicher Hellseher, Künstler und Autor. Vor allem bekannt wurde er für seine Behauptung, er könne in die Ferne hellsehen – er könne also Eindrücke von weit entfernten Orten sammeln, ohne je dort gewesen zu sein. Dadurch wurde auch die CIA während des Kalten Krieges auf ihn aufmerksam. Im sogenannten Project Stargate spionierte er während des Kalten Krieges Russland aus, diese Geschichte diente Jahre später als Inspiration für den Film «The Men Who Stare at Goats». Nun zeigt die Stadtgalerie im Progr in der Ausstellung «Being a Faggot-Spaceman I Am Awesome» pornografische Collagen des Künstlers, die zu seinen Lebzeiten unveröffentlicht blieben. Kombiniert werden die Werke mit einer Soundinstallation, die auf Swanns Manuskripten und anderen Dokumenten basiert. (jek)
Stadtgalerie im Progr, Mittwoch bis Freitag 11–18 Uhr, Samstag 12–16 Uhr. Bis 29. Oktober 2022.
Zwischen Clubkultur und Kunst: Milian Mori
Der gebürtige St. Galler Milian Mori ist in verschiedenen Disziplinen heimisch – in der digitalen Kunst und in der elektronischen Musik. In seiner Arbeit beackert der 28-Jährige denn auch die Schnittmengen, indem er Visuelles und Klangliches ebenso vereint wie Clubkultur und Kunstwelt. Wie wird aus Pixeln ein sinnlicher Eindruck? Wann aus mathematisch kombinierten Rhythmen und Klängen ein Gefühl? Und was passiert, wenn Maschine auf Mensch trifft? Mori, der seit 2015 in Bern lebt und an der Hochschule der Künste studiert, feiert beim Auftritt in der Dampfzentrale sein Debütalbum «As You Were Listening» – eine Melange aus Minimal Music, Ambient und Techno – und stellt ein neues Livekonzept vor. (reg)
Dampfzentrale, Bern, Freitag, 30. September, 20 Uhr (mit DJ-Set von Rea Dubach & Martina Dschingis)
Der Furor des Mal Élevé
Pablo Charlemoines Wut ist echt. Er war Punk, heute ist er umtriebiger Aktivist. Deshalb sind seine Konzerte auch so furios, eindringlich und ansteckend. Mit dem Künstlernamen Mal Élevé wütet er seit 20 Jahren auf den Bühnen gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt. Bis 2017 war er Teil der Band Irie Révoltés, die nicht nur über 500 Konzerten spielte und auf den grössten Festivalbühnen auftrat, sondern auch auf Demonstrationen und an politischen Aktionen anzutreffen war. Nun ist der Sohn einer multikulturellen Familie mit seinem ersten Soloalbum «Résistance mondiale» unterwegs. Der eindringliche Reggae-Punk-Rap nimmt keine Umwege: Die Songs sind alle eine unmittelbare, ungekünstelte Kampfansage gegen Faschismus, Kapitalismus und Sexismus. Mehrsprachig, wütend und doch hoffnungsvoll. (mbu)
Dachstock, Freitag, 30. September, 21 Uhr
Dichtende Clownin: Phanee de Pool
Sie war einst Polizistin. Heute zaubert sie mit Poesie und Musik. Phanee de Pool heisst die Chansonnière aus dem Berner Jura, die so wunderbar mit Sprache und Klängen jongliert. Sie singt und rappt und ja, dichtet übers Erwachsenwerden oder das Glücklichsein, über Arztbesuche, über die saubermännische Schweiz mit ihren biederen Gewohnheiten, über Federer-Verehrung und Drogeneskapaden. Sie tänzelt elegant zwischen Klamauk und Ernsthaftigkeit. Ist Clownin, Poetin und Musikerin zugleich. Ihre Musik bastelt sie dabei selbst aus Synthesizern, Gitarre, Piano und allerlei Gegenständen. Die Autodidaktin wurde 2016 über Nacht mit einem im Youtube-Video bekannt. Seit 2017 tourt sie durch die Westschweiz, zog durch Frankreich und Belgien bis nach Kanada. Nur der Röstigraben hat sie noch viel zu selten übersprungen. (mbu)
Le Singe, Biel, Samstag, 1. Oktober, 21 Uhr
Ein Briefträger auf Abwegen: Thomas Pfenninger

Die heruntergefallenen Briefe liegen wie «viel zu grosse, eckige Konfetti» auf der Strasse, sein Mofa fährt er, «als wäre es ein Schlachtross», und über ihm liegen «unausgeschlafene Wolken»: Der in Bern lebende Autor Thomas Pfenninger findet poetische Bilder für die Welt des Briefträgers, der täglich seine Runden in einem Zürcher Quartier dreht. Es ist der Protagonist des Debütromans «Gleich, später, morgen» und bringt den Bewohnerinnen und Bewohnern Rechnungen, Todesanzeigen, Post aus Australien und an Glückstagen Liebesbriefe. Manche der Menschen, die er beliefert, kennt er persönlich, andere nur flüchtig als Schatten hinter dem Vorhang. Erst aus Neugierde, später aus Anteilnahme beschäftigt sich der Briefträger mehr und mehr mit den kleinen und grossen Dramen, die sich hinter geschlossenen Wohnungstüren abspielen. Bis er selbst Teil davon wird. (sas)
Ono das Kulturlokal, Bern, Mittwoch, 5. Oktober, 20 Uhr
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