Wie ein Hollywoodthriller
Vermögende Eltern in den USA sollen mit Bestechungsgeldern dafür gesorgt haben, dass ihre Kinder an Elite-Universitäten studieren dürfen. Nun müssen sie vor Gericht erscheinen.

Der Fall klingt wie die Handlung eines Hollywoodthrillers, und die Anklage liest sich wie das Drehbuch dazu: Vermögende Eltern, darunter bekannte Schauspielerinnen wie Felicity Huffman («Desperate Housewives») und Lori Loughlin («Full House»), Modedesigner Massimo Giannulli, Anwalt Gordon Caplan oder die Investoren Manuel Henriquez (Hercules Capital) und Bill McGlashan (TPG Growth), sollen mit Bestechungsgeldern in teils siebenstelliger Höhe dafür gesorgt haben, dass ihre Kinder auch ohne Eignung an Elite-Universitäten wie UCLA, USC, Stanford, Yale und Georgetown aufgenommen worden sind.
Es könnte der grösste Betrugsfall der amerikanischen Uni-Geschichte sein, insgesamt sollen mehr als 25 Millionen Dollar an Bestechungsgeldern geflossen sein. Es gilt als möglicher Beweis für die schon lange kursierenden Vermutungen, dass die Reichen und Mächtigen in den USA immer wieder ihren Reichtum und ihre Macht dazu missbrauchen, sich selbst oder ihren Kindern einen unrechtmässigen Vorteil im Leben zu verschaffen. Der Fall wirft zudem ein grelles Licht auf das amerikanische Bildungssystem, das nicht darauf ausgelegt ist, jedem Kind die gleiche Bildung und damit die gleiche Chance auf ein erfolgreiches Berufsleben zukommen zu lassen, sondern ganz klar die Eliten bevorzugt.
Der Besuch einer Top-Universität ist für zahlreiche US-Teenager sowohl Heiliger Gral als auch Damoklesschwert: Die Bedingungen für Studierende sind herausragend, es werden dort sehr häufig die ersten bedeutsamen Kontakte fürs spätere Berufsleben geknüpft, der Abschluss verspricht einen lukrativen Job mit oftmals sagenhaftem Einstiegsgehalt. Umgekehrt bedeutet es allerdings, dass all jene, denen die Aufnahme an so eine Universität verwehrt bleibt, auf dem Arbeitsmarkt weniger begehrt sind und auch keinen Zugang zu diesem einzigartigen Netzwerk haben, das viele Unis ausserhalb der Unterrichtsräume bieten.
Es lastet ein gewaltiger Druck auf den Jugendlichen, an einer erlesenen Uni aufgenommen zu werden, irgendwie, und Eltern helfen ja gern bei den Träumen der Kinder. Daran ist erst einmal nichts Verwerfliches zu erkennen, auch wenn es in diesem Land teils groteske Züge annimmt, weil der Wahnsinn nicht an der Uni, sondern bereits im Vorschulalter beginnt: Die Ojai Valley School zum Beispiel, ein Kindergarten im Norden von Los Angeles, verlangt Studiengebühren in Höhe von 45'500 Dollar pro Jahr, es ist wortwörtlich die beste Schulbildung, die man für Geld kaufen kann.
Grosszügige Zuwendungen
Seit Jahrzehnten gibt es Gerüchte, dass manche Eltern mit legalen und moralisch fragwürdigen Aktionen wie grosszügigen Zuwendungen (der Vater von Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner soll etwa kurz vor der Aufnahme seines Sohnes insgesamt 2,5 Millionen Dollar an die Harvard University gespendet haben), aber eben auch unlauteren Mitteln nachhelfen würden – nun scheint es zum ersten Mal handfeste Beweise dafür zu geben.
«Die Liste der Beteiligten liest sich wie ein Register der Reichen und Privilegierten, die Eltern sind die Hauptverantwortlichen in diesem Fall», sagt Bundesstaatsanwalt Andrew Lelling über die 33 beschuldigten Mütter und Väter: «Sie haben wissentlich versucht, ihren Kindern durch Betrug Zugang zu diesen Institutionen zu verschaffen. Die Opfer sind all jene Kinder, denen der Zugang verweigert worden ist, weil eines der weniger qualifizierten Kinder reicher Eltern aufgenommen worden ist. Es gibt noch mehr, aber darüber können wir wegen der laufenden Ermittlungen noch nicht sprechen.»
Das Erstaunliche an diesem Fall sind nicht nur die teils absurd hohen Summen, die in dieser Anklage vermerkt sind, sondern auch, wie dreist die mutmasslichen Betrüger vorgegangen sind: William Singer, der sich am Dienstag vor einem Gericht in Boston bereits schuldig bekannt hat und im Juni verurteilt werden wird, hatte im Jahr 2011 im kalifornischen Newport Beach das Unternehmen Edge College & Career Network gegründet und ihm den Spitznamen «The Key» gegeben. Türöffner also.
«Ich habe eine Seitentür erfunden, weil die Kinder durch die Vordertür nicht reinkamen. »
Solche Firmen gibt es zuhauf in den USA, weil Eltern sehr viel dafür tun, ihren Kindern den Zugang zu Unis zu erleichtern. «Ich habe eine Seitentür erfunden, weil die Kinder durch die Vordertür nicht reinkamen und die Hintertüren wie Spenden keine Garantie waren», sagte er am Dienstag vor Gericht: «Es war deshalb attraktiv für die Eltern, weil ich eine Garantie geben konnte.»
Zum Unternehmen gehörte die wohltätige Organisation Key Worldwide Foundation, an die Eltern Geld überwiesen, das sie als Spenden sogar von der Steuer absetzen konnten; über diesen Non-Profit-Zweig organisierte Singer die Bestechungen. Eltern besorgten ärztliche Atteste für die Kinder, die standardisierte Prüfungen für die Aufnahme an Colleges deshalb zum Beispiel über zwei Tage verteilt an einer Privatschule in West Hollywood ablegen durften. Dort gab es entweder falsche Prüflinge, unerlaubte Hilfe, oder die Antworten wurden im Nachhinein verbessert. Die Tochter von Felicity Huffman etwa soll ihr Ergebnis auf diese Weise um 400 Punkte auf 1420 verbessert haben. Bis zu 75'000 Dollar pro gefälschtem Test bezahlten die Eltern.
Es gab jedoch noch eine andere, viel haarsträubendere Möglichkeit für den Zugang zu einer Elite-Uni: die Sport-Fakultäten. Gerade für Jugendliche aus ärmeren Familien ist ein Sportstipendium die einzige Möglichkeit, die teils horrenden Studiengebühren von bis zu 70'000 Dollar pro Jahr zu vermeiden. Unis lassen, das ist bekannt, talentierte Sportler auch dann zu, wenn die Noten nicht ganz so gut sind, und die Gratisausbildung an einer Elite-Uni gilt als Bezahlung für sportliche Leistungen.
Darüber wird immer wieder debattiert, geändert hat sich an dieser Praxis seit Jahrzehnten nicht viel. In diesem Fall funktionierte es genau andersherum: Jugendliche wurden wegen vermeintlichen Talents in nicht ganz so beachteten Sportarten angenommen, obwohl sie die entsprechende Disziplin überhaupt nicht beherrschten.
Völlig talentfreie «Sportlerinnen»
In einem Fall bezahlten Eltern insgesamt 1,2 Millionen Dollar, damit ihre Tochter als talentierte Fussballspielerin dargestellt und von der Universität Yale aufgenommen würde. Die Trainerin wurde mit mindestens 400'000 Dollar bestochen, damit sie das völlig talentfreie Mädchen unbedingt haben wollte.
Singer und seine Kollegen fälschten Fotos und sportliche Leistungen. Laut Anklage bezahlten die Schauspielerin Lori Loughlin und der Modedesigner Massimo Giannulli «insgesamt 500'000 Dollar an Bestechungsgeldern, damit ihre beiden Töchter als Kandidatinnen für die Rudermannschaft an die University of Southern California aufgenommen werden». Sie bestritten kein einziges Rennen.
Insgesamt 50 Leute sind nun angeklagt, darunter Trainer der Uni-Mannschaften, Organisatoren der gefälschten Tests und natürlich die Eltern, denen Bestechung, Steuerhinterziehung, Geldwäscherei, organisierte Kriminalität und Behinderung der Justiz vorgeworfen wird. Es handelt sich dabei teils um Straftaten, bei denen auch Gefängnisaufenthalte drohen. Die Anklage liest sich wie das Drehbuch eines Hollywoodthrillers. Es dürfte nach den ersten Verhaftungen am Dienstag bald einen zweiten Teil geben – entweder mit neuen brisanten Enthüllungen oder als Drama aus dem Gerichtssaal.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch