Wie ein Geschoss
Johannes Vetter wirft den Speer am Leichtathletik-Meeting in Luzern auf 94,44 Meter und schafft damit Historisches: Nur Weltrekordler Jan Zelezny hat bessere Weiten vorzuweisen als der Deutsche.

Normalerweise geniessen die Speerwerfer an einem Meeting kaum Beachtung. Sie sind – etwas salopp formuliert – bloss Beigemüse. Doch dann läuft an diesem regnerischen, windigen Abend Johannes Vetter an, wirft – und im Leichtathletikstadion Luzern bricht tosender Jubel aus. Bei 90,75 Meter bohrt sich der Speer in den Boden, es handelt sich um einen Meetingrekord.
Vetter könnte nun zusammenpacken – tut er aber nicht. «Ich weiss auch nicht, was mich da geritten hat», wird er später sagen. Weil die Spannung noch nicht abfällt, macht er weiter, «und auch, weil mich der erste Versuch unglaublich gepusht hat.» Beim zweiten Mal wirft Vetter den Speer 91,06, beim dritten 93,06 und beim vierten und zweitletzten Mal schliesslich 94,44 Meter weit. Es ist der Jahresbestwert – und eine historische Marke.
1996 hatte Jan Zelezny 98,48 Meter weit geworfen. Viele haben sich seither an des Tschechen Marke versucht, und sind gescheitert. Vetter ist mit seinem Wurf über 94,44 Meter der zweitbeste Speerwerfer der Geschichte. «Das war ein abartiger Tag», hält er fest. «Doch ich habe bei der Anreise schon gemerkt, das heute irgendetwas gehen könnte.»
Die Rivalen sind Freunde
Auf Platz 2 schafft es in Luzern Thomas Röhler – der Olympiasieger. Betrachtet man die Bestenliste in diesem Jahr, finden sich oben ausschliesslich deutsche Athleten. Röhler hatte vor ein paar Wochen für Aufsehen gesorgt, als er den Speer in Doha 93,90 Meter weit geworfen, beinahe einen Kameramann getroffen hatte und damit als erster Athlet seit 21 Jahren in die Nähe von Zeleznys Bestmarke gekommen war.
Am vergangenen Wochenende musste sich Röhler dann aber an der Landesmeisterschaft Vetter geschlagen geben. Weshalb er am Montag festhielt, er strebe in Luzern Revanche an. Nun, Röhler wirft den Speer in Luzern auf 89,45 Meter – ebenfalls ein Topwert. «Er kann gut einschätzen, was heute passiert ist», meint Vetter. «In Zukunft werden wir uns noch weiterpushen.»
Es klingt wie eine Drohung. Zumal Röhler unlängst bemerkte, er sei davon überzeugt, dass ein Mensch den Speer 100 Meter weit werfen könne, er diese Marke irgendwann erreichen wolle. Ein Plus im deutschen Ensemble ist die Leistungsdichte. Mit Andreas Hofmann figuriert ein dritter Topathlet in der Mannschaft. «Wir sind ein gutes Team, pflegen unsere Freundschaft auch neben dem Sport», hält Vetter fest.
Die WM kann kommen
«Es wird eine schlaflose Nacht geben», meint der 24-Jährige. Und blickt im Augenblick seines grössten Erfolges voraus. In knapp drei Wochen beginnt in London die WM. Es versteht sich von selbst, dass die Deutschen als Favoriten gelten. «Wir sind beide in Form» meint Röhler.
Vetter hält fest, «ich hoffe, dass ich auch in London eine solche Leistung abrufen kann». Es ist 22.23 Uhr, als der Dresdner in Luzern auf das Podest steigt – wieder bricht im Stadion tosender Jubel aus, die Zuschauer erheben sich von ihren Rängen. Das hat es bei einer Siegerehrung im Speerwerfen selten gegeben.
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