Wie der Tabak einen Neulenker rettete
Zwei, drei Feierabendbiere wurden einem Emmentaler Zeitungsverträger fast zum Verhängnis, obwohl er erst am nächsten Morgen ins Auto stieg. Er zweifelte vor der Justiz den Alkoholtest an.

Er setzte sich vor den Fernseher, trank zwei Bier, Heineken, je 0,33 Liter. Dann öffnete er sich eine dritte Flasche. Doch die Müdigkeit übermannte ihn, er ging kurz nach neun Uhr ins Bett, schliesslich musste er am nächsten Morgen wieder früh auf. Die Flasche hatte der 38-Jährige nicht mal zur Hälfte geleert.
Dass ihn die zweieinhalb Biere ganz schön in die Bredouille bringen würden, damit hatte der Eritreer nicht gerechnet. So machte ihn am nächsten Morgen auch das Polizeiauto, das ihm auf dem Weg zur Arbeit begegnete, nicht nervös. Das Tempo drosselte er aus einem anderen Grund: Sein Auto gab ungewöhnliche Geräusche von sich. Entwich den Reifen etwa Luft? Das wäre ihm ungelegen gekommen. Als Zeitungsverträger war er auf seinen Wagen angewiesen.
Den zwei Polizisten, die an diesem Morgen in Krauchthal auf Patrouille waren, kam das Verhalten des Lenkers aber verdächtig vor. Einer, der kurz nach drei Uhr in der Früh im Schleichtempo fährt, den wollten sie vorsichtshalber anhalten. Sie liessen ihn ins Röhrchen blasen. Das Atemalkoholmessgerät gab einen Wert von 0,1 Promille an. Wenig, aber trotzdem zu viel. Denn der Mann ist Neulenker, hat den Führerschein auf Probe. Und es stand einiges auf dem Spiel, nebst einer Busse im schlimmsten Fall eine Annullierung des Führerscheins. Ein Jahr zuvor war ihm nämlich der Fahrausweis bereits entzogen worden. Damals hielt ihn die Polizei an, weil die Reifen seines Autos ein ungenügendes Profil hatten.
Keine Blutprobe
Vor Gericht wäre dieser Fall aber nicht gelandet, hätte der Mann den Strafbefehl nicht angefochten und die Busse und Gebühren von 400 Franken akzeptiert. Doch er könne sich nicht vorstellen, dass er nach fünf Stunden Schlaf noch Alkohol im Blut gehabt habe, führte er am Mittwoch vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau aus. Diese Zweifel habe er bereits während der Kontrolle gehabt. Seinen Wunsch hätten ihm die Polizisten aber abgeschlagen: «Ich wollte noch einen dritten Test machen und dabei aufs Display schauen», erklärte der Eritreer in gebrochenem Deutsch. Auch als er eine Blutprobe abgeben wollte, um das Resultat zu überprüfen, sei ihm das ausgeredet worden.
Immer wieder musste Einzelrichter Michael Erismann nachfragen, weil er die Aussagen des Angeklagten nicht verstand. Aber die Sprachprobleme sollten ihm für einmal nützlich sein. Um die Gültigkeit des Alkoholtests anzuerkennen, musste der Beschuldigte nämlich das Polizeiprotokoll unterschreiben. «Er wusste gar nicht, was er da unterschrieben hatte», sagte sein Verteidiger. Dem pflichtete Michael Erismann bei der Urteilsverkündung bei. «Es bestehen Zweifel, dass er mit der Unterschrift die Werte anerkannte und damit auf eine Blutentnahme verzichtete.»
Zudem entlastete ihn seine Vorliebe für Tabak. Gemäss Gebrauchsanweisung des Geräts darf bis zwei Minuten vor der Probe kein Tabak konsumiert werden, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen. Dass er während der Kontrolle Tabak unter der Lippe gehabt habe, wie er angab, sei kaum widerlegbar, sagte Erismann. So wurde der Mann von der Busse freigesprochen. Die Verfahrens- und Anwaltskosten werden dem Kanton auferlegt.
Der Mann zeigte sich erleichtert. Das Autofahren sei für ihn, der auf Stellensuche sei, sehr wichtig. «Bei vielen Jobs braucht man einen Führerschein.»
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