Mamablog: Alleskönnerin unter DruckWer Mutter ist, wird nicht automatisch zum Allroundtalent
Viele Mütter haben hohe Ansprüche an sich selbst – auch was Backen, Basteln oder Dekorieren angeht. Warum, fragt sich unsere Autorin, sehen sie das als ihre Aufgabe an?

Nachts um eins. Mit bleischweren Augenlidern schnitt ich den letzten winzigen Buchstaben aus strahlend weissem Fondant und setzte ihn auf die grüne Fondant-Wiese. Unter dem Fondant-Himmel mit der Fondant-Sonne, wo kleine Fondant-Zeichentrickheld:innen sich lachend einen bunten Fondant-Ball zuwarfen.
Stolz bewunderte ich meine Torte, zum Essen irgendwie viel zu schade. Aber was tut man nicht alles für leuchtende Kinderaugen?
Am Tag der Party waren die liebevoll hervorgebrachten Fondant-Figürchen allerdings schneller von der Torte gepopelt und in Kindermündern verschwunden, als ich gucken konnte. Da gehörten sie ja auch hin. Doch als ich die zermarterte Torte betrachtete und die kaum angerührten Tortenstücke noch dazu, sah ich meine Freundin vor mir, die schulterzuckend meinte: «Also, wir machen nur noch Schoko-Kuchen. Den wünschen sie sich».
Egal, ob man etwas gerne tut oder nicht, ist es doch immer Arbeit, die Zeit, Kraft und Geld kostet.
Zuerst schmollte ich innerlich, schliesslich hatte die Torte mir einiges abverlangt. Aber ich kam mir angesichts der investierten Mühen, ehrlich gesagt, auch veräppelt vor. Denn bestimmt hätten die Kinder sich über einen mit Gummibärchen übersäten Schoko-Kuchen mindestens genauso gefreut – und ihn noch lieber gegessen.
Ich begann mich zu fragen, wofür ich das eigentlich machte. Und warum es eigentlich meist wir Mütter sind, die so hohe Erwartungen an sich stellen.
Aber Mütter machen das doch gerne!
Die Sache mit der Torte ist Jahre her. Aber ist es nicht so, dass wir Mütter uns oft mit hohen Ansprüchen an Deko, Backen und Basteln stressen, weil wir glauben, das sei nun unsere Aufgabe? Warum scheinen diese Dinge wie selbstverständlich uns Frauen auferlegt zu sein, mit dem unausgesprochenen Vermerk, dass wir das doch so wahnsinnig gerne tun? Und warum spüren wir den Druck, alles selbst machen zu müssen und uns dafür zu verausgaben?
Eigentlich backe ich gerne. Ehrlich. Am allerliebsten mit den Kindern. Aber wie bei allem im Leben hat doch jeder Mensch und somit auch jede Mutter unterschiedliche Vorlieben, was diese Dinge angeht. Und nur weil man Mutter ist, wird man ja nicht automatisch zum Allroundtalent.
Alexandra Zykunov schreibt, wir seien auf dem Weg zum unerreichbaren Diplom der «Mother of the Universe».
«Was früher professionelle Food-Stylist:innen, Konditor:innen oder Produktdesigner:innen für ein hohes Honorar kredenzt haben, zählt heute gerade auf Social Media zum ganz normalen und natürlich gänzlich unbezahlten Aufgabenrepertoire einer guten Mutter», schreibt dazu die Journalistin und Autorin Alexandra Zykunov in ihrem Buch «Wir sind doch alle längst gleichberechtigt».
Wie freiwillig könne eine Entscheidung wirklich sein, wenn in jeder Werbung eine Mutter die schönsten Geschenke einpackt, wenn in jeder Familienserie nur die Mama die Deko aufhängt? Die Sozialisation, das Pflichtbewusstsein und die emotionale Arbeit sei uns von unserem Umfeld sowie von sämtlichen Filmen, Serien und Märchen als eine der vielen To-do-Listen auf dem Weg zum unerreichbaren Diplom der «Mother of the Universe» in die Wiege gelegt worden.
Ein Ruf nach Wertschätzung?
Warum hören wir nicht einfach damit auf? Vielleicht, weil unsere alltägliche Fürsorge- und Hausarbeit so oft nicht anerkannt wird. Und wir dies mit noch mehr Arbeit kompensieren, um diese sichtbar zu machen, schreibt Patricia Cammerata, Autorin von «Raus aus der Mental Load Falle». Eine Art Ersatz-Anerkennung für den «normalen» Mutter-Job also. Die Folge: Wir strengen uns noch mehr an und setzten uns damit gegenseitig unter Druck.
Den Druck spüren laut Zykunov vor allem diejenigen, die sich das alles aufgrund fehlender Ressourcen nicht leisten können. Denn egal, ob man es nun gerne macht oder nicht, ist es doch immer Arbeit, die Zeit, Kraft und Geld kostet. Privilegien, die man erst mal haben muss. Und am Ende reibt sich die Wirtschaft die Hände, denn massgeschneidertes Deko- und Bastelzubehör lässt tief in die Taschen greifen.
Es wäre schön, wenn keine Mutter den Druck verspürte, sich unter Beweis stellen zu müssen. Und stattdessen aufrichtige Wertschätzung bekäme für den ganz normalen Wahnsinn, den sie jeden Tag stemmt.
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