Was Roche besser macht als Novartis
Seit dem Glivec-Urteil ist klar: Pharmafirmen müssen in Indien ihr Geschäftsmodell ändern, wenn sie in dem attraktiven Wachstumsmarkt Geld verdienen möchten. Roche hat bereits reagiert.

Nach der Niederlage von Novartis im Gerichtsstreit um den Patentschutz des Krebsmedikaments Glivec müssen westliche Pharmakonzerne in Indien umdenken. Nun ist Vorsicht bei der Einführung neuer Medikamente angesagt. Branchenexperten empfehlen zudem Kooperationen mit indischen Pharmafirmen.
Um Medikamente billiger anbieten und trotzdem noch Geld verdienen zu können, drängt sich die Suche nach indischen Partnern auf. «Die Pharmakonzerne müssen ihr Geschäftsmodell ändern», sagt Amit Backliwal, Südostasien-Chef des Gesundheits-Informationsdienstes IMS Health.
Ein Rückzug aus einem Land, das bis 2016 der achtgrösste Pharmamarkt der Welt sein könnte, komme für die Konzerne ja nicht infrage. «Indien ist zu gross, um es zu ignorieren», so Backliwal.
Im Land leben 1,2 Milliarden Menschen. Auf dem schnell wachsenden indischen Medikamentenmarkt werden jährlich etwa 13 Milliarden Dollar umgesetzt. In drei Jahren könnte es bereits doppelt so viel sein. Neu entwickelte und patentgeschützte Medikamente machen davon derzeit lediglich etwa fünf Prozent aus.
Westliche Medikamente zu teuer
Dass Patente auf teure westliche Arzneien in Indien schwer zu erlangen sind, musste auch Novartis lernen: Am Montag versagte Indiens oberster Gerichthof dem Pharmakonzern den Patentschutz für sein Krebsmittel Glivec. Das Präparat sei keine «Neuheit» im Sinne der indischen Patentgesetze, hiess es zur Begründung.
Ähnlich war es schon dem deutschen Bayer-Konzern ergangen, der im März 2012 vom indischen Patentamt gezwungen wurde, seine Schutzrechte für das Krebsmedikament Nexavar zugunsten einer Lizenz für die Pharmafirma Natco aufzugeben. Natco bietet eine Nachahmerversion von Nexavar an, die erheblich billiger ist.
Viele Inder können teure Originalpräparate eben nicht leisten, sondern sind auf günstige Nachahmerprodukte angewiesen.
Gemeinsame Sache mit lokalen Anbietern
Die Pharmakonzerne sollten sich die Hersteller von Autos oder Mobiltelefonen zum Vorbild nehmen, sagt auch Raghunath Mashelkar, der frühere Präsident des indischen Rats für wissenschaftliche und industrielle Forschung und einer der Architekten des indischen Patentrechts.
Bei Autos und Handys seien unterschiedliche Preise in verschiedenen Ländern schliesslich üblich. «Die Hersteller müssen die Medikamente so anbieten, dass die Menschen sie sich leisten können. Geld verdienen müssen sie mit grossen Volumen bei kleinen Gewinnmargen», sagte Mashelkar im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Pharmakonzern Roche bewegt sich schon in diese Richtung. Der Konzern plant, zusammen mit dem indischen Generika-Hersteller Emcure Pharmaceuticals eine preisgünstigere Variante seiner Krebsmittel Herceptin und MabThera auf den Markt zu bringen. Diesen Weg könnten auch andere Konzerne gehen, erwartet Ajay Kumar Sharma von der Beratungsfirma Frost&Sullivan.
Schwellenländer attraktiv
Andere westliche Pharmaunternehmen setzen in Indien erst einmal auf rezeptfreie Medikamente: GlaxoSmithKline gab kürzlich 900 Millionen Dollar aus, um seine Beteiligung an einer indischen Firma zu erhöhen, die solche Medikamente herstellt.
Die schnelle wachsenden Märkte in Schwellenländern sind für die grossen Pharmakonzerne grundsätzlich attraktiv. «Aber man muss im richtigen Markt sein», sagt Tim Race, der Pharma-Experte der Deutschen Bank.
Attraktiv seien vor allem China und Brasilien. Auch Indien könnte wegen seiner wachsenden Mittelschicht ein interessanter Markt sein. «Aber die starke einheimische Nachahmer-Industrie und die Patentsituation machen die Lage sehr schwierig».
Zwangslizenzen
Andere Länder könnten sich Indien zum Vorbild nehmen. Argentinien habe die Patentvorschriften für Medikamente still und leise verschärft, sagt Michelle Childs von der Organisation «Ärzte ohne Grenzen».
Und Zwangslizenzen gebe es auch anderswo. «Die Pharmakonzerne müssen einsehen, dass sie nicht weiterhin Preise verlangen können, die eine Mehrheit der Menschen nicht zahlen kann», so Childs.
SDA/kle
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