Toter und Verletzter in KientalWar es zweimal derselbe Täter?
Der Fall eines mutmasslichen Tötungsversuchs beim Pochtenfall im November 2019 weist Parallelen zu einem Leichenfund ein paar Monate zuvor auf. Ein Mann befindet sich deshalb im vorzeitigen Strafvollzug.

Am 5. November 2019 traf ein Autolenker unterhalb der Griesalp in Kiental einen durchnässten Mann an, der angab, von einem Mann in ein Tobel gestossen worden zu sein. Der Verletzte wurde in der Folge durch eine Polizeipatrouille für die medizinische Versorgung ins Spital gebracht, teilten die Regionale Staatsanwaltschaft Oberland und die Kantonspolizei am Donnerstagnachmittag mit.
Anlässlich von Einvernahmen habe der heute 29-jährige Mann die Schilderungen wiederholt, die er gegenüber dem Autofahrer gemacht hatte, halten die Untersuchungsbehörden unter anderem fest. Demnach war er am Vortag mit einem ihm bekannten Mann in der Region Kiental unterwegs gewesen, um angeblich Vermessungen durchzuführen.
In Schlucht gestossen
Gemäss den Aussagen wurde er dabei, als sie sich oberhalb des Pochtenfalls aufhielten, vom Bekannten unvermittelt in die dortige Schlucht gestossen. Daraufhin stürzte er einige Meter in die Tiefe. Er konnte sich auf einen Felsvorsprung retten, wo er die Nacht über ausharrte. Am nächsten Morgen gelang es ihm schliesslich, aus der Schlucht zu klettern und den vorbeifahrenden Autolenker um Hilfe zu fragen.
«Ich bin erschüttert.»
Der mutmassliche Täter, ein heute 63-jähriger Schweizer, wurde noch am gleichen Tag angehalten und schliesslich durch die zuständige Staatsanwaltschaft verhaftet. Letzteres sei angeblich anlässlich des Aeschimärits geschehen, sagte Alexandra Schnitzler vom Berggasthaus Golderli auf der Griesalp. «Das habe ich so von Gesprächen mit Gästen und Bekannten mitbekommen». Mehr wisse sie auch nicht, ausser dass einmal, als sie per Auto von der Griesalp runter ins Tal unterwegs war, sie Polizisten in der Schlucht gesehen habe.
Ratspräsident war nicht informiert
«Nein, im Gemeinderat ist die Verhaftung nicht diskutiert worden», sagte Hans Ulrich Mürner, Gemeinderatspräsident von Reichenbach, auf Anfrage. Er habe auch keine Informationen rund um die Untersuchungen seitens der Polizei erhalten. Die politischen Behörden in seiner Gemeinde seien nicht involviert gewesen. «Ich bin erschüttert. Leider passieren solche Taten. Ich hoffe einfach, dass dies keine Nachahmer auf den Plan ruft.»

Gibt es einen Zusammenhang?
Wie die Kantonspolizei und die Staatsanwaltschaft am Donnerstag weiter bekanntgaben, offenbarten die Umstände des Falls vom November gewisse Parallelen zu einem Todesfall vom 25. Mai gleichen Jahres. Damals war ein lebloser Mann im Gornernbach in Kiental aufgefunden worden. «Es hatten sich im Zuge der getätigten Ermittlungen und der rechtsmedizinischen Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt allerdings keine Hinweise auf eine Dritteinwirkung ergeben», so die Kantonspolizei.
Aufgrund des Verdachts, dass zwischen den beiden Fällen ein Zusammenhang bestehen könnte, und weil in der Folge auch nicht ausgeschlossen werden konnte, dass dem Todesfall möglicherweise ein Delikt zugrunde lag, wurde der Fall erneut aufgenommen und es wurden weiterführende Ermittlungen getätigt.
Beide kannten sich offenbar
Dabei zeigte sich, dass sich der 63-Jährige und der im Mai 2019 Verstorbene ebenfalls gekannt haben dürften und sie offenbar kurz vor dem Todeszeitpunkt noch in Kontakt gestanden waren. «Gestützt auf sämtliche Erkenntnisse, die aus den umfangreichen Ermittlungen resultierten, erhärteten sich die Verdachtsmomente, dass der 18-jährige verstorbene Afghane Opfer eines Tötungsdelikts geworden sein dürfte und es sich beim heute 63-jährigen Schweizer auch in diesem Fall um den mutmasslichen Täter handelt.»
Daher wurde in der Folge unter der Leitung der Regionalen Staatsanwaltschaft Oberland ein Verfahren unter anderem wegen vorsätzlicher Tötung sowie versuchter vorsätzlicher Tötung geführt. Die diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungen nahmen mehrere Monate in Anspruch und sind nun beendet.
Sobald die Staatsanwaltschaft ihrerseits die Untersuchungen abgeschlossen und die vorliegenden Verdachtsmomente eingehend geprüft hat, wird sie beim zuständigen Gericht Anklage erheben. Die rechtliche Beurteilung obliegt sodann der Justiz. Der Beschuldigte befindet sich inzwischen im vorzeitigen Strafvollzug.
Fehler gefunden?Jetzt melden.