Verurteilte Chefärztin behält ihre Stelle: «Wegen ihrer fachlich kompetenten Arbeit»
Sie ist verurteilt wegen fahrlässiger Tötung. Aber wegen ihrer «fachlich unbestrittenen Qualifikation» behält die Gynäkologie-Chefärztin am Spital ihre Stelle. Das erklärten heute die Behörden von St.Gallen.

Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde erklärte heute an einer Pressekonferenz, dass die Leiterin der Gynäkologie-Abteilung des Spitals Wil, SG, ihren Posten behalten solle. Trotz des «tragischen Todesfalls», für den die Ärztin wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde.
Folglich sei das Disziplinarverfahren gegen die Chefärztin inzwischen ebenfalls eingestellt worden, sagte Verwaltungsrat Guido Sutter: «Sie beging zwar mit dem strafrechtlich relevanten Delikt zwar auch einen Disziplinarfehler. Dem steht aber ihre fachlich unbestrittene Qualifikation gegenüber.»
Frau im Kreissaal verblutet
Im Jahr 2007 verblutete im Spital Wil eine 34-jährige Frau nach der Totgeburt ihres achten Kindes. Das Kreisgericht Wil sprach die Gynäkologie-Chefärztin der fahrlässigen Tötung schuldig. Das Gericht kam zum Schluss, dass die Ärztin die Frau wegen einer Fehldiagnose stundenlang falsch behandelt hatte.
Diese Woche wurden wegen dieses Todesfalls am kantonalen Spital eine ehemalige Ärztin und ein ehemaliger Arzt des Spitals Wil vom Kreisgericht Wil vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Nächsten Dienstag steht ein weiterer Arzt vor Gericht; auch ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen.
Der Chefärztin selbst, die derzeit noch nicht wieder im Spital arbeitet, wurde vom emeritierten Professor Urs Haller von der Universitätsfrauenklinik Zürich ein gutes Zeugnis ausgestellt. Haller war ihr und der ganzen Abteilung nach dem Urteil zur Betreuung an die Seite gestellt worden.
Lob für ihre Arbeit
Auch die zuweisenden Ärzte, das Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung der FMH, die Oberärztinnen im Spital Wil selbst, das Ärztenetzwerk «Xundart» und der Verein der praktizierenden Gynäkologen – sie alle hätten nur Lob für die verurteilte Kollegin.
«Diese breite Abstützung sowie die verantwortungsvoll und fachlich kompetente Ausübung ihrer Arbeit» habe den Verwaltungsrat bestärkt, ihr weiterhin das Vertrauen auszusprechen, sagte Guido Sutter.
Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann betonte, man habe die Vorfälle detailliert abgeklärt und Massnahmen ergriffen, «die künftig ein solches Ereignis verhindern sollen».
Regierungsrätin Hanselmann erklärte: «Künftig steht der kaderärztliche Hintergrunddienst am Zentrumsspital auch für die Gynäkologie und Geburtshilfe am Spital Wil zur Verfügung. Damit ist sichergestellt, dass unmittelbar eine Zweitmeinung eingeholt und rund um die Uhr fachärztliche Unterstützung angefordert werden kann.» Grundsätzlich könne nun jede Person am Spital, unabhängig von Beruf und Hierarchie, bei der Frauenklinik eine Zweitmeinung einholen.
Die Gynäkologie- und Geburtshilfeabteilung von Wil würden auch in die Weiterbildung am Frauenspital einbezogen. Dort würden etwa Notfallkaiserschnitte oder Eingriffe bei nachgeburtlichen Blutungen geübt.
Künftig besser kommunizieren
Auch in Sachen interner Kommunikation bei schwerwiegenden Zwischenfällen plane man Verbesserungen, erklärte Verwaltungsrat Felix Sennhauser: «Wir unterschätzten die Ansprüche an die Kommunikation. Sie muss verbessert werden.» Künftig werde man auch externe Fachleute hinzuziehen.
«Der Verwaltungsrat nimmt die Ausführungen des Staatsanwaltes vor Gericht zu Organisation, Kommunikation sowie Führung und Zusammenarbeit sehr ernst», versprach Sennhauser.
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