Verbales Tätscheln
Politiker und Manager äussern gern Verständnis. Und dann?
Als die UBS 2010 Boni in der Höhe von drei Milliarden Franken auszahlte, erklärte der damalige Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger, er habe «Verständnis für den Frust im Volk». Im selben Jahr verkündete Bundesrätin Simonetta Sommaruga nach Annahme der Ausschaffungsinitiative, sie nehme «diese Unsicherheit in der Bevölkerung sehr ernst». Im TA vom Samstag sagte der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr, der Ärger über kriminelle Asylbewerber sei «verständlich». Und selbst der geschasste Trainer Murat Yakin «verstand» die Pfiffe der FC-Luzern-Fans.
Es ist gross, das Verständnis, das unsereins vonseiten der Mächtigen entgegengebracht wird. Die Anteilnahme, die man uns angedeihen lässt, ist geradezu rührend, wir werden kollektiv ans Herz gedrückt und gestreichelt. Es wirkt ja auch sympathisch, dieses Mitgefühl, so gütig und respektvoll. Aber das ist es eben gerade nicht. Diese permanent demonstrierte Empathie ist letztlich arrogant, weil es sich dabei lediglich um ein verbales Tätscheln handelt. So, wie man ein störrisches Kind tätschelt und Verständnis für sein Verhalten zeigt, tätschelt man Steuerzahler und Fans und Wählerinnen: Man versteht zwar ihren Unmut. Aber nur deshalb, weil es ihnen aufgrund ihrer beschränkten Weltsicht nicht möglich ist, die Komplexität der Materie in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen. Und so folgt auf die Beteuerung «Ich habe Verständnis» nie ein Deshalb, werden nie konkrete Massnahmen angekündigt, mit denen man der Missstände Herr zu werden gedenkt, die für Empörung sorgen – wofür man ja so viel Verständnis hat. Stattdessen folgt in der Regel ein Aber: Der Verständnis-Satz ist die Einleitung zu einer Reihe lahmer Erklärungen, weshalb man nichts an der beanstandeten Sachlage ändern kann oder vielmehr ändern will.
Wenn Entscheidungsträger in dieses pädagogische Gesäusel verfallen, dann ist Misstrauen angebracht. Weil es Garant dafür ist, dass nichts passieren wird. Letzte Woche versicherte UBS-Verwaltungsratspräsident Axel Weber der «SonntagsZeitung»: «Ich nehme den Ärger über die hohen Löhne ernst.»
Lieber nicht.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch