Der Sterilgut-Spezialist Frédy Cavin sagt, es sei erschreckend, was man bei Inspektionen in Spitälern zum Teil vorfinde. In diesen Hightech-Tempeln der modernen Medizin werden Darmsonden unsachgemäss desinfiziert und sorglos in nicht keimfreie Holzkästen gesteckt. Ist das denn zu fassen?
Die Spitäler unterlassen es auch, gravierende Vorfälle etwa mit OP-Geräten oder Implantaten rigoros den Behörden zu melden. Man darf davon ausgehen, dass sie eigentlich wissen, dass sie damit die Gesundheit ihrer Patienten gefährden, weil die Gefahr besteht, dass fehlerhafte Produkte weiter eingesetzt werden.
Immer wieder stösst man bei Recherchen auch auf Probleme mit Ärzten. Einige haben zu nahe Beziehungen zur Industrie. Ein anderer implantiert Prothesen, informiert seine Patienten aber nicht, wenn das Implantat wegen gravierender Mängel vom Markt genommen wird. Dann gibt es solche, die kaputte Implantate wieder herausoperieren, diese sogenannten Revisionsoperationen den Behörden aber nicht mitteilen. Obwohl das allenfalls weitere Opfer verhindern könnte.
Es wird ihnen gesagt, dass sie gegen die Götter in Weiss wenig Chancen hätten.
Und am Schluss kämpfen Patienten, die zu Schaden gekommen sind, praktisch auf verlorenem Posten für ihre Rechte. Bei dieser Zeitung haben sich in den letzten Wochen Leser und Leserinnen gemeldet, die wegen Falschoperationen den Job verloren, IV beziehen, gegen Depressionen kämpfen oder mit ständigen Schmerzen leben müssen. Einige versuchen mit Anwälten, die sie kaum bezahlen können, oder Rechtsschutzversicherungen, die nur zurückhaltend mitmachen, wenigstens den entstandenen Schaden vergütet zu erhalten. Die meisten aber geben auf. Es wird ihnen gesagt, dass sie gegen die Hersteller von Medizinprodukten und die Götter in Weiss wenig Chancen hätten. Kaum je kommt es zu Verurteilungen wegen Ärztefehlern oder Fahrlässigkeiten in Spitälern. Und weil fehlbare Ärzte oft ihr Versagen nicht zugeben wollen, gibt es für die Patienten auch keine Entschädigung aus der Ärztehaftpflichtversicherung.
Sicher leistet die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte Hervorragendes und setzt sich zum Teil bis zur Erschöpfung für die Patienten ein. Das muss an dieser Stelle betont werden. Doch das heutige System lässt es zu, dass die schwarzen Schafe meist unantastbar bleiben.
Bei der im Frühjahr anstehenden Debatte im Parlament über die Reform des Medizinprodukterechts darf es deshalb ruhig auch mal darum gehen, wie geschädigte Patienten besser zu ihrem Recht kommen könnten – statt immer nur darüber zu reden, dass Reformen die Med-Tech-Branche zu sehr einengen könnten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Unantastbare Götter in Weiss
Das System lässt es zu, dass die schwarzen Schafe meist unantastbar bleiben.