Zugentgleisungen mit 15 VerletztenSo kann der Wind Züge aus den Schienen heben
Bereits mehrfach brachten starke Winde Züge in der Schweiz zum Entgleisen. Sind Schmalspurbahnen stärker betroffen? Und braucht es nach den gestrigen Unfällen neue Vorschriften? Ein Experte von der Sust ordnet ein.

Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust geht derzeit davon aus, dass die Entgleisung von zwei Zügen am Freitag im Kanton Bern auf starke Windböen zurückgeht. Das sagte der Bereichsleiter Bahnen und Schiffe am Samstagmittag im Schweizer Radio SRF.
Christoph Kupper verwies im Radio darauf, dass es in der Schweiz schon mehrfach zu windbedingten Entgleisungen kam So blies starker Wind am 19. Januar 2007 eine Komposition der Appenzeller Bahnen bei Wasserauen AI um. «Dort hat man dann eine Windmessanlage installiert», sagte Kupper, dessen Team in den letzten Jahren immer wieder Zugunfälle untersucht hat, in einem Interview mit 20 Minuten. «Wenn es zu stark windet, verkehren die Züge nicht mehr.»
Auch am Freitag meldete die Bahnverkehrsinformation Railinfo, die Verbindung von Appenzell nach Wasserauen sei zwischen Weissbad und Wasserauen wegen starker Winde eingestellt worden.
Entgleisungen wegen starker Winde gab es laut Kupper 1996 auch bei der Wengernalpbahn im Berner Oberland und 2018 bei der Montreux-Oberland-Bahn im Berner Simmental.
Entscheidend ist der Angriffswinkel
Auf die Frage, ob Schmalspurbahnen anfälliger sind für solche windbedingten Entgleisungen, sagt Kupper: «Der Unterschied zwischen 1435 Millimeter und 1000 Millimeter Spurbreite kann durchaus einen Einfluss haben.» 1,4 Meter Spurbreite ist die Normalspur. Die beiden entgleisten Züge der Aare Seeland Mobil (asm) im Berner Seeland und des Regionalverkehrs Bern-Solothurn bei Büren zum Hof haben eine Spurweite von einem Meter.

Züge seien zwar tonnenschwer, sagt Kupper weiter, doch sie böten dem Wind auch eine grosse Angriffsfläche. «Entscheidend ist, wie der Wind genau auf den Zug trifft.» Starke Windböen seien auch schwer vorauszusagen, weil sie örtlich ganz unterschiedlich sein könnten.
«Neue Vorschriften sind zu prüfen»
Wie die Berner Kantonspolizei am Freitagabend mitteilte, untersuchen Fachleute der Sust in Büren zum Hof den Unfallhergang. In einer ersten Phase würden Fahrdaten und meteorologische Daten ausgewertet, sagt Kupper. Schon heute sei es so, dass die Bahnunternehmen bei Sturm eine Risikobeurteilung machen müssten.
Dass bei zunehmenden Wetterextremen das Risiko für solche Unfälle steige, sei ein «realistisches Szenario». «Wir haben diese Frage erst kürzlich mit der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Verkehr, erörtert. Hier sind wir daran, die Grundlagen zu erarbeiten», so Kupper. Neue Vorschriften für ein Fahrverbot bei starken Winden seien «zu prüfen».

SDA/nlu
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