Sie will nicht. Sie will. Vielleicht
Wagt Keller-Sutter eine zweite Kandidatur für den Bundesrat? Aus der SVP fliegen Giftpfeile.

Seit einer gefühlten Ewigkeit wird Karin Keller-Sutter als logische neue FDP-Bundesrätin gehandelt. Das ging so weit, dass ihr mutmasslicher Vorgänger Johann Schneider-Ammann im März öffentlich scherzte, er führe bereits Transfergespräche mit ihr.
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Aber wird die St. Galler Ständerätin das Risiko eingehen und noch einmal kandidieren? 2010 hat sie es versucht und verloren, notabene gegen Schneider-Ammann. Die Niederlage war knapp, hinterliess aber Spuren. Die Parteispitze hatte die damalige Regierungsrätin zur Kandidatur animiert, heimlich aber voll auf Schneider-Ammann gesetzt. Im Nachhinein erfuhr sie davon. Das mag erklären, warum sie eine zweite Kandidatur lange ausschloss. 2015 gab sie dem «Tages-Anzeiger» zu Protokoll: «Eine zweite Kandidatur kommt für mich nicht infrage. Ich werde meine Meinung nicht ändern.» Sie gehöre zu den Frauen, die meinen, was sie sagen.
Umgekehrte Vorzeichen
Und heute? Das wollten gestern alle wissen, die 54-Jährige war die meistgesuchte Person im Bundeshaus. Doch zunächst hatte sie als Ständeratspräsidentin die pikante Aufgabe, Schneider-Ammann zu verabschieden. Sie tat es souverän, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Sie leitete die Sitzung, als wüsste sie nicht, dass von nun an die volle Aufmerksamkeit des Berner Polit- und Medienbetriebs ganz auf sie gerichtet ist. Kurz nach Mittag konnte sie den Journalisten nicht mehr aus dem Weg gehen. Will sie? Will sie nicht? «Das lasse ich heute offen.» Sie müsse das zuerst mit ihrem Mann und ihrem Umfeld besprechen. Nächste Woche gehe sie in die Ferien. Sie brauche Zeit, um sich zu entscheiden. Dann war sie weg.
FDP-Kollegen erwarten, dass Keller-Sutter antritt, falls sie die Unterstützung der Fraktion spürt. Einige sagen, am liebsten wäre ihr wohl ein Einer-Ticket. Doch das schlossen alle angefragten FDP-Parlamentarier aus, von den anderen Parteien ganz zu schweigen. Eine Einer-Nomination wie 2006 bei der Wahl von Doris Leuthard (CVP) scheint heute undenkbar. Deshalb dürfte Keller-Sutter nur antreten, wenn sie sich sehr gute Chancen ausrechnen kann.
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Ironischerweise hat sich die parteipolitische Ausgangslage für sie umgekehrt: 2010 stiess sie links auf Skepsis, da sie in der Ostschweiz als Law-and-Order-Justizdirektorin galt. Heute sind ihre Widersacher in der SVP zu suchen. Das hat viel damit zu tun, dass Keller-Sutter heute andere Themen beackert als früher im Kanton: Sicherheit, Justiz und Ausländerfragen ersetzte sie durch Sozial-, Wirtschafts- und Aussenpolitik. Zum Verdruss der SVP harmoniert sie zudem unverhohlen gut mit Ständeratskollege Paul Rechsteiner (SP). Manche in der SVP finden, sie habe ihre Partei in den St. Galler Wahlen zu wenig unterstützt, mithin sei Toni Brunner ihretwegen nicht Ständerat geworden. Brunner selber zürnt ihr nicht, zumindest nicht öffentlich. «Ich habe kein Problem mit Frau Keller-Sutter», sagt er.
«Sie schielt nach links»
Das geht nicht allen Ostschweizern so. Einer, der zu seinen Vorbehalten steht, ist SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (SG): «Wer jahrelang nach links schielt, muss sich nicht wundern, wenn er von rechts weniger Unterstützung bekommt.» Viele in der SVP sähen Keller-Sutter nicht als die Überfliegerin, als die sie «mit wohlwollender medialer Unterstützung» dargestellt werde. Büchel stört sich auch daran, dass sie eine Kandidatur ausschloss und nun doch damit liebäugelt. «Mir ist Geradlinigkeit wichtig, insbesondere bei Leuten, die das Amt als Bundesrat anstreben.»
Nun gut: Ueli Maurer (SVP) schloss eine Kandidatur einst ebenfalls aus und ist heute Bundesrat. Noch eine zweite Anekdote spricht für Keller-Sutter: 2010 gab es neben ihr einen weiteren FDP-Kandidaten, der ebenfalls gegen Schneider-Ammann verlor. Er heisst Ignazio Cassis und ist heute Bundesrat.
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