Touristen-Drama in KolumbienSie gingen ins Restaurant – kurz darauf waren sie tot
Ein junges Paar aus den Niederlanden ist in der kolumbianischen Stadt Cartagena auf rätselhafte Weise ums Leben gekommen. Die Ermittler schweigen eisern.

Der Tod der beiden jungen niederländischen Touristen Nienke Bawa und Robert Gerrit Kootte ist ein Rätsel, und dieses Rätsel verdüstert eine ganze Stadt.
Der Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez hat einmal gesagt, Cartagena de Indias an der kolumbianischen Karibikküste sei die schönste Stadt der Welt. Vielleicht hatte er recht: Das koloniale Zentrum mit seinen verwinkelten Gassen, die Erker, die farbig bemalten Fassaden, die Paläste im andalusischen Stil, die Balustraden und weitläufigen Plätze, die Kathedrale Santa María la Mayor, das alte Handwerkerquartier Getsemaní.
Ausserhalb der Stadtmauern liegt das moderne Viertel Bocagrande, Hotels mit gläsernen Fassaden, Strandpromenaden und Palmen, tropische Vegetation, salzige Meeresbrise. Die Schönheit Cartagena kippt teilweise fast schon ins Surreal-Kitschige.

Nienke Bawa (29) und Robert Gerrit Kootte (31) waren verliebt. Kootte war Angestellter bei der Investmentbank J.P. Morgan, Bawa arbeitete für den multinationalen Konsumgüterkonzern Procter&Gamble mit Hauptsitz in Cincinnati, USA. Intelligente, kosmopolitische junge Leute voller Abenteuerlust, mit Geld, Selbstvertrauen und der Zukunft noch vor sich.
Das Paar aus Amsterdam verbringt Mitte August einige Tage in Cartagena. Die beiden steigen ab im Boutique-Hotel Casa del Coliseo im historischen Zentrum. Die spanische Zeitung «El País» beschreibt es als «geschmackvoll restauriertes Haus mit weitläufigen, herrschaftlichen Zimmern und Balkonen, die auf das Gewühl in den Altstadtgassen gehen.» Auf der Dachterrasse hat die Casa del Coliseo einen Swimmingpool.
Mit Magenschmerzen aufgewacht
Zwei Tage nach ihrer Ankunft erwachen die beiden Touristen am Morgen des 22. August mit Magenschmerzen und Symptomen einer Lebensmittelvergiftung. Als sich ihr Zustand rapide verschlimmert, bringt man sie laut kolumbianischen Medien ins Spital. Nienke Bawa stirbt noch am selben Abend, Robert Kootte am Morgen danach.
Seither rätselt die ganze Stadt: Warum sind Bawa und Kootte gestorben? Und warum sagen die Ermittler nicht endlich, was im Autopsiebericht steht? Und nicht zuletzt: Wie gross könnte der Imageschaden für eine der meistbesuchten Touristendestinationen des südamerikanischen Landes noch werden, zumal etwa die US-Seite «Travelling Lifestyle» bereits fragt: «Ist es im Moment sicher, Kolumbien zu bereisen?»
Am Tag vor ihrem Tod besuchen Bawa und Kootte den Markt Bazurto mit seinen unzähligen Fischständen und Imbissbuden. Haben sie hier einen vergifteten Fisch gegessen? Als eine Reporterin von «El País» vor wenigen Tagen den Markt aufsucht, beklagen sich die Händler, sie würden seit dem rätselhaften Todesfall weniger Fisch verkaufen.
Stärker als auf den Markt Basurto fällt jedoch der Verdacht, Ursprung des Unheils zu sein, auf das Restaurant The Rum Box. Gemäss der Touristik-Webseite Tripadvisor ist es das beste Lokal der Stadt. Es gehört – und dies lässt in Kolumbien in solchen Fällen Spekulationen wuchern – dem Sohn von Cartagenas Bürgermeister.
Wurde das Paar vergiftet, um dem Bürgermeister zu schaden?
Hier hat Nienke Bawa für den Abend des 21. August einen Zweiertisch reserviert. Kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt um 20.30 Uhr bittet sie jedoch per Whatsapp, die Reservation zu ändern. Es kämen nicht zwei, sondern vier Personen. Ein anderes Paar, ebenfalls Ausländer, isst mit dem Pärchen aus Amsterdam zu Abend.
Kolumbianischen Medien zufolge bestellt die Gruppe verschiedene Vorspeisen und mehrere Cocktails. Kootte isst Fisch, seine Geliebte ein Schweinekotelett. Die Frau des anderen Paares wählt ebenfalls einen Fisch, ihr Begleiter Lachs. Eine Überwachungskamera filmt, wie die vier um 23.10 Uhr aufstehen, sich vor dem Lokal noch etwas unterhalten und sich dann entfernen.
Noch ein seltsames Gerücht
Seither geht das seltsame Gerücht um, das andere Paar sei spurlos verschwunden. Weder sei es den Ermittlern gelungen, die beiden jungen Leute zu lokalisieren, noch hätten sie sich selbst gemeldet, trotz all der aufgeregten Berichte in den kolumbianischen Medien.
Experten haben Lebensmittel, Getränke, Kühlschränke, Lager und Küche im The Rum Box untersucht, die Rechnungen sämtlicher Gäste überprüft und alle Videoaufnahmen ausgewertet. Über die Ergebnisse weiss man nichts. Einige Male riefen Passanten seither den Angestellten im Lokal zu: «Ihr Mörder!»
Der Besitzer vermutet, das niederländische Touristenpaar sei vergiftet worden, um nicht nur ihn, sondern auch seinen Vater zu treffen, Cartagenas Bürgermeister. Eine kolumbianische Zeitung schreibt, der Würdenträger verbringe viel Zeit im Lokal seines Sohnes und halte dort manchmal sogar Sitzungen ab.
Oder war es doch eine Lebensmittelvergiftung? Der Restaurantbesitzer behauptet, bei keinem anderen Gast jenes Abends seien Beschwerden aufgetreten. Und wenn Bawa und Kootte unterschiedliche Gerichte gegessen haben – warum sind sie dann beide mit denselben Symptomen aufgewacht und später gestorben? Hat ihnen das unbekannte Paar Gift ins Essen geschüttet? Ist dies die Erklärung für dessen plötzliches Verschwinden? Aber warum sollten die beiden Unbekannten so etwas tun?
Einige spekulieren, Bawa und Kootte könnte jener banale Tod ereilt haben, der in Kolumbien ab und zu einen abenteuerlustigen Touristen trifft: eine Überdosis Drogen. Dass sie den exorbitanten Reinheitsgrad einheimischen Kokains unterschätzt und deshalb zu viel davon konsumiert haben, passt allerdings nicht zu den Symptomen einer Lebensmittelvergiftung. Also ein Drogencocktail, den man trinkend zu sich nimmt? Aber wenn es so trivial ist – warum haben es die Ermittler dann nicht schon längst gesagt?
Auf dem Markt Basurto, bei den grossen Töpfen mit gekochtem Reis und riesigen Langusten, bricht laut der Journalistin von «El País» Unruhe aus, wenn man die beiden niederländischen Touristen nur schon erwähne. Eine Verkäuferin droht mit einem Protestmarsch, sollten die Anschuldigungen und Gerüchte nicht endlich aufhören.
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