Ticker zur Frühlingssession in Bern – Parlament verabschiedet 16 Vorlagen | Nationalrat für mehr Milde bei illegalen Bauten
Ticker zur Frühlingssession in Bern – Parlament verabschiedet 16 Vorlagen | Nationalrat für mehr Milde bei illegalen Bauten
Im Bundeshaus wurden während dreier Wochen viele Entscheide für die Schweiz gefällt: National- und Ständerat versammelten sich zur Frühjahrssession.
Das Wichtigste in Kürze
An der Frühlingssession berieten National- und Ständerat im Bundeshaus über politische Entscheide in der Schweiz.
Im Fokus standen Umweltthemen, der angestrebte Sitz im UNO-Sicherheitsrat und die Bewältigung der Coronavirus-Pandemie.
Die Session dauerte drei Wochen – vom 28. Februar bis zum 18. März.
16 Vorlagen haben der Nationalrat und der Ständerat am Freitag mit den Schlussabstimmungen parlamentarisch unter Dach und Fach gebracht. Darunter sind die Nein-Empfehlung der Räte zur Massentierhaltungsinitiative, die Verlängerung des Gentech-Moratoriums und das neue Veloweggesetz, mit dem der Veloartikel in der Verfassung umgesetzt wird. Mit einer Schweigeminute gedachte der Nationalrat vor dem Ende seiner Session der Opfer des Krieges in der Ukraine. Zu Beginn der Session vor knapp drei Wochen hatten beide Kammern in Erklärungen einen sofortigen Waffenstillstand gefordert.
Artikel zum Abschluss der Frühlingssession:
Frappé fédéral: Oldtimer-Brélaz, Mama-Markwalder, Katzen-Weber
Die Frühjahrssession und damit auch dieser News-Ticker sind beendet. Vielen herzlichen Dank für das Interesse.
Das Parlament beauftragt den Bundesrat, die Digitalisierung im Gesundheitswesen schneller voranzutreiben. Am Donnerstag hat der Nationalrat eine entsprechenden Motion des Obwaldner Mitte-Ständerats Erich Ettlin angenommen. Mit 176 zu 0 Stimmen ohne Enthaltungen folgte die grosse Kammer der Empfehlung ihrer Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N). Diese hatte den Vorstoss einstimmig bei einer Enthaltung zur Annahme empfohlen. Der Ständerat hatte der Motion in der Herbstsession 2021 zugestimmt.
Ettlin fordert in seinem Vorstoss unter anderem die Schaffung einer Taskforce, die die Digitalisierung im Gesundheitswesen steuern soll. Zudem verlangt er die Erarbeitung einer umfassenden Digitalstrategie. Im internationalen Vergleich sei der Stand in der Schweiz «schlicht peinlich für unser Land», schreibt er in der Begründung der Motion.
Der Bundesrat muss nun Umsetzungsvorschläge machen. Er hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen. Diese enthalte Elemente, die in der geforderten Form nicht umsetzbar seien. Die Gesundheitsversorgung sei Sache der Kantone. Eine nationale Steuerung des Digitalisierungsprozesses entspreche nicht der Realität des Föderalismus, wehrte sich Gesundheitsminister Alain Berset ohne Erfolg. Andere Elemente des Vorstosses seien bereits anderweitig in Umsetzung begriffen, argumentierte die Landesregierung weiter. Fortschritte seien bereits erzielt worden, wie etwa ein Blick auf die Corona-Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zeige. (Lesen Sie dazu unseren Artikel: «Mängel bei der Digitalisierung sind offensichtlich»).

Das Bundesparlament will die Aufsicht über die AHV, die Ergänzungsleistungen (EL), die Erwerbsersatzordnung (EO) und die Familienzulagen in der Landwirtschaft modernisieren. Als Zweitrat hat der Nationalrat einer Reihe von Gesetzesänderungen mit diesem Ziel zugestimmt. Die grosse Kammer fällte ihre Entscheidung am Donnerstag ohne Gegenstimme. Der Ständerat hatte sich bereits in der Sommersession 2021 für das Vorhaben ausgesprochen.
Die Landesregierung verfolgt mit der Revision das Ziel, dass sich die Aufsicht stärker an den Risiken orientiert. Zudem sollen Grundsätze der guten Unternehmensführung festgelegt werden und die Informationssysteme in der 1. Säule zweckmässig gesteuert werden.
Der Handlungsbedarf war in Bezug auf AHV, EL und EO in der Debatte unbestritten. Es verbleiben allerdings Differenzen. Anders als die kleine Kammer ist der Nationalrat etwa dagegen, dass Entscheide in der Sozialversicherung künftig auf elektronischem Weg eröffnet werden können sollen.
Bei Grenzschliessungen in Folge der Corona-Pandemie soll die Reisefreiheit und Mobilität der Grenzgängerinnen und Grenzgänger nicht eingeschränkt werden. Das Parlament hat einen Vorstoss angenommen, der verlangt, das Epidemiengesetz entsprechend zu ergänzen.
Die grosse Kammer überwies am Donnerstag eine entsprechende Motion von Ständerätin Eva Herzog (SP/BS) an den Bundesrat. Der Entscheid fiel mit 127 zu 46 Stimmen bei zwei Enthaltungen – gegen den Willen der SVP-Fraktion. Der Ständerat hatte die Motion bereits im vergangenen Herbst angenommen.
Die Landesregierung soll künftig die Mobilität der Grenzgängerinnen und Grenzgänger garantieren können, wenn er aus gesundheitspolitischen Überlegungen künftig wieder die Grenzen schliessen müsste. Gemäss Motionstext ist auch die Reisefreiheit von Einwohnerinnen und Einwohnern, die eine besondere persönliche, familiäre oder berufliche Bindung zum Grenzgebiet haben, bestmöglich aufrechtzuerhalten. Gesundheitsminister Alain Berset sah keinen Handlungsbedarf. Er argumentierte, das Anliegen sei bereits ins befristete Covid-19-Gesetz aufgenommen worden und deshalb erfüllt.
Illegal erstellte Gebäude ausserhalb von Bauzonen sollen nicht mehr abgerissen werden müssen, sofern sie älter als 30 Jahre sind. Dies will der Nationalrat. Er hat am Donnerstag einer entsprechenden Motion seiner Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie zugestimmt. Der Vorstoss geht damit an den Ständerat.
Die Befürworterseite argumentiert insbesondere, für Gebäude innerhalb der Bauzonen gelte in der Regel schon heute eine solche Verjährungsfrist. Kommissionssprecher Mike Egger (SVP/SG) sagte, allein im Tessin könnten rund 2000 Rustici vom Bundesgerichtsentscheid betroffen sein. Es bestehe die Gefahr von Willkür. Denn es dürfte schwierig werden, landesweit alle Fälle zu erfassen.

Der Bundesrat und die Kommissionsminderheit vertraten dagegen die Ansicht, bei einer Umsetzung der Motion würden jene benachteiligt, die sich an die Gesetze hielten. Zudem sei illegales Bauen ausserhalb der Bauzonen schwerwiegender als in einem Gebiet, das für Bauten gedacht sei, und das Interesse an einer Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands entsprechend grösser.
Es gehe im Bundesgerichtsentscheid nicht um kleine Bauten, die der Landwirtschaft dienten, sagte Ursula Schneider Schüttel (SP/FR). Das Ziel sei auch nicht der Abriss historischer Bauten, die einst legal gebaut worden seien und sich nun aufgrund von Planänderungen ausserhalb der Bauzone befänden.
Die Trennung von Baugebiet und Nicht-Baugebiet sei ein fundamentales Prinzip der Raumplanung, so Schneider Schüttel. Dies diene auch der Landwirtschaft und sorge dafür, dass dieser genug Land zur Verfügung stehen.
Schwieriger Kampf gegen illegales Bauen
Der Kampf gegen das illegale Bauen sei eine schwierige Aufgabe, sagte Umweltministerin Simonetta Sommaruga. Eine Umsetzung der Motion erhöhe den Aufwand für die Behörden, denn es müsste abgeklärt werden, in welchem Zustand sich ein Gebäude drei Jahrzehnte zuvor befunden habe. (SDA)
Der Bund soll regelmässig Kampagnen führen gegen häusliche Gewalt, sexuelle Gewalt und geschlechtsbezogene Gewalt. Der Ständerat hat dazu eine Motion von Marianne Maret (Mitte/VS) angenommen. Hinter der Motion stehen alle 13 Ständerätinnen.
Die kleine Kammer sagte am Donnerstag oppositionslos Ja zum Vorstoss. Nun hat noch der Nationalrat zu entscheiden, dem Motionen mit der gleichen Stossrichtung vorliegen. Die im Ständerat angenommene Motion will, dass der Bund bei der Sensibilisierung für Gewalt die Kantone, Gemeinden und Institutionen einbezieht.
Gewalt nicht einfach «Schicksal»
Gemäss einer Sotomo-Erhebung vom vergangenen November hätten 42 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer Gewalt in der Beziehung erlebt, begründete Maret den Vorstoss. Im Mittel alle zwei Wochen sterbe gemäss Bundesamt für Statistik in der Schweiz jemand infolge von häuslicher Gewalt. Die meisten Opfer sind Frauen.
Laut einer Befragung von gfs.bern bei knapp 4500 ab 16-jährigen Jugendlichen und Frauen hätten 22 Prozent angegeben, schon einmal ungewollten sexuellen Handlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Auf die Schweiz hochgerechnet seien das 800'000 Frauen, so die Motion. «Gewalt darf nicht als Schicksal betrachtet werden», forderte Maret.
Bestimmte Zielgruppen im Auge
Regelmässige und auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtete Präventionskampagnen seien in den Augen der Wissenschaft zentral, um Gewalt zu verhüten und zu bekämpfen. Mit der Annahme der Istanbul-Konvention im Jahr 2018 habe sich die Schweiz zu solchen Kampagnen verpflichtet.
Der Bundesrat ist mit dem Auftrag einverstanden. Innenminister Alain Berset sagte, dass eine solche Kampagne könne bis zu 2 Millionen Franken im Jahr kosten. Das hätten die Erfahrungen mit den Kampagnen gegen Aids gezeigt. Die Motion geht an den Nationalrat. (SDA)
Das aktive Stimm- und Wahlrechtsalter 16 ist einen Schritt näher gerückt. Der Nationalrat hat es am Mittwoch mit 99 zu 90 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt, eine entsprechende parlamentarische Initiative abzuschreiben.
Nun wird ein konkreter Vorschlag für eine Verfassungsänderung ausgearbeitet. Zuständig dafür ist die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) – also jenes Gremium, das die Abschreibung der Initiative von Sibel Arslan (Grüne/BS) beantragt hatte.
Der entsprechende Entscheid war im November 2021 allerdings äusserst knapp gefallen- mit 12 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung mit dem Stichentscheid von Kommissionspräsident Andreas Glarner (SVP/AG).

Mit seinem Entscheid am Mittwoch bestätigte der Nationalrat einen früheren Beschluss: Bereits in der Herbstsession 2020 hatte der Nationalrat die parlamentarische Initiative gutgeheissen. In der Folge erklärte sich auch die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S) einverstanden.
Vielen Jungen gehe es angesichts der Krisen der Gegenwart nicht gut, sagte Arslan in der Debatte. In dieser Situation werde die Frage der politischen Beteiligung noch wichtiger. 16- und 17-Jährige seien sehr interessiert an der Politik und die hätten zum Abstimmen und Wählen nötige politische Bildung. Arslan verwies namentlich auf die hohe Zahl junger Menschen an Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg.
Skepsis bei FDP und SVP
Es sei nicht stimmig, einerseits das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten von 16 auf 18 zu erhöhen, und andererseits das Stimmrechtsalter zu senken, sagte Andri Silberschmidt (ZH) namens der FDP-Fraktion. Dies sei den Leuten nicht zu vermitteln. Die Möglichkeit, sich zu engagieren, hänge zudem nicht vom Stimm- und Wahlrecht ab.
Nebst der Mehrheit der Freisinnigen war auch die SVP-Fraktion für die Abschreibung. Jugendliche hätten oft noch keine gefestigten politischen Ansichten, gab Piero Marchesi (SVP/TI) zu bedenken.
Gespalten war die Mitte-Fraktion. Für einen Teil sei der Einbezug junger Menschen entscheidend, sagte Marianne Binder-Keller (Mitte/AG). Der andere Teil lehne das Stimmrechtsalter 16 ab, weil aus seiner Sicht Rechte und Pflichten zusammengehörten.
Linke verweist auf Betroffenheit Junger
Corina Gredig (GLP/ZH) sagte, es gehe auch um Vertrauen in das Schulsystem und in junge Menschen. Die Erfahrungen in Österreich sowie aus dem Kanton Glarus zeigten, dass es beim Stimmrechtsalter 16 keine Nachteile gebe. Gredig kritisierte zudem die Kommissionsmehrheit. Diese weigere sich, einen vom Gesamtrat vor knapp zwei Jahren gefassten Beschluss umzusetzen.
Geschlossen für Stimmrechtsalter 16 war die Ratslinke. Greta Gysin (Grüne/TI) sagte, dass Durchschnittsalter der Stimmenden werde immer höher. Dabei seien jene, die von Zukunftsthemen wie dem Klimawandel betroffen seien, von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen.
Auch die SP unterstützte die Initiative Arslans. Die Demokratie sei auf Nachwuchs angewiesen, sagte Nadine Masshardt (SP/BE). Das zeige sich in den Gemeinden. Politisches Interesse sei keine Frage des Alters.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) soll weiterhin nicht von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) geprüft werden. Der Ständerat hat eine Motion aus dem Nationalrat mit 29 zu 9 Stimmen abgelehnt und damit an der Ausnahme für die Suva festgehalten.
Er folgte der Mehrheit seiner Finanzkommission (FK-S), die beim Status quo bleiben wollte. In ihren Augen brächte die zusätzliche Beaufsichtigung der Suva durch die EFK keinen Mehrwert, sondern könnte zu Doppelspurigkeiten und unnötigen Kosten führen. Die Suva erhalte zudem keine Finanzhilfen und Subventionen vom Bund. Sie sei gut geführt, betonte Sprecher Olivier Français (FDP/VD).
Der Nationalrat hatte den Vorstoss von Gerhard Pfister (Mitte/ZG) im Herbst 2021 stillschweigend angenommen. Pfister machte geltend, dass es weder zeitgemäss noch sachgerecht sei, die Suva von der Finanzaufsicht durch die EFK und damit auch von der Oberaufsicht durch das Parlament auszunehmen. Die Motion ist nun aber vom Tisch.
Der Nationalrat will den Kauf von Wohneigentum mit Mitteln aus der beruflichen Vorsorge erleichtern. Er verlangt, dass der Eigenmittel-Anteil vollständig mit Geld aus der zweiten Säule gedeckt werden darf.
Eine entsprechende Motion seiner Sozialkommission (SGK-N) nahm der Nationalrat am Dienstag mit 81 zu 71 Stimmen und mit einer Enthaltung an. Auch der Bundesrat stellte sich gegen die Motion.

Per 2013 hatte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die Vorschriften für Vorbezüge aus der zweiten Säule geändert und so den Kauf von Liegenschaften erschwert, um den Immobilienmarkt zu stabilisieren. Seither gilt, dass die Hälfte der Eigenmittel vom künftigen Eigentümer eingebracht werden muss und die andere Hälfte der zweiten Säule entnommen werden kann.
Für viele Menschen sei der Erwerb von Wohneigentum ein wichtiges Ziel, argumentierte die Mehrheit der SGK-N. In den Augen dieser Mehrheit verfehlte die Massnahme der Finma das Ziel, den Immobilienmarkt zu stabilisieren.
«Lieber reich und Erbe als Schaffer und Sparer»
Die Regelung der Finma führe aber lediglich dazu, dass der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung «einem privilegierten Teil» der Bevölkerung vorbehalten bleibe. «Lieber reich und Erbe als Schaffer und Sparer», fasste es Kommissionssprecher Philippe Nantermod (FDP/VS) zusammen. Eine Minderheit der SGK-N hätte bei der Regelung der Finma bleiben wollen, äusserte sich aber nicht im Rat.
Auch der Bundesrat stellte sich gegen den Vorstoss. Entgegen dem Ziel der Motion würde eine Aufhebung des Mindestanteils eigener Mittel ausserhalb der zweiten Säule den Nachfrageboom nach Eigenheimen weiter verstärken, begründet er seinen Antrag.
Zudem würden die Risiken für Vorsorgenehmer sowie für kreditgebende Institute langfristig erhöht. Der heute geforderte Mindestanteil eigener Mitteln ausserhalb der zweiten Säule stelle sicher, dass eine gewisse Wertminderung der Immobilie aufgefangen werden könne.
Die Motion geht an den Ständerat. (SDA)
Das Parlament hat zusätzliche 100 Millionen Franken für die Beschaffung von Medikamenten gegen Covid-19 bewilligt. Der Nationalrat ist am Dienstag in dieser Frage auf die Linie des Ständerats eingeschwenkt. Damit sind die Nachträge zum Budget 2022 unter Dach. Grösster Brocken sind dabei zusätzliche 3,4 Milliarden Franken für die Pandemiebewältigung.
Die grosse Kammer schloss sich mit 100 zu 62 Stimmen bei 16 Enthaltungen dem Ständerat an. In der vergangenen Woche hatte sie dies noch abgelehnt, weil sie sich am Vorgehen der kleinen Kammer störte und die Mittel auf ordentlichem Weg beschliessen wollte. Das Geschäft ist damit erledigt.
Maurer verweist auf Timing
Der Ständerat hatte die 100 Millionen Franken ohne Antrag des Bundesrats und ohne vorgängige Beratung in den Finanzkommissionen in den Beschluss aufgenommen. Die Medikamente sollen Menschen mit geschwächtem Immunsystem zugute kommen. Inhaltlich war die Beschaffung nicht umstritten.
Nach Aussagen von Finanzminister Ueli Maurer hätte der Bundesrat die 100 Millionen Franken im Juni beantragt, wäre ihm der Ständerat nicht zuvorgekommen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) habe bei den letzten Beratungen eine gewisse Dringlichkeit der Beschaffung bestätigt, sagte Anna Giacometti (FDP/GR) namens der Kommissionsmehrheit. Sie warb deshalb dafür, die Differenz zu bereinigen.
Geld wird «überstürzt» ausgegeben
Eine Minderheit der Kommission war der Ansicht, die Dringlichkeit sei nicht gegeben, da bereits Mittel für die Medikamenten-Beschaffung vorhanden seien. Ginge es um eigenes Geld, würde niemand so überstürzt entscheiden, appellierte Lars Guggisberg (SVP/BE) ohne Erfolg an seine Ratskolleginnen und Ratskollegen. Man sei nicht wirklich ausgerüstet für einen fundierten Entscheid, sagte auch Felix Wettstein (Grüne/SO). Die Mehrheit seiner Fraktion werde sich daher enthalten.
Es handelte sich um die letzte Differenz zur ersten Tranche von Nachtragskrediten. Der Bund kann nach den bereits bereinigten Beschlüssen des Parlaments für die Bewältigung der Pandemie weitere 3,4 Milliarden Franken einsetzen.
1,7 Milliarden Franken entfallen auf den Corona-Erwerbsersatz, 900 Millionen Franken auf den Bundesanteil an die Härtefallhilfe und 800 Millionen Franken auf den Bundesbeitrag an die Arbeitslosenversicherung für die Kurzarbeitsentschädigung. (SDA)
Das Bundesparlament soll künftig virtuell tagen können. Generell soll es in Krisenlagen mehr Einfluss nehmen können als dies zu Beginn der Pandemie der Fall war. Als Erstrat hat der Nationalrat am Montag entsprechenden Vorschlägen seiner Staatspolitischen Kommission (SPK-N) zugestimmt.
Die grosse Kammer hiess drei Vorlagen zum Thema mit jeweils nur einer Gegenstimme gut. Zwei davon gehen an den Ständerat. Die dritte Vorlage betraf Änderungen des Geschäftsreglements des Nationalrats. Hier reicht die Zustimmung der grossen Kammer aus.
Hintergrund der neuen Regelungen sind die Ereignisse zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühling 2020. Damals war die Frühjahrssession des Bundesparlaments abgebrochen worden, die Tätigkeit der Kommissionen wurde vorübergehend eingeschränkt.
Die Räte sind sich über die ersten Nachtragskredite zum Budget 2022 noch nicht einig. Der Ständerat will zusätzliche 100 Millionen Franken aufnehmen für Covid-19-Arzneimittel. Diese Medikamente sollen Menschen mit geschwächtem Immunsystem helfen.
Die kleine Kammer hielt am Montag mit 29 zu 9 Stimmen an ihrem Entscheid fest. Der Bundesrat solle die Mittel für die Beschaffung zur Hand haben, wenn er rasch handeln müsse, sagte Johanna Gapany (FDP/FR) namens der Mehrheit. Eine Minderheit hätte dem Nationalrat folgen und den «ad-hoc-Entscheid» des Ständerates kippen wollen, wie Jakob Stark (SVP/TG) sagte.
Umstritten sei nicht die Beschaffung an sich, sondern das Vorgehen, um die nötigen 100 Millionen Franken zu bewilligen, stellte Finanzminister Ueli Maurer fest. Der Bundesrat habe die 100 Millionen Franken für die Medikamenten-Beschaffung im Juni mit den nächsten Nachtragskrediten beantragen wollen. Unterdessen habe aber das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine «gewisse Dringlichkeit» für den Kauf festgestellt, sagte Maurer. Es gebe also Argumente dafür, die 100 Millionen Franken jetzt schon freizugeben. Es sei Sache des Parlaments, abzuwägen zwischen dem Interesse der Beschaffung und dem finanzpolitisch korrekten Weg.

Nun ist wieder der Nationalrat am Zug. Es handelt sich um die letzte Differenz zur ersten Tranche von Nachtragskrediten. Der Bund kann nach den bereits bereinigten Beschlüssen des Parlaments für die Bewältigung der Pandemie weitere 3,4 Milliarden Franken einsetzen.
Nach dem Nationalrat hält auch der Ständerat an der Kandidatur der Schweiz für den UNO-Sicherheitsrat fest. Die kleine Kammer hat eine entsprechende Motion der SVP mit 26 zu 11 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Die Schweiz will 2023 und 2024 als nicht ständiges Mitglied im Sicherheitsrat Einsitz nehmen.
Anders als der Nationalrat widmete sich der Ständerat am Montag in einer ausgiebigen Debatte der kniffligen staatspolitischen Frage bezüglich der Neutralität. Neben den Vertretern der SVP kamen auch eine Minderheit von FDP und der Mitte zum Schluss, dass angesichts der neuen Ausgangslage ein Rückzug des Beitrittsgesuchs die bessere Lösung sei und votierten für die Motion oder enthielten sich zumindest der Stimme.
Verständnis für gewisse Bedenken
Die Mehrheit und der Bundesrat sahen dies jedoch anders, auch wenn sie durchaus Verständnis zeigten für gewisse Bedenken. Die zweijährige Mitgliedschaft der Schweiz im Sicherheitsrat sei eine Anerkennung der guten bisherigen Arbeit in der UNO und werde langfristig positive Auswirkungen auf die Schweiz als verantwortungsvolles Mitglied der Völkergemeinschaft haben, zeigte sich Damian Müller (FDP/LU) überzeugt.
Carlo Sommaruga (SP/GE) gab zu bedenken, die Neutralität wandle sich im internationalen Kontext. Lange seien nur die wirtschaftlichen Interessen massgebend dafür gewesen, nun stünden eher die Werte im Vordergrund. Das sei das wichtigste für die Friedensarbeit. Für Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) ist der Beitritt der Schweiz die logische und konsequente Folge der Aussenpolitik der letzten 20 Jahre.
Cassis: «Es wird kein Spaziergang»
Eine Mitgliedschaft im Sicherheitsrat sei im Interesse der Schweiz und mit der Neutralität vereinbar, bekräftigte Bundespräsident Ignazio Cassis auch im Ständerat. Gerade in diesen dunklen Zeiten stehe der Bundesrat «mehr denn je» voll hinter der Kandidatur. Die Schweiz sei die Stimme der Minderheiten und Kompromisse. Sie habe im Sicherheitsrat viele Kompetenzen zur Verfügung zu stellen. Die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat sei für die Schweiz eine Gelegenheit, ihr Ansehen und ihre friedenspolitische Glaubwürdigkeit weiter zu stärken. Ein Rückzug der Kandidatur hätte nach Ansicht des Bundesrats auch einen Glaubwürdigkeitsverlust zur Folge.

Der Bundesrat sei sich bewusst, dass es «kein Spaziergang» werde. Er wisse die Diskussion und die Argumente der Kritiker in diesem Sinne sehr zu schätzen. Intern habe man die Prozesse aber genau definiert. «Wir sind bereit, Sie sind bereit, wir schaffen das, so selbstbewusst darf man schon sein.»
Artikel zum Thema:
Nationalrat bestätigt Kandidatur: Was im UNO-Sicherheitsrat auf die Schweiz zukommt
Der Bundesrat hat sich am Montag mit allen im Parlament vertretenen Parteien zu Gesprächen über den Krieg in der Ukraine getroffen. Bei dem Meinungsaustausch ging es um die Folgen des Krieges für die Schweiz.
Das Sanktionsregime, die Flüchtlingsfrage, die Energieversorgung sowie die Auswirkungen auf die Aussen- und Sicherheitspolitik seien zur Sprache gekommen. Der Krieg in der Ukraine betreffe alle Departemente, die Kantone und die gesamte Gesellschaft, sagte Bundespräsident Ignazio Cassis am Montag vor den Medien in Bern. Beim Treffen sei es auch um die diplomatische Rolle der Schweiz in diesem militärischen Konflikt gegangen.
Der Weg der Schweiz respektiere laut dem Bundesrat bis jetzt die Neutralität, sagte Cassis. Die diplomatischen Bemühungen seien derzeit aber beschränkt, dies, weil die Positionen der beiden Konfliktparteien momentan weit auseinander liegen würden. Laut Cassis gibt es zwei wichtige Ziele, erstens einen sofortigen Waffenstillstand, und zweitens zumindest humanitäre Korridore, um den Menschen in der Ukraine Hilfe zu ermöglichen.
In schwieriger Zeit zusammenhalten
Es sei dem Bundesrat ein zentrales Anliegen gewesen, mit den wichtigsten politischen Kräften der Schweiz zusammenzutreffen, um die Herausforderungen zu erörtern, welche die Schweiz kurz- und mittelfristig erwarten würden.
Ziel des Treffens sei auch gewesen, gegenüber der Bevölkerung zu zeigen, dass Regierung und Parlament in einer schwierigen Zeit bereit seien, bei verschiedenen Meinungen einen Zusammenhalt zu erreichen, um der Bevölkerung Halt und Orientierung zu geben, sagte Cassis weiter.
Eingeladen hatte der Bundesrat die Partei- und Fraktionsspitzen aller im Parlament vertretenen Parteien. Die Delegation des Bundesrates stand unter der Leitung von Bundespräsident Cassis.
Vertreten waren die Bundesrätinnen der vom Konflikt besonders betroffenen Departemente – Justizministerin Karin Keller-Sutter, Verteidigungsministerin Viola Amherd und Energieministerin Simonetta Sommaruga. Wirtschaftsminister Guy Parmelin sei wegen der Infektion mit dem Coronavirus nicht anwesend gewesen, so Cassis. Er habe ihn betreffend des Themas Sanktionen vertreten.
Der Nationalrat hat seinen Willen bekräftigt, dass die Schweiz einen offiziellen Gedenkort für die Opfer des Nationalsozialismus bekommen soll. Er hat den entsprechenden Vorstoss am Donnerstag ohne Gegenstimme überwiesen. Mit der Zustimmung zur Motion von Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH) durch nunmehr beide Kammern haben die Räte ihre Unterstützung für eine fast gleichlautende Motion von Nationalrat Alfred Heer (SVP/ZH) bestätigt. Der Bundesrat kann nun die entsprechenden Umsetzungsarbeiten an die Hand nehmen.
Der Gedenkort soll laut den beiden Vorstössen «die Erinnerung wachhalten und durch Vermittlungsarbeit das Bewusstsein für die Bedeutung von Demokratie und Rechtsstaat, insbesondere bei jungen Menschen, stärken».
Heute werde Antisemitismus wieder bagatellisiert und zunehmend verleugnet, sagte Kommissionssprecherin Judith Bellaiche (GLP/ZH). Die kollektive Erinnerung verblasse mehr und mehr. Die jüngere Generation kenne den Zweiten Weltkrieg nur noch als historisches Ereignis aus dem Geschichtsunterricht. Der Erhalt der Gräuel der Nazizeit im kollektiven Gedächtnis sei wichtig.

Laut Bundespräsident Ignazio Cassis ist eine solcher Gedenkort «heute mehr denn je notwendig». Als er den Text zum Vorstoss vorbereitet habe, sei es nur um die Vergangenheit gegangen. Der Krieg in der Ukraine zeige nun, dass das Anliegen auch viel mit der Gegenwart zu tun habe.
«Nur wenn wir verstehen, wie so etwas geschehen konnte, können wir solche Gräueltaten in Zukunft vielleicht verhindern.» Wobei er das Wort «vielleicht» vor zwei Monaten noch nicht verwendet hätte, so Cassis.
Der Nationalrat will einen grösseren Beitrag der Schweiz zugunsten der Menschen in Afghanistan. Er hat am Donnerstag einer entsprechenden Motion seiner Aussenpolitischen Kommission (APK-N) zugestimmt. Die grosse Kammer fällte ihren Entscheid mit 112 zu 55 Stimmen bei sieben Enthaltungen. Der Vorstoss geht damit an den Ständerat.
Die APK-N verlangt konkret vom Bundesrat, seine Bemühungen in Zusammenarbeit mit allen involvierten Parteien zu intensivieren, um einen Beitrag zu Stabilität und Frieden der Region und zur Stärkung der Menschenrechte in Afghanistan zu leisten. Zudem will sie die Landesregierung beauftragen, dem Parlament wenn nötig einen Nachtragskredit für die humanitäre Hilfe zu unterbreiten. Dessen Umfang soll sich am jährlichen Volumen der Hilfe in Syrien orientieren.
Die Menschen- und insbesondere die Frauenrechte würden von den Taliban nach wie vor mit Füssen getreten, warb Fabian Molina (SP/ZH) namens der Kommission für das Anliegen. Es drohe vielen Menschen Hunger. Der Bedarf sei unbestritten gegeben.

Der Bundesrat hatte die Ablehnung des Vorstosses empfohlen, jedoch in seiner Stellungnahme zugleich seiner Besorgnis über die sich verschlechternde Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan Ausdruck gegeben. Die Landesregierung ist der Ansicht, das Anliegen der Motion sei bereits erfüllt. Die Mittel für die humanitäre Hilfe in Afghanistan seien bereits aufgestockt worden.
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Der Bundesrat muss das Unrecht aufarbeiten, das Homosexuellen in der Armee bis in die 1990er-Jahre angetan worden ist. Prüfen soll die Landesregierung auch eine Wiedergutmachung des Unrechts.
Mit 132 zu 52 Stimmen und mit 7 Enthaltungen hiess der Nationalrat am Mittwoch ein Postulat aus der SP-Fraktion gut, gegen den Willen der SVP-Fraktion. Dieses fordert einen Bericht zum Umgang der Armee mit Homosexuellen und Angehörigen anderer Minderheiten. Der Bundesrat war mit der Forderung einverstanden.
Diskriminierung mit zwei Buchstaben
Postulantin Priska Seiler Graf (SP/ZH) berichtete über die Kennzeichnung von Homosexuellen in den Dienstunterlagen, mit den mit Bleistift angebrachten Buchstaben «HS». Den diskriminierenden Eintrag vorgenommen hätten das damalige Militärdepartement oder aber zuständige Truppenkommandanten.

Das «HS» habe für Betroffenen weitreichende Folgen haben können, sagte Seiler Graf. Selbst nach 1992 habe es noch HS-Einträge und unbestätigte Hinweise auf schwarze Listen gegeben, um Schwule von höheren Dienstgraden fernzuhalten. Damals trat das neue Sexualstrafrecht ohne den Artikel «Widernatürliche Unzucht» in Kraft.
Abwehrende Haltung der SVP
Die SVP lehnte das Postulat ab. Monika Rüegger (OW) sprach von einem «Generalverdacht» gegenüber Vätern und Grossvätern. Einmal mehr werde jedes Mittel genutzt, die Armee als schlecht hinzustellen. Die Kennzeichnung «HS» sei aus heutiger Sicht nicht akzeptabel, und die Armee tue heute viel zur Verhinderung solcher Vorgänge.
Der Bundesrat anerkenne den Umgang der Armee mit Homosexuellen und anderen Minderheiten als relevantes Thema, sagte Verteidigungsministerin Viola Amherd im Rat. Erschwert werde die Aufarbeitung der Vorfälle indes durch datenschutzrechtliche Vorgaben.
In mehreren Grenzkantonen sind seit längerem Gesetze für Mindestlöhne in Kraft. Der Nationalrat spricht sich nun für eine nationale Regelung zur Durchsetzung der Regeln für Arbeitnehmende aus dem Ausland aus - und widersetzt sich damit dem Ständerat. Die grosse Kammer hat eine entsprechende Revision des Entsendegesetzes beschlossen. Der Entscheid fiel mit 106 zu 77 Stimmen bei 5 Enthaltungen.
Wie beim Eintretensvotum vor drei Monaten setzte sich eine Mehrheit aus SP, Grünen und Mitte-Fraktion durch. Nun ist wieder die kleine Kammer am Zug. Bleibt sie bei ihrem Entscheid, ist die Vorlage vom Tisch. Tritt sie auf die Änderung des Entsendegesetzes ein, könnte es doch noch nationale Regeln geben.
Das Parlament öffnet die Tür in der umstrittenen Frage der Genom-Editierung einen Spalt breit. Der Bundesrat soll bis Mitte 2024 Zulassungsregeln vorlegen, wie gentechnisch veränderte Organismen ohne artfremdes Erbmaterial vom Moratorium ausgenommen werden können.
Der Ständerat hat am Dienstag das Kompromissangebot des Nationalrats von vergangener Woche akzeptiert. Das Moratorium wird aber grundsätzlich noch einmal verlängert bis Ende 2025. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmungen.

In der Wintersession hatte die kleine Kammer mit Stichentscheid des Präsidenten beschlossen, die Genom-Editierung ab sofort vom Gentech-Moratorium auszunehmen. Dies ging dem Nationalrat jedoch zu weit. Er baute dem «Stöckli» eine Brücke mit erwähntem Kompromissvorschlag.
Nur mit Mehrwert für alle
Demnach muss der Bundesrat bis Mitte 2024 eine risikobasierte Zulassungsregelung vorlegen, wie gentechnisch veränderte Organismen ohne transgenes Erbmaterial vom Moratorium ausgenommen werden können. Dies allerdings nur, sofern sie einen Mehrwert hätten für Landwirtschaft, Umwelt und Konsumierende gegenüber herkömmlichen Züchtungsmethoden.
«Der Nationalrat kommt unserer Lösung einen grossen Schritt entgegen», würdigte Kommissionssprecher Hannes Germann (SVP/SH) den Kompromissvorschlag. Es sei ein pragmatischer Mittelweg, mit dem die Forschung und der Ständerat leben könnten. Es sei höchste Zeit, diesen neuen Methoden eine Chance zu geben, sagte Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU). Auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga konnte sich schliesslich dem Kompromissvorschlag anschliessen. Nun bleibe genügend Zeit, um Grundlagen für gute Entscheide zu erarbeiten.
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SDA/red
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