Sein Herz schlägt noch immer für YB
Raphael Nuzzolo siegt mit Xamax in der Challenge League Runde für Runde – und gibt sich zurückhaltend. Das erinnert stark an YB.

Es ist eine dieser verblüffenden Entwicklungen, die der Sport manchmal so mit sich bringt. Dass Raphael Nuzzolo jetzt, 22 Monate nachdem er die Young Boys verlassen hat, mit Xamax Runde für Runde das Gleiche erzählen muss wie seine früheren Teamkollegen in Gelb-Schwarz. Dass er mit den Neuenburgern dominiert, die Konkurrenz weit hinter sich gelassen hat und jetzt, neun Runden vor Saisonschluss, ebenso nah am Titel ist. Einfach eine Etage tiefer.
Mit Xamax steht Nuzzolo in der Challenge League vor dem Aufstieg. 18 Punkte liegen die Neuenburger nach dem 3:2 in Wil am Montagabend vor dem ersten Verfolger Servette. Etwas anbrennen wird da kaum mehr.
Der Wechsel in die Sturmspitze
Nuzzolo hat in seiner alten Heimat neues Glück gefunden. Hat nach einer erfüllten, aber titellosen Super-League-Karriere über fünf Saisons mit YB den Gang in die Zweitklassigkeit in Kauf genommen, sich auf die mentale Veränderung eingelassen, am Wochenende nach Chiasso, Wohlen und Rapperswil zu fahren, und nicht mehr nach Basel, Zürich und Sitten. «Das war eine Herausforderung», gibt Nuzzolo zu. Und bald, zwei Jahre nach seinem Wechsel, ist er möglicherweise zurück in der höchsten Spielklasse.
Xamax hält sich natürlich noch bedeckt, aber im Prinzip ist die Situation ähnlich wie eine Klasse höher bei YB: Die Neuenburger sind zu stark, zu konzentriert, zu souverän, als dass man sich jetzt noch den Einbruch vorstellen könnte, der für einen Abrutsch eintreten müsste. «Plötzlich spürst du auch weniger Druck, es läuft immer besser. Du bleibst ruhig, auch wenn du mal in Rückstand gerätst», beschreibt es Nuzzolo.

Der Aufstieg wäre die Krönung einer schönen Renaissance um den Club mit der bewegten Geschichte. 2011 kaufte der Tschetschene Bulat Tschagajew den stolzen Verein auf – und wirtschaftete ihn in nur einem Jahr komplett zugrunde. Der Neubeginn war nicht einfach, Präsident Christian Binggeli bezeichnet die 400'000 Franken, welche es in der 2. Liga interregional als erstes Budget zu stemmen galt, noch heute als «den schwierigsten Schritt».
Viele weitere Schritte später stand Xamax im Sommer 2015 in der Challenge League, dem vom Präsidenten erklärten Ende der Fahnenstange. Doch Binggeli und seine Leute kauften klug und bedächtig ein, und auf diese Saison hin war ein Kader mit der berühmten Mischung beisammen: Jüngere und Ältere, Aufstrebende und Routinierte. Und als eine Art Medley davon: Raphael Nuzzolo.
Mit seinen 34 Jahren ist der Bieler der Teamsenior, er kennt die Super League aus über 320 Pflichtspielen, hat auch in der Challenge League bald 100 Partien auf dem Konto. Und gleichzeitig ist der Erfahrenste im Team auch ein Neuer, ein Aufstrebender, ein Lernbegieriger. Seit zwei Saisons nämlich ist der frühere Flügel ein echter Mittelstürmer – mit echt überzeugender Torquote.
Die Nähe zu von Bergen
«Das ist ja eher aus der Not heraus entstanden», sagt Nuzzolo schmunzelnd und erzählt, wie sich damals Gaetan Karlen verletzt hat und Trainer Michel Decastel ihn fragte, ob er sich diese Position vorstellen könne. «In meiner ersten Saison gelangen mir zwei Tore. Sehr zuversichtlich war ich eigentlich nicht», sagt er lachend. Jetzt sind es in 26 Spielen schon 22 Treffer.
Die Quote spricht für sich: Raphael Nuzzolo ist in Neuenburg mit vollem Eifer bei der Sache. Doch noch lieber als über Xamax spricht Nuzzolo über anderen Sport. Er ist ein Freak, wenn man so will, von ihm heisst es, dass er sich auch das Montagsspiel in der portugiesischen Liga anschaue, und am allerliebsten spricht der SCB-Fan derzeit über: YB.
Da sprudelt es aus ihm heraus, da kommt er ins Schwärmen. Von der Genugtuung, die der nahe Titelgewinn auch ihm verschaffe. Von der wundersamen Auferstehung des Marco Wölfli. Vom frankofonen Flair. Und von Steve von Bergen. «Endlich erhält er die Anerkennung, die er verdient», sagt er über seinen Copain, neben dem er vor dreizehn Jahren bei Xamax die Karriere lancierte.

Die beiden stehen noch immer eng in Kontakt, und vielleicht kehrt ja von Bergen, dessen Vertrag bei YB im Sommer endet und der mit seiner Familie näher an der Maladière als am Stade de Suisse wohnt, eines Tages zurück. Präsident Binggeli sagt: «Er muss nicht an meine Tür klopfen. Für ihn ist schon ein Keil drin.»
Nuzzolo also darf das Abenteuer Super League noch einmal planen. Am meisten freut er sich – wer hätte das gedacht – auf die Partien gegen die Young Boys. In der aktuellen Saison war Nuzzolo bei etlichen Heimspielen im Stadion. Und frei nach Goethe gibt er, der YB-Fan im Xamax-Trikot, zu: «Ich habe zwei Herzen in meiner Brust.»
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