Spiel mir das Lied vom Mord
TheaterpremiereDas Theater Biel-Solothurn zeigt Jean Genets «Die Zofen» mit zwei mörderischen Dienstmädchen und einer gnädigen Frau in Hochform.
In einer Kammer mit einer prächtigen Tapete gibt sich Claire (Margit Maria Bauer) ihrem Lieblingsspiel hin. Das Dienstmädchen spielt Madame, schlüpft in prächtige Roben, erfreut sich an pathetischen Gesten und behängt sich mit Perlen. Ihre ältere Schwester Solange (Katja Tippelt), die ebenfalls in die-sem Haus dient , muss die Untergebene spielen, sich bücken, rückwärts aus dem Zimmer gehen und ihren Hass unterdrücken. Sadomasochismus unter Schwestern, die den Sinn für die Realität längst verloren haben. Abgründige Fantasie Jean Genets (1910–1986) Skandalstück, im Originaltitel «Les bonnes», wurde 1947 uraufgeführt. Es basiert auf einer wahren Begebenheit, dem Doppelmord der Schwestern Papin im Jahre 1933. Zwei französische Dienstmädchen ermordeten auf bestialische Art und Weise ihre Herrin und deren Tochter. Léa Papin gab damals zu Protokoll, sie sei schon seit dem frühen Morgen wütend gewesen. Genets selbst bestritt diese Vorlage und wehrte sich auch gegen eine klare Deutung gegen die Bourgeoisie oder für die Dienerschaft. Sein Stück ist vor allem eines: eine abgründige Fantasie, die den Zuschauer nicht mehr loslässt. Identitätsstörung Bis die gnädige Frau (Barbara Grimm) erstmals auftaucht, ist man längst mitten drin in diesem symbiotischen Geflecht voller Demütigungen, das die Dienstmädchen auf der Bühne entwickeln. Claire hat scheinbar einen Brief geschrieben, um den gnädigen Herrn, von dem im Stück nur erzählt wird, ins Gefängnis zu bringen. Solange hat die Herrin in der Nacht umbringen wollen, es letztlich aber nicht über sich gebracht. Den grossartigen Darstellerinnen Margit Maria Bauer und Katja Tippelt schaut man mit zunehmendem Unbehagen zu. Wie sie in den Wahnsinn abdriften und dabei auf der ganzen Klaviatur der Emotionen spielen – mal von Selbsthass geschüttelt und mal von Zärtlichkeit zueinander ergriffen –, ist beklemmend. Regisseurin Deborah Epstein gelingt es, uns mit einfachen Kniffen in ihren Bann zu ziehen. Etwa indem sich die Schwestern gegenseitig frisieren und dabei ins Publikum schauen, das so gewissermassen zum Spiegel der beiden wird. Raffinierte Verdoppelungen Bühne, Kostüme, Video und Musik (Florian Barth) bilden ein stilvolles Ganzes. Ein leise einsetzender Klangteppich kündigt jeweils an, wenn die Schwestern sich in ihrer Traumwelt befinden, Videoprojektionen und raffinierte Schattenspiele verdoppeln die Figuren und versinnbildlichen so deren Identitätsstörungen. Claire und Solange oder Solange und Claire? Wer ist die Dienerin und wer die Herrin? Als schliesslich die gnädige Frau mit ihrer unbedachten Borniertheit das Spiel der beiden stört, kann es nur Tote geben. Doch wer trinkt zuerst den vergifteten Lindenblütentee?Helen LaggerWeitere Vorstellungen: Bis 3.Februar 2012 (Biel) und 28.Februar 2012 (Solothurn). Infos und Tickets: www.theater-solothurn.ch. >
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