Kunstvolle Holzköpfe im besten Licht
BurgdorfDer Amateurfotograf Roland Iseli hat das Ratsherrengestühl in der Stadtkirche ins Bild gerückt; dafür gabs von Wikimedia einen Preis.
Zusammen mit rund 300 anderen Wettbewerbsteilnehmern begab er sich zur Feier in den Berner Kursaal. Dass er einen Preis abholen würde, dachte er indessen nicht. Umso überraschter war der Burgdorfer Roland Iseli, als er sich auf dem zweiten Rang wiederfand – hinter einem Zürcher als Sieger und vor einem Genfer als Drittplatziertem. Als Preis bekam er eine Trophäe zum Aufstellen und ein iPad. Ausgezeichnet wurde er für eine Fotografie, die eine Detailansicht des barocken Ratsherrengestühls in der Stadtkirche Burgdorf zeigt, mehrere aus den hölzernen Armlehnen herauswachsende, kunstvoll geschnitzte und von einem milden Licht lebendig gezeichnete Gesichter. Diese Arbeit sandte Iseli im Rahmen eines Wettbewerbs ein, den der Verein Wikimedia CH landesweit ausgeschrieben hatte. Mit diesem Anlass bezweckte der Verein, eine Datenbank mit möglichst viel Bildmaterial zu nationalen Kulturdenkmälern zu bestücken. Die rund 3000 inventarisierten Objekte auf bezahlter Basis professionell fotografieren zu lassen, wäre nämlich nicht finanzierbar gewesen, also verfiel man auf die Wettbewerbsidee. Ein Auge für das Detail Iseli entdeckte die dreimonatige Ausschreibung zufällig und relativ spät im Internet. «Ich hatte bis zum Einsendeschluss nur noch 14 Tage Zeit und beschloss daher, mich quasi vor der Haustür nach einem Objekt umzusehen», sagt er. Die Stadtkirche Burgdorf ins Bild zu rücken, reizte ihn besonders, aber eine der sattsam bekannten Aussen- oder Innenansichten wollte er nicht beisteuern. Also entschied er sich für ein Detail – und als er an einem Wochenende im September das Gebäude aufsuchte und das barocke Prunkgestühl in einem schönen Lichteinfall sah, war für ihn der Fall klar: Dieses kunstvolle Schnitzwerk würde sein Wettbewerbsbeitrag werden. Iseli ist von Beruf Architekt, interessierte sich aber bereits als Jüngling auch für die Fotografie. «Ich habe keine professionellen Ansprüche, nehme mein Hobby aber durchaus ernst», sagt er. Ob in Barcelona, Wien oder Sion: Überall stösst er auf historische, moderne, profane oder sakrale Bauten, die ihn faszinieren und zum Fotografieren einladen. Ein Gestühl von Bedeutung Auch der Gegenstand seines Wettbewerbsbeitrags für Wikimedia hat es in sich. Die Ratsherrensitze entlang der Seitenschiffe in der Burgdorfer Stadtkirche gelten laut Inventar «als das grösste und schönste Laiengestühl des 17.Jahrhunderts in der Schweiz». Wie die Burgdorfer zu ihrem Prunkstück kamen, ist nachzulesen im kunsthistorischem Burgdorf-Band von Jürg Schweizer. 1644 wars, als der kunstverständige Burgermeister Jakob Fankhauser diverse Verbesserungen an der Kirche vorschlug. Dazu gehörte auch die Anfertigung eines repräsentativen Ratsherren- und Prädikantengestühls. Der Rat hiess die Ideen gut; ein Jahr später wurden die Prunkstühle in Auftrag gegeben, und zwar an die einheimischen Tischmacher Hans Dübel und Hans Vetter. Allerdings sahen sich die beiden eher in der Funktion der Werkstattchefs denn in der Rolle der Ausführenden. Mit der anspruchsvollen Herstellung wurden fünf fahrende Gesellen betraut. Meister Hans Dübel versuchte sich zwar ebenfalls an einem Teil des Gestühls. Gegenüber der Virtuosität der fremden Gesellen nimmt sich seine Schnitzkunst jedoch bescheiden aus: «Die Abschlusswangen werden von leblosen Hüllblättern bedeckt, der Dorsalschmuck bleibt in der Ebene, die steifen, flächig-unbeholfenen Schnitzereien beschränken sich auf die Dekoration von Architekturgliedern und greifen nicht in den Raum aus.» So beschreibt Urs Schweizer die Mängel der Chefarbeit. Burgdorf verdankt sein barockes Bijou also fünf Werkstattgehilfen, die ihren Meistern den wahren Meister zeigten.Hans Herrmann>
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