Altersheim Kühlewil: Ein Zuhause – auch für spezielle Biografien
Das stadtbernische Altersheim Kühlewil, das 2017 stattliche 125 Jahre alt wird, ist ein baulicher und finanzieller Sanierungsfall. Die Stadtverwaltung prüft nun verschiedene Szenarien, zu denen auch der Verkauf gehört.
Das Alters- und Pflegeheim Kühlewil ist ein Sanierungsfall. Zum einen baulich: Nachdem 2014 das neu gebaute «Wiesenhaus» eröffnet worden ist und seit neustem der sanierte Südflügel des Hauptgebäudes wieder bewohnt ist, werden während der nächsten drei Jahre der Mitteltrakt und der Nordflügel erneuert. Zum andern schrieb das Alters- und Pflegeheim 2015 ein Defizit von einer Million Franken.
2016 betrug das um Sonderfaktoren bereinigte Defizit immer noch rund 580'000 Franken.Solange am und im Haus Bauarbeiten im Gang seien, werde dieses nicht rentabel zu betreiben sein, sagte Blaise Kropf, Leiter des städtischen Alters- und Versicherungsamts, im vergangenen Herbst. 2016 sei es aber gelungen, Ergebnisverbesserungen von rund 600'000 Franken zu erzielen.
Dennoch rechnet die Stadt damit, bis zum Abschluss der Bauarbeiten jährlich 500'000 Franken in das Alters- und Pflegeheim Kühlewil einschiessen zu müssen.
Ein eigenes Heim kostet die Stadt rund 1 Million pro Jahr
Parallel zu den Sanierungsarbeiten vertieft Kropfs Amt derzeit im Auftrag des Gemeinderats drei Szenarien für die künftige Trägerschaft des Alters- und Pflegeheims Kühlewil: Weiterführung als Verwaltungseinheit der Stadt; Überführung in eine selbstständige stadtnahe Trägerschaft ausserhalb der Stadtverwaltung; Verkauf an Dritte.
Voraussichtlich um das Jahresende werde der Gemeinderat die verschiedenen Varianten erstmals beraten, so Kropf. Um nicht wie in der jüngsten Vergangenheit alle paar Jahre über die Trägerschaft diskutieren zu müssen, strebt die Stadt laut Kropf «eine nachhaltige Lösung an, die für längere Zeit Bestand haben wird».
Szenario 1 – der Erhalt des Status quo – würde bedeuten, dass die Stadt das Heim auch über die Umbauzeit hinaus subventionieren müsste: Die «trägerschaftsbedingten Mehrkosten» – konkret: die 40-Stunden-Woche und der strenge Kündigungsschutz – von jährlich zwischen 600'000 und 1 Million Franken entsprächen dem Preis, den die Stadt für den selbstständigen Betrieb eines Alters- und Pflegeheims zu bezahlen hätte.
Das Heim als Ausflugsziel mit Spielplatz und Kneippanlage
Die umfassende Sanierung dürfte der Attraktivität des Alters- und Pflegeheims Kühlewil zuträglich sein. Dazu kommen weitere Vorzüge Kühlewils, wie sie die Betreiber an der Präsentation des Buchs «Kühlewil 1892–2017» hervorhoben (siehe Kontext), etwa die Lage im Grünen (und häufig über der Nebelgrenze) oder die weitläufige Gartenanlage.
Künftig wolle man stärker betonen, dass der Längenberg ein attraktives Ausflugsziel sei, sagt Heimleiter Pierre Steiner. Dazu passt die geplante Öffnung des Restaurants ebenso wie die Ideen eines Kinderspielplatzes, eines Themenwegs oder einer Kneippanlage, die geprüft werden sollen.
Trotz alledem stellt sich die Frage: Würde man heute dort noch ein Alters- und Pflegeheim bauen? An diesem abgelegenen Ort, den man einst wählte, um Arme und Auffällige aus der Stadt verbannen zu können?
«Eher nicht», sagt Werner Müller, Leiter Akquisition und Projektentwicklung bei der Senevita AG. «Heute würde man wohl einen Standort wählen, der entweder zentraler gelegen oder mit dem öffentlichen Verkehr besser erschlossen ist.»
Obwohl das Alters- und Pflegeheim Kühlewil eine eigene Postauto-Haltestelle hat, erachtet Müller die mit Umsteigen verbundene Verbindung in die Stadt als suboptimal. Dies gelte nicht nur für die Heimbewohner, sondern auch für deren Besucherinnen und Besucher, die ihrerseits auch immer älter würden.
Dennoch ist Müller überzeugt, dass es Menschen gibt, für die das Alters- und Pflegeheim Kühlewil und dessen ruhige Lage der perfekte Lebensort seien. Deshalb könne das Haus durchaus in ein privates Portefeuille passen – auch wenn es etwa bei der Domicil AG vor fünf Jahren gegenüber dieser Zeitung hiess, der Standort Kühlewil entspreche nicht ihrer Strategie, «in den Quartieren» Heime zu betreiben.
Das Haus sei attraktiv und die Institution mache einen guten Job, findet aber Senevita-Mann Müller. «Falls sich die Stadt für einen Verkauf entscheidet, würden wir eine Übernahme auf jeden Fall prüfen.»
Standort ist ein Kriterium unter vielen
Auch für die Tertianum AG ist ein guter ÖV-Anschluss für ein Alters- und Pflegeheim «ein grosses Plus», so Katja Hafner, Leiterin Kommunikation. Ob Kühlewil dies erfülle, will sie nicht beurteilen. «Es haben nicht alle den Luxus, dass alle fünf Minuten ein Tram fährt, das ist aber auch nicht nötig.»
Je stärker jemand auf Pflege angewiesen sei, desto enger werde der Radius dieser Person. «Für beweglichere Leute ist es aber oft wichtig, dass Läden oder ein Café in Gehdistanz liegen.» Allerdings sei der Standort eines Alters- und Pflegeheims nicht das wichtigste Kriterium zur Beurteilung von dessen Qualität, so Hafner: «Wichtiger sind die Pflege- und Betreuungsqualität sowie die Atmosphäre in einem Haus.»
Letztere scheint im 125-jährigen Heim zu stimmen, wie Urs Stoll, Co-Leiter des Pflegedienstes und stellvertretender Heimleiter, an der Buchpräsentation betonte. In einer Umfrage unter den Bewohnerinnen und Bewohnern sei die Qualität des Zusammenlebens in Kühlewil als «weit überdurchschnittlich gut» bewertet worden.
Auch Blaise Kropf vom städtischen Alters- und Versicherungsamt ist überzeugt davon, dass der Standort hoch über Kehrsatz auch in Zukunft «für ein gewisses Publikum besser als ein Heim in der Stadt» sein wird. Kühlewil biete bis heute «auch Leuten mit spezielleren Biografien» eine Heimat, so Kropf – etwa Suchtkranken sowie Menschen mit Demenz oder psychischen Beeinträchtigungen.
Dabei verfolge man «einen integrativen Ansatz, der gerade auch wegen des Standorts so gut funktioniert». Sowohl die Umgebung als auch das weitläufige Haus böten Freiräume, die anderswo fehlen würden.
Ein Zuhause auch für «spezielle Biografien»: Es ist dies eine der stärksten Klammern um die 125-jährige Geschichte des Alters- und Pflegeheims Kühlewil.
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