Zweiter Schock wegen Ex-Schreiber
WynauDer frühere Gemeindeschreiber Wynaus soll während Jahren total 1,3 Millionen Franken veruntreut haben. Jetzt wird bekannt, dass er heute für eine Firma arbeitet, die Gemeindesoftware herstellt. Pikant: Zu den Kunden gehört auch Wynau.
Der Schock über die Machenschaften des früheren Gemeindeschreibers sitzt in Wynau immer noch tief. Im Oktober 2009 war aufgeflogen, dass der langjährige Schreiber während 11 Jahren Gelder in die eigene Tasche abgezweigt hatte. Nach heutigen Erkenntnissen beträgt der Schaden rund 1,3 Millionen Franken. Bald kommt es zur Anklage am Wirtschaftsstrafgericht, unter anderem wegen Veruntreuung (vgl. Text rechts). Wie jetzt bekannt wird, blieb es nicht bei diesem ersten Donnerwetter für die Gemeinde Wynau. Recherchen der BZ zeigen, dass der Ex-Schreiber, der seine Tat nach dem Auffliegen sogleich gestanden hatte («Ja, ich habe betrogen», liess er öffentlich verlauten), schnell einen neuen Arbeitgeber fand. Er heuerte bei einer Firma aus dem Kanton Aargau an, die Gemeindesoftware herstellt. Im Dezember 2009 wurde er mit einem neuen Arbeitsvertrag ausgestattet. Pikant dabei: Zu den Kunden der Firma gehört auch die Gemeinde Wynau – also die frühere und langjährige Arbeitgeberin des Ex-Schreibers, aus deren Kasse er 370000 Franken abgezweigt haben soll. Sensible Daten in der Firma Der Ärger und die Ohnmacht bei den Wynauer Behörden waren gross, als sie von der neuen Stelle erfuhren. Kein Wunder. Denn immerhin operiert die Softwarefirma mit sensiblen Daten öffentlicher Verwaltungen. Unter anderem entwickelt und betreut sie Programme für die Finanzplanung und die Buchhaltung. Nelly Heusser, heute Wynaus Gemeindeschreiberin, redet Klartext. «Für uns ist diese Geschichte nicht erfreulich.» Sie spricht von einer «speziellen und delikaten Angelegenheit». Bis heute arbeitet der frühere Schreiber bei der Softwarefirma als Projektleiter. Er sei für die operative Planung und Steuerung von Projekten zuständig, wird er in einem Mitarbeiterheft zitiert. Damit sei er verantwortlich für «das Erreichen von Sach-, Termin- und Kostenzielen». Wie hat der Mann, der früher Polizist war, das bloss geschafft? War es seine «gewinnende Art», wie die Leute im Dorf sagen, die ihm geholfen hat? War es seine Ausdauer, die der begeisterte Duathlet haben dürfte? Beim aktuellen Arbeitgeber wird der Ex-Schreiber, der heute im Aargau lebt, in den höchsten Tönen gelobt. «Er macht eine hervorragende Arbeit», sagt der stellvertretende Geschäftsleiter, der nicht möchte, dass der Name seiner Firma publik wird. Es habe jedenfalls noch nie Beanstandungen gegeben. «Der Mann kann chrampfen.» Gekannt habe man sich von früher. Als Wynauer Schreiber sei der Mann ein Kunde der Firma gewesen. Klar, auch im Aargau ist man sich der delikaten Konstellation bewusst. Aber das fachliche Wissen des Ex-Schreibers sei ausgezeichnet, beteuert der stellvertretende Geschäftsführer. Deswegen habe man sich entschlossen, «ihm eine zweite Chance zu geben». Er werde behandelt wie «ein normaler Mitarbeiter» mit «marktgerechtem Lohn». Allerdings: So ganz normal sind die Bedingungen nun auch wieder nicht. Denn mit Wynau wird der Ex-Schreiber nie mehr zu tun haben. Der stellvertretende Geschäftsführer versichert: Er werde weder jemals nach Wynau anrufen noch die Daten der Gemeinde zu Gesicht bekommen. Und auch die anderen Gemeinden aus dem Oberaargau soll der Ex-Schreiber nach Möglichkeit nicht betreuen: Weitere Kunden der Firma sind gemäss der Internetseite Attiswil und Oberbipp. Die Treue der Softwarefirma Dass der Ex-Schreiber nie mit Wynau zu tun haben wird, liess sich die Behörde sogar schriftlich bestätigen. «Wir haben uns juristisch abgesichert», sagt Gemeindeschreiberin Heusser. Auch ans Aussteigen denkt die Gemeinde. Das sei aber nicht so einfach, weil sehr viel mit der Software verknüpft sei. Längerfristig sei das ein Ziel. «Doch wir warten jetzt erst einmal den Prozess ab.» Auch bei der Aargauer Softwarefirma blickt man gespannt dem Prozess entgegen. «Ich hoffe nicht, dass unser Mitarbeiter hinter Gitter muss», sagt der Verwaltungsratspräsident. «Das wäre das Schlimmste. Dann könnte er nicht mehr arbeiten.» Selbst dann will man dem Mann, der in Wynau 1,3 Millionen Franken veruntreut haben soll, die Treue halten. «Ja, er könnte bei uns bleiben», sagt der Verwaltungsratspräsident. Dominik Balmer>
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