Pfeilgerade durchs Aaretal
Eine Reise im BLS-Führerstand eröffnet ganz neue Perspektiven.

Gerade einladend sieht diese Tür nicht aus. Ihr helles Grau wirkt zwar freundlich, doch die fehlende Falle macht rasch klar, dass Eintreten nicht erwünscht ist. Ein blaues Schild bittet zudem, den Platz nicht zu versperren. Aus gutem Grund: Im Notfall soll hier, ganz an der Spitze des BLS-Doppelstöckers Mutz, der Lokführer, die Lokführerin möglichst ohne Hindernis das Weite suchen können.
Hinter der Tür sitzt an diesem Nachmittag die 36-jährige Beatrice Gusset. Nein, sagt sie gleich, in eine Notsituation, die eine Flucht nach hinten nötig gemacht hätte, sei sie in den zweieinhalb Jahren seit ihrem Berufsabschluss nie geraten. In brenzligen Situationen sei bisher immer alles noch gut gegangen. Zum Glück, denn: «Man kann sich zwar Szenarien zurechtlegen, doch wie man tatsächlich reagieren wird, zeigt sich erst im Ernstfall.»

Doch genug der trüben Gedanken. Schliesslich läuft alles wie am Schnürchen in der Lokführerkabine, die so gar nichts von der Enge hat, die manche an der Spitze des Zuges vermuten. Nach der Tür geht es zuerst ein paar Schritte durch einen Gang, hinter dessen Wänden links und rechts sich mannigfaltige Technik versteckt. Vorne wirkt der Führerstand selber sehr geräumig, was nicht zuletzt durch grosszügig im Halbrund angebrachte Bedienelemente unterstrichen wird.
Auf diversen Bildschirmen kann Gusset kontrollieren, ob sie pünktlich unterwegs ist. Ob sie die Geschwindigkeit einhält. Ob alle Schiebetritte eingefahren und alle Türen geschlossen sind. Und ob die Stromabnehmer der beiden gekoppelten Doppelstöcker ordnungsgemäss an die Fahrleitung gedrückt sind.
Gruss um Gruss
Ihren Dienst beginnt Gusset im Bahnhof Thun auf der S1 nach Freiburg. Sanft fährt der Mutz um Punkt 14.43 Uhr an, sanfter, als er müsste, denn eigentlich dürfte er mit Tempo 40 über die Ausfahrweichen fahren. Tut er aber nicht, aus Rücksicht auf die Passagiere, für die abrupte Ablenkbewegungen unangenehm sind: «Der Fahrplan auf der S1 lässt mir genug Zeit.»

Pfeilgerade geht es nun durchs Aaretal, und sogar für regelmässige Pendler wird die Reise zu einem ganz neuen Erlebnis. Die Landschaft fliegt regelrecht auf die Frontscheibe zu. Dorf folgt auf Dorf und Bahnhof auf Bahnhof, schon führt der Lorraineviadukt schnurstracks in den Bahnhof Bern.
Später, nach der Kantonsgrenze, schlängelt sich das Gleis in Kurven und Einschnitten durchs Hügelland. Bevor kurz vor Freiburg der Horizont wieder weit wird und mit dem Grandfey-Viadukt die zweite grosse Brücke naht.
Gusset ist voll in ihrem Element. Sie grüsst die Lokführer in den entgegenkommenden Zügen, erklärt, dass sie auch deshalb nicht immer mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs sei, weil sonst bei den kurzen Distanzen zwischen den Halten zu viel Energie verloren ginge. An den Stationen selber achtet sie auf die vorgeschriebenen Haltezeiten – schliesslich sollen auch Leute, die nicht gut zu Fuss sind, bequem ein- und aussteigen können.

Herrliche Ausblicke
Was die Faszination an ihrem Beruf ausmacht? Es ist die Vielfalt, die Mischung aus technischem Wissen und zwischenmenschlichem Kontakt, die Tatsache auch, dass kein Tag wie der andere verläuft. Nicht zu vergessen der privilegierte Blick aus dem Cockpit: «Durchs Gürbetal zu fahren und in die Alpen zu blicken, das ist einfach nur schön.»
Für den BZ-Adventskalender schauen wir bis Weihnachten jeden Tag hinter eine Tür, die sonst nicht geöffnet wird oder werden darf. Hier können Sie nachlesen, wo wir bisher zu Besuch waren:
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