Daten an die USA geliefert Paradeplatz-Manager verurteilt: «Jetzt bin ich halt ein Spion»
Das Bundesgericht hat Finanzmanager Martin Egli schuldig gesprochen, weil er den USA 2013 im Steuerstreit geholfen hat. Er glaubt, dass er so seine Firma am besten schützen konnte.

Er hat sich gewehrt. Jahrelang kämpfte Martin Egli, langjähriger Verwaltungsratspräsident des Zürcher Vermögensverwalters Swisspartners, gegen die Strafe. Es geht bei dem Fall um die Frage, ob Egli 2013 verbotene Handlungen für einen fremden Staat beging, als er die Daten von 109 Kunden an die US-Steuerbehörden weitergab.
Nun findet das Verfahren wegen «verbotener Handlungen für einen fremden Staat» seinen Abschluss vor Bundesgericht. Egli wird schuldig gesprochen, bezahlt dafür eine Busse über 10’000 Franken und trägt die Verfahrenskosten.
Egli nimmt den Entscheid gelassen hin: «Das Urteil bewegt mich nicht mehr.» Er habe mit der Sache abgeschlossen. Das war aber lange nicht so, er wehrte sich gegen die Strafe. «Am Anfang ging es mir noch ums Prinzip», sagt Egli gegenüber dieser Zeitung. Nun könne er die Busse akzeptieren. «Auch wenn ich die Begründung des Urteils nicht nachvollziehen kann», so Egli.
Er glaubte sich auf der sicheren Seite
Denn Egli hatte sich vor der Übergabe der Daten abgesichert. Er verliess sich damals auf den Rat zweier Anwälte, die ihm sagten, dass es wahrscheinlich legal sei, die Kundendaten in die USA zu bringen. Er speicherte sie auf einem USB-Stick und brachte sie den amerikanischen Steuerfahndern in die USA.
Der Zeitpunkt war heikel. Die Schweiz steckte damals mit den USA in Verhandlungen über eine Lösung im Steuerstreit. Im Spätsommer 2013 schlossen die Parteien einen Deal, der Straffreiheit als Gegenleistung für Bussenzahlungen in Aussicht stellte. Milliardenschwere Ablassdeals für Schweizer Banken mit unversteuerten US-Kunden waren die Folge.
Das Erstellen von zwei Gutachten war ein Beleg dafür, dass Egli sich bewusst war, dass er sich in einer Grauzone bewegte.
Egli berief sich später darauf, dass er aufgrund der beiden Gutachten davon ausgegangen sei, nichts Verbotenes zu tun. Das Bundesgericht stellt aber schon in einem früheren Verfahren fest, dass das Erstellen von zwei Gutachten ein Beleg dafür war, dass Egli sich bewusst war, dass er sich in einer Grauzone bewegte.
Die Finanzmarktaufsicht zeigte Egli nach der Datenübergabe bei der Bundesanwaltschaft an. Diese brummte ihm eine Strafe auf. Danach ging der Fall durch die Instanzen. Zuletzt hatte Egli Beschwerde gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts von 2019 eingelegt. Damals, nach einem ersten Freispruch der Vorinstanz, wurde ihm eine Busse von 10'000 Franken auferlegt. Nun wird seine Beschwerde dagegen abgewiesen.
Wie ist es, wenn man dafür verurteilt wurde, verbotene Handlungen für einen fremden Staat begangen zu haben? «Jetzt bin ich halt ein Spion, aber ich arbeite sicher nicht für die CIA», scherzt Egli heute. Vielleicht sei der entsprechende Gesetzesartikel (Art 271 StGB) auch einfach veraltet.
Kunden konnten sich nicht wehren
Denn Verurteilungen nach diesem Artikel gibt es höchst selten – manchmal keine, manchmal eine pro Jahr. Praktisch nie geht es um wirkliche Spionage, also das Aushorchen der Schweiz für ein anderes Land. Bei den wenigen Fällen geht es fast immer darum, ob Daten freiwillig an ausländische Behörden weitergegeben wurden und das gegen die Schweizer Interessen verstiess.
Auch bei Eglis Fall geht es um diese Frage. Das Bundesgericht schreibt in seinem aktuellen Entscheid, dass die Herausgabe der Daten eine Vorwegnahme von Handlungen sei, die einer Behörde oder einem Beamten zukomme. «Hätten die US-Behörden ein Gesuch um Rechts- bzw. Amtshilfe stellen müssen, hätten die Schweizer Behörden entscheiden können, welche Unterlagen mit welchen Auflagen, insbesondere dem Spezialitätsvorbehalt, an die US-Behörden übergeben werden», so die Richter. Auch hätten die betroffenen Klienten prozessuale Rechte erhalten. Sie hätten sich also gegen die Übergabe wehren können.
Damit habe Egli die schweizerische Souveränität verletzt. Dies, da die aus der Schweiz stammenden Daten nur von den schweizerischen Behörden über den Amts- oder Rechtshilfeweg hätten weitergegeben werden dürfen.
Swisspartners zahlte 2014 eine Strafe von 4,4 Millionen Dollar an die US-Steuerbehörden. Ansonsten konnte sich die Firma aber schadlos halten. Egli glaubt, dass sich die Datenübergabe für seine Kunden und die Mitarbeiter ausgezahlt habe. «Wir waren die erste Finanzgesellschaft, welche die Kunden frühzeitig verbunden mit einer Selbstanzeige auf die Regularisierung ihrer Vermögen aufmerksam gemacht hat», so Egli.

Das habe sich für die Kunden gelohnt. «Keiner von ihnen hatte später Probleme mit der US-Strafjustiz», so Egli. Die meisten der 109 Kunden seien auch heute noch bei Swisspartners. Nicht ohne Stolz verweist er zudem darauf, dass keiner der Swisspartners-Mitarbeiter später belangt wurde. Dies im Gegensatz zu denjenigen von anderen Schweizer Banken und Vermögensverwaltern; das war Teil der Vereinbarung mit den US-Behörden.
Dass es für Mitarbeiter von Finanzplatz-Instituten auch nach mehreren Jahren noch gefährlich werden kann, zeigt der Fall Ihag. Kürzlich eröffnete die US-Justiz ein Verfahren gegen sechs Schweizer, die im Umfeld der Zürcher Bank arbeiteten. Die Bank selbst bleibt aber unbehelligt. Sie hat sich vor sechs Jahren mit den US-Behörden auf einen Deal geeinigt, der sie rund 7,5 Millionen Franken kostete.
Das Urteil trägt die Nummer: 6B_216/2020
Jorgos Brouzos ist seit 2015 Wirtschaftsjournalist bei Tamedia. Er berichtet hauptsächlich über den Schweizer Finanzplatz und den Rohstoffsektor. Er hat an der Universität Zürich Politikwissenschaften studiert.
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