Milde für die Schweizer Wintersportler
Nie war eine Schweizer Delegation für die Olympischen Winterspiele grösser als jene für Sotschi.

Der erste Rekord ist schon erreicht. 163 Athleten, davon 71 Frauen, werden ab übernächstem Freitag für die Schweiz an den Winterspielen von Sotschi teilnehmen. Stolz ist Gian Gilli, der Chef de Mission von Swiss Olympic, auf diese imposante Zahl. Sie ist nur schon im Vergleich zu den Vorgängerspielen (146) klar gestiegen – und hat sich seit 1998 (74) mehr als verdoppelt.
Diese aktuelle Breite im helvetischen Winterspitzensport hängt erst einmal stark mit den Leistungen der Eishockeyteams zusammen. Seit 2006 waren Männer wie Frauen stets am Start. Zudem hat die Zahl der Disziplinen mit dem Fortgang der Spiele zugenommen. Allein für Sotschi sind zwölf neue Wettbewerbe hinzugekommen, primär aus dem FreestyleBereich.
Gleichzeitig scheint sich das milde Klima von Sotschi, zurzeit werden dort frühlingshafte 13 Grad gemessen, auf die Schweizer Selektionäre übertragen zu haben. Gilli spricht davon, dass man «grosszügig» selektioniert habe. Weil das in der Welt des Spitzensports, wo gemäss Funktionären und Athleten doch meist alles immer härter und hektischer wird, nach Kuschelvorgaben klingt, ergänzt er: «leicht grosszügiger» sei das Selektionskonzept im Vergleich zu früheren Jahren gewesen. Das ist natürlich milde untertrieben. Wer es einmal im Weltcup in die Top 10 schaffte, war so gut wie oder gar definitiv für die Spiele selektioniert. Deutlich wird darum (einmal mehr): Der Wintersport geniesst in der Schweiz einen derart hohen Stellenwert, dass er im Vergleich zum olympischen Sommersport sanfter beurteilt wird.
Platz 8 im Medaillenranking
Kaum einen Quotenplatz gab Swiss Olympic darum für Sotschi zurück – und wo es dies wie etwa beim Skispringen tat, existierte keine Alternative: Man hätte die Plätze selbst mit den kreativsten Speziallösungen nicht rechtfertigen können. Denn Möglichkeiten, Athleten trotz verpasster Vorgaben doch noch an die Spiele zu bringen, gibt es ohnehin schon. Da sind die Jugend-Klausel («Investition in die Zukunft»), der Verletzten-Passus und die Taktik-Regel. Je nach Sportart wie dem Snowboardcross kann es sinnvoll sein, einen zweiten Fahrer im Feld zu haben.
Fairerweise muss man sagen, dass über Selektionskriterien diskutiert wird, seit man sie erfunden hat. Eine perfekte Lösung existiert nicht. Und erst wenn die Resultate vorliegen, lässt sich wirklich beurteilen, wie klug eine Strategie war. Klar ist rund eine Woche vor dem Start: Swiss Olympic gibt sich einen achten Platz im Nationenranking vor. Dafür sind nach Gilli erfahrungsgemäss 12 bis 14 Medaillen notwendig. Er hat in seinem Team um die 20 Medaillenkandidaten ausgemacht und wäre mit 10 Top-3-Rängen zufrieden. Folglich müsste die Hälfte der Schweizer Mitfavoriten zum Saisonhöhepunkt reüssieren. Das ist eine hohe Vorgabe.
Doch die Mischung aus Routiniers und Novizen stimmt. An ihrer Spitze steht Simon Ammann (32). Der vierfache Olympiasieger nimmt zum fünften Mal seit 1998 an Spielen teil und wird bei der Eröffnungsfeier als Fahnenträger einlaufen. Sieben weitere Athleten starten zum vierten Mal am Grossanlass.
63 Prozent sind Debütanten
Auch sind alle fünf Titelverteidiger von Vancouver dabei, seit im letzten Moment selbst der langzeitverletzte Skicrosser Mike Schmid die Vorgaben schaffte. 25 Schweizer Teilnehmer reisen zum dritten Mal für Spiele an, das sind 16 Prozent der Gesamtdelegation. Ihnen stehen 102 Debütanten (63 Prozent) gegenüber.
Die Bedeutung dieser Spiele für den Schweizer Sport belegt auch der Umfang des Staffs. Mit 173 Personen ist er gar umfassender als der Athletenpool. Zum Team zählen ebenso Bundespolizisten. Sie dienen der Führungscrew um Gilli als Verbindungsleute zu den russischen Spezialisten. Denn nicht nur die Schweizer sind fähig, schon vor den Spielen erste olympische Rekorde aufzustellen: Nie wurde in und um die Spiele mehr Geld investiert als die 50 Milliarden Franken für Russlands Prestigeanlass. Und auf jeden Sportler werden in Sotschi 18 Sicherheitsleute kommen. Da werden sich die Schweizer umgewöhnen müssen: Von diesen wird kaum Milde zu erwarten sein.
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