Was geht? Die Ausgehtipps der WocheObacht, Gefahr für althergebrachte Hörgewohnheiten!
Bei den Lieblingen der Berner Indie-Szene ist nichts so, wie es scheint – und ein Mann spielt eine alte Schauspielerin, die sich nur in fremden Rollen richtig wohlfühlte.
Ein prima Unding: Das neue Album von Omni Selassi
Eigentlich könnte sie Pop, die Gruppe Omni Selassi. Und wenn sie das unter Beweis stellt, klingt es unwiderstehlich: «Frenchsong» heisst ein Lied auf dem neuen Album der Band. Und da klacken geschmeidig die Hand-Claps des betagten Drum-Computers, es singen die Post-New-Wave-Gitarren aus den Achtzigern, die Sängerin Rea Dubach schmachtet auf Französisch. Sogar einen ohrwurmigen Refrain gibt es. Doch wer die Lieblinge der Berner Indie-Szene kennt, weiss, dass bei Omni Selassi nichts so ist, wie es scheint. Dissonante Gitarren mischen sich auf einmal ein, ein freejazziges Saxofon ramponiert die Idylle – und Schluss ist mit sämtlichen French-Pop-Playlist-Ambitionen. «Nichts auf dem Album ist so, wie wir es wollten», sagt die Band selbst. Das Resultat: Ein irritierendes, mutiges, vermeintlich achtlos dahingeschleudertes Unding. Doch wenn man sich getraut, sich ihm zu nähern, wird man sich dessen Gravitation nicht mehr entziehen wollen. (ane)
Reitschule Dachstock, Freitag, 28. Oktober, 21 Uhr
Entwicklungshilfe aus Afrika: Fulu Miziki
Ihre Instrumente? Zusammengebastelt aus den Abfällen aus den Strassen Kinshasas. Ihre Musik? Elektroakustischer Ausnahmezustand mit Anleihen aus dem Soukous, der traditionellen kongolesischen Tanzmusik. Ihre Botschaft: Naturschutz durch Upcycling. Fulu Miziki ist ein Kollektiv aus der brodelnden, progressiven Musikszene Afrikas, wo sich um das ugandische Label Nyege Nyege gerade eine Avantgarde bildet, die alles infrage stellt, was der Westen bisher an elektromusikalischen Stereotypen hervorgebracht hat. Hier rattern die Polyrhythmen in rasender Geschwindigkeit. Hier wird gerade musikalische Tradition in die Neuzeit übersetzt. Obacht: Das Konzert von Fulu Miziki könnte althergebrachte Hörgewohnheiten ins Wanken bringen. (ane)
Bee-Flat im Progr: Sonntag, 30. Oktober, 15.30 und 19.30 Uhr
Die Rolle ihres Lebens: «Anne-Marie die Schönheit»

«Es heisst, die glücklichsten Leben sind diejenigen, in denen nicht viel passiert.» Dies versucht sich Anne-Marie immer wieder einzureden. Aber galt das wirklich auch für sie? In einem Monolog erinnert sie sich an ihr Leben, als Schauspielerin in einem zweitklassigen Pariser Vorstadttheater, als gelangweilte Ehefrau, als Mutter, als enttäuschte Liebhaberin. Die französische Dramatikerin Yasmina Reza wünscht sich, dass die Figur auf der Bühne von einem Mann gespielt wird: «Man befreit sich von der Psychologisierung, und die Universalität des Charakters erscheint», sagte sie über diesen Entscheid. In der deutschsprachigen Erstaufführung, als Gastspiel des Theaters Freiburg in Bern zu sehen, verkörpert Robert Hunger-Bühler Anne-Marie. Diese Frau, die sich nur in fremden Rollen richtig wohlfühlte. (sas)
Vidmar 1, Liebefeld, Sonntag, 30. Oktober, 16 Uhr, weitere Vorstellungen 8. und 18. November
Kühl, verdrogt, zärtlich: Silver Birch zum Zweiten
Patrick Lerjen, ein Erstmieter des Progr-Atelierhauses, ist schon in ganz verschiedenen Aufmachungen in der Berner Musikszene aufgetaucht: mal als Gitarrist einer Rockband, mal als Produzent, mal als Elektroniktüftler für so unterschiedliche Projekte wie Electric Blanket und Bands wie Matto Rules und Katzenheim. Vor einem Jahr hat er sich nochmals neu erfunden. Silver Birch nennt er sein Trio, bei dem er seine Ängste überwand und zum ersten Mal überhaupt als Sänger auftrat. Das Debüt lockte mit Gitarrenballaden, angereichert mit dezenter Elektronik. Auf dem zweiten Album «We Held On» ist nicht nur die Stimme kräftiger. Was vorher noch sehr folkig klang, hat jetzt durch einen dominanteren Synthesizer einen kühlen, verdrogten Anstrich bekommen. Die Songs sind nachtschattig, gar leicht new-wavig. (mbu)
Turnhalle, Progr, Freitag, 28. Oktober, 21.30 Uhr
Kunst mit Cupcake: Die Ausstellung «Tweeking the Ordinary»

«Mich interessieren die Unterschiede im Immergleichen»: Der Berner Künstler und Fotograf Martin Möll (1972–2019) war ein Suchender. Ob auf dem Waldboden, in Berns versteckten Winkeln oder auf den Strassen von Paris entdeckte er Alltägliches, in dem die Kunst schlummerte. Auch für Bernhard Huwiler (1957–2021) spielte die unmittelbare Umgebung eine wichtige Rolle. Der Künstler und Psychiater war wie Möll ein Meister darin, gewöhnliche Alltagsgegenstände in einen oft humoristischen Kontext zu stellen. In Zusammenarbeit mit Renée Magaña zeigt die Galerie Bischoff die Werke der beiden Berner Künstler unter dem Titel «Tweeking the Ordinary». Zusätzlich zur Ausstellung werden im Kino Rex fünf Filme von Bernhard Huwiler gezeigt. Und auch im Showroom von Videokunst.ch im Progr wird eine seiner Arbeiten gezeigt, in dem ein Cupcake langsam in einem Toaster vor sich hinschmilzt – was in einem kleinen Drama endet. (xen)
Galerie Bernhard Bischoff, Progr, Bern, Freitag, 28. Oktober bis 26. November
Kino Rex, Bern, Sonntag, 30. Oktober, 11 Uhr (Einführung von Renée Magaña), Sonntag, 6. November, 11 Uhr und Sonntag, 20. November, 11 Uhr
Showroom Videokunst.ch,, Progr, Bern, Freitag, 28. Oktober bis 26. November
Gefährlicher Duckmäuser: «Biedermann und die Brandstifter»

Wegschauen, mitlaufen, partizipieren: Max Frischs Figur Gottlieb Biedermann ist ein Opportunist, wie er im Buche steht. Aus Angst davor, nicht als anständiger Bürger angesehen zu werden, schlittert er ins Desaster. Er enerviert sich über die Brandstiftungen, die sich in der Gegend häufen – dass er aber schon bald ebendiesen Brandstiftern Asyl bei sich gewährt, verdrängt er bis zum bitteren Ende. Zu sehr gefällt er sich in der Rolle des toleranten Gastgebers, Zivilcourage ist ihm fremd. Bis alles in Flammen steht. Frisch nannte das Drama «Ein Lehrstück ohne Lehre». Die Parabel «Biedermann und die Brandstifter», 1958 am Zürcher Schauspielhaus uraufgeführt, ist am Effinger-Theater in der Regie von Stefan Meier zu sehen. (sas)
Das Theater an der Effingerstrasse, Bern, Premiere: Sonntag, 29. Oktober, 20 Uhr, weitere Vorstellungen bis 26. November
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