Meghan Markle am Aargauerstalden!
33'000 Läuferinnen und Läufer bestreiten am Samstag den Grand Prix von Bern. Harte Sache! Aber der Gedanke an die strahlende Prinzenbraut Meghan Markle macht selbst den unerbittlichen Aargauerstalden zum Vergnügen. Verspricht die Hirnforschung.

Verrückt: Erst gerade habe ich mich vor der Curlinghalle Bern über die Ziellinie des Grand Prix 2017 geworfen und mit letzter Kraft eine von den Helferinnen und Helfern gereichte Banane gegriffen.
Und jetzt stehe ich schon wieder beim Guisanplatz im Startblock, umzingelt von nervös scharrenden Läufern, als einziger Mensch weit und breit schwer wie ein Elefant und müde bis in die Knochen. Wo ist das nächste Bett? Gleich in kurzen Hosen 16 Kilometer rennen – undenkbar.
Zwischen den beiden Augenblicken liegt ein ganzes Jahr, aber es fühlt sich an wie Sekundenschlaf. Auf der 10-Meilen-Strecke joggt man zweimal am Albert-Einstein-Haus an der Kramgasse vorbei, wo der Genius 1905 seine Relativitätstheorie erdachte. Sie erklärt, warum messbare Grössen wie Zeit je nach Position des Betrachters trotzdem variieren können.
Kein Zweifel: Einstein muss auch den Grand Prix erfunden haben. Ein besseres Praxisbeispiel für die Relativitätstheorie gibt es nicht: Nie ist das Jahr kürzer als zwischen dem Zieleinlauf des letzten und dem Startschuss zum nächsten Grand Prix.
Geboren, um zu rennen
Noch während die Erschöpfung des Vorjahres in Form schmerzhafter Übersäuerung der Beinmuskulatur das Treppengehen zur peinlichen Verrenkung macht, nehme ich mir vor, künftig häufiger zu rennen. Damit Körper und Kopf bereit sind, zu empfinden, was die GP-Macher versprechen: «Die schönsten zehn Meilen der Welt». Nach über zwanzig GP-Teilnahmen kann ich sagen: Die schönsten zehn Meilen: pure Fiktion. Die Realität: ein Kampf.
Aber auch eine Haltung: Sich auf die 16 Kilometer zu stürzen, ist ein Statement gegen den evolutionären Abwärtstrend. Erinnern wir uns kurz: Als der Mensch vor ungefähr vier Millionen Jahren aufrecht zu gehen begann, waren seine läuferischen Fähigkeiten entscheidend dafür, dass er sich als führende Spezies auf dem Planeten durchsetzte.
Der Homo erectus rannte nicht schnell, aber ausdauernd. Seine noch nicht vom Dauerblick auf das Handy gemarterte Nackenmuskulatur hielt den schweren Kopf aufrecht, deshalb behielt er in schwierigem Gelände die Übersicht. Und trieb selbst sprintgewohnte Beutetiere zur tödlichen Erschöpfung.
Der Psoas! Ein Skandal!
Was die Bürostuhlgesellschaft und ihr Smartphone-Wahn aus dem elastischen Langstreckenläuferkörper, den wir einst hatten, heute machen, ist ein Skandal. Ich erfahre es am GP auf den flachen Anfangskilometern zwischen Matte und Tierpark, wenn der Psoas zu ziehen beginnt. Der Psoas! Ist der Muskel in der Leistengegend, der mithilft, die Hüfte zu beugen und einen anständigen Schritt hinzukriegen.
Bei unseren Vorfahren war diese körpereigene Laufhilfe belastbar und geschmeidig. Bei uns, die tagelang vor dem Computer kauern, hängt der Psoas verkümmert und schlaff wie ein feuchter Waschlappen in der Hüfte. Mit der Folge, dass die Laufbewegung namentlich der ohnehin steifer werdenden Generation Ü-50 aussieht, als würde der nach vorn geneigte Oberkörper die Beine hinter sich her ziehen. Es sollte bekanntlich andersherum laufen.
Kiffen im Tierpark
Das kann nicht gut herauskommen. Zum Glück hat unser Hirn einen Mechanismus entwickelt, der euphorisierende Stoffe aussenden kann, wenn der Körper unter Hochlast ächzt. Es passiert, behaupten Wissenschaftler hartnäckig, im Läuferhirn das Gleiche, wie wenn man einen fetten Joint raucht. Das berühmte Runner's High.
Nicht, dass ich einen Hobbyläufer kennen würde, der das je erlebt hat – aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Der hinterhältige Aufstieg durch den Dählhölzliwald wird zum Schmetterlingsflug, wenn man hinter jedem Baum einen dampfenden Pot riecht. Ich weiss: Der Rausch hält nur an bis zu Kilometer 10 am Anfang der Monbijoubrücke, die aus der Perspektive des atemlosen Läufers wirkt, als reichte sie bis ans Ende der Welt.
Es ist Zeit, Buddhist zu werden. Seit einigen Monaten habe ich einen Guru, der mir hilft, die beinharten letzten 6 GP-Kilometer zu bewältigen. Intellektuell. Es ist der englische Autor Alex Hutchinson, der die Kolumne «Sweat Science» (Schweiss-Wissenschaft) schreibt. Zu meiner Freude befasst er sich mit Vorliebe mit den abgefahrensten wissenschaftlichen Ergebnissen zur Entlastung der Läuferseele.
Im Ziel wartet Einstein
Während man sich jahrzehntelang mit Muskellaktat und Lungenkapazität herumschlug, öffnet man sich nun den Möglichkeiten der Hirnmanipulation. Yes! Wer seine körperlichen Leistungsgrenzen sprengen will, muss das Hirn bearbeiten.
Zum Beispiel so: Im Laborversuch setzte man Ausdauersportler Bildern lachender Menschen aus – stets nur wenige Millisekunden, damit sie es nicht bewusst wahrnahmen. Die Leistung der fröhlichkeitsberieselten Sportler stieg signifikant, weil das Hirn, salopp gesagt, den leidenden Körper nicht mit Schmerz verbindet. Sondern mit Freude.
Ein Segen, dass ausgerechnet am Grand-Prix-Tag die Hochzeit am englischen Königshaus stattfindet: Das betörende Strahlen der Prinzenbraut, erste Veganerin am englischen Hof, geht um die Welt. Und ich bin sicher: Ich federe den Aargauerstalden hoch wie ein Steppenläufer, der Körper verdampft in der Nachmittagshitze zu purer Energie, das sperrangelweit aufgerissene geistige Auge sieht nur noch: strahlende Gesichter. Meghan Markle! Für mich am Aargauerstalden. Am Ziel gibts diesmal keine Banane. Aber Albert Einstein wird da sein mit der Anmeldung für den GP 2019.
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