Mann ergaunert mit Schneeballsystem 30 Millionen
Ein Ex-Matrose mit Weiterbildung zum Kaufmann soll 331 Anleger um insgesamt 30 Millionen Franken betrogen haben. Nun steht er in St. Gallen vor Gericht.

Dem 53-jährigen St. Galler, der ein schneeballartiges Betrugssystem aufgezogen haben soll, droht nach dem Betrug gegen 331 Anleger eine Freiheitsstrafe von 60 Monaten. Mitangeklagt sind seine 16 Jahre ältere Ex-Freundin und ein 64-jähriger Buchhalter. Beim Prozess handle es sich um einen der grössten Betrugsfälle im Kanton St. Gallen, sagte der Staatsanwalt heute vor dem Kreisgericht St. Gallen. Der Prozess gegen die drei Angeklagten dauert drei Tage. Das Urteil wird voraussichtlich im August gefällt.
Der gelernte Matrose und Kaufmann rekrutierte seine Kunden vor allem in der Seglerszene am Bodensee, wie der Hauptangeklagte bei der mehrstündigen Befragung vor Gericht zugab. Nach Regatten habe er im Bekanntenkreis seiner damaligen Partnerin jeweils potenzielle Kunden kontaktiert und ihnen ein «professionelles Money-Managing» angeboten.
Scheingewinne
Mit Hilfe der Freundin gründete der Arbeitslose eine Aktiengesellschaft namens E-Brokerline. Zwischen 2001 und 2009 soll der Angeklagte mit dieser Einzelfirma ein schneeballartiges Betrugssystem aufgezogen haben. Dabei sei der Angeklagte systematisch und geschickt vorgegangen, sagte der Staatsanwalt. Er habe den Kunden mit seinem Auftreten den Eindruck eines seriösen Geschäftsmannes vorgegaukelt und habe ihnen versprochen, sie könnten ihr Geld jederzeit zurückverlangen.
Vielen Anlegern schüttete er zuerst Gewinne aus, obwohl die spekulativen Börsengeschäfte nur Verluste einbrachten. Das Geld dafür kam von neuen Kunden, die ihm zum Teil Beträge in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken anvertrauten.
500'000 Euro im Plastiksack übergeben
«Die Leute haben mir ihr Geld auf den Tisch geschüttet, ohne zu prüfen, ob meine Firma seriös arbeitet», sagte der Angeklagte. Ein Beispiel gab sein mitangeklagter Treuhänder, ein 64-jähriger Buchhalter aus dem Kanton St. Gallen: Ein Kunde aus Österreich habe dem Geschäftsführer der Brokerfirma einen Plastiksack mit 500'000 Euro übergeben.
Dank Mund-zu-Mund-Propaganda gewann der Hauptangeklagte immer wieder neue Kunden. Achteinhalb Jahre lang erleichterte er insgesamt 331 Frauen und Männer um über 30 Millionen Franken.
Fünfjährige Freiheitsstrafe
Statt die Kundengelder an der Börse arbeiten zu lassen, verwendete der Beschuldigte den grössten Teil, um früher angehäufte Schulden zurückzuzahlen und seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren. Er und seine Lebenspartnerin kauften teure Autos, eine Segeljacht und drei Eigentumswohnungen. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der beschlagnahmten Vermögenswerte sollen die Prozesskosten finanziert und geprellte Kunden entschädigt werden.
Der Staatsanwalt verlangt für den Hauptangeklagten wegen gewerbsmässigen Betrugs, Veruntreuung, Urkundenfälschung und weiterer Delikte eine Freiheitsstrafe von 60 Monaten. Der 53-jährige Schweizer ist vorbestraft, weil er bereits in den 1990-er Jahren auf kriminelle Weise eine Brokerfirma in den Sand gesetzt hatte.
Geprellte gehen leer aus
Forderungen der geprellten Anleger in der Höhe von rund zwölf Millionen Franken anerkennt der Angeklagte. Die Chance, dass die Geschädigten ihr Geld erhalten, sei jedoch klein, sagte er. Er lebe mit seiner Frau und den beiden Kindern in Polen, wo er als Selbständiger im Wassersport arbeite. Das Einkommen von 2000 Franken pro Monat reiche zusammen mit dem Einkommen seiner Frau knapp, um den Lebensunterhalt der vierköpfigen Familie zu bestreiten.
Wie der einzige persönlich anwesende Geschädigte gegenüber der Nachrichtenagentur SDA erklärte, verlor er 250'000 Franken. Er sei von Bekannten auf die fetten Gewinne aufmerksam gemacht worden, die sie mit Anlagen bei der E-Brokerline gemacht hätten. «Daraufhin haben meine Frau und ich dem seriös wirkenden Geschäftsmann leichtgläubig unser Erspartes anvertraut», sagte der Rentner. Da er nicht noch mehr Geld in eine aussichtslose Sache habe investieren wollen, nehme er nicht als Geschädigter, sondern nur als Zuschauer am Prozess teil.
Solidarische Haftung
Die Ex-Freundin des Hauptangeklagten erschien nicht vor Gericht. Sie wurde aus gesundheitlichen Gründen dispensiert. Für die 69-Jährige, die jahrelang Verwaltungsratspräsidentin der E-Brokerline war, verlangt die Anklage eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten mit einer Probezeit von zwei Jahren. Der ehemalige Treuhänder und Revisor der Firma, die inzwischen von Amtes wegen gelöscht wurde, soll mit einer bedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen à 400 Franken bestraft werden.
Laut dem Vertreter von mehreren Geschädigten verletzte der Buchhalter und Revisor der E-Brokerline seine Sorgfaltspflicht sträflich. Der Treuhänder und spätere Verwaltungsratspräsident der E-Brokerline müsse deshalb solidarisch für den angerichteten Schaden haften.
SDA/fal
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch