Trotz harter Arbeit meckern nur die Ziegen
Dem Stadtleben Adieu sagen, den Sommer auf der Alp, im Rhythmus von Wind und Wetter, von Tieren und harter Arbeit verbringen: Eine Ahnung davon, wie das Alpleben sein könnte, gewinnt man als Helferin.
«Ja, und wenn ihr ankommt, Sonntag, fünf Uhr, könnt ihr gleich einmal die Ställe misten», grüsst Ziegenbäuerin Christiane durchs Telefon. Wer da noch dachte, als Alphilfe entspannt auf den Alpwiesen in den Tag träumen zu können, dem nimmt dieser Satz die letzte Illusion. Und doch, der Aufstieg aus dem Tal nach Riei setzt alles daran, zum Träumen zu verleiten. Wunderschön gepflegt windet sich eine alte Mulattiera zwischen knorrigen Kastanienbäumen den Bergrücken hinauf und mündet bei einer ausladenden alten Eiche in den Taleinschnitt. Dort schwingt sich der Bogen einer Steinbrücke über den Bach, und ein paar Schritte weiter gibt der Wald den Blick frei auf eine Lichtung, die sich an die Bergflanken schmiegt wie in eine schützende hohle Hand: Riei, das muss es sein. Auf einem Steinhaufen stehen eine schwarze und eine weisse Ziege und scheinen Ausschau zu halten, ein Pfad zieht die Wiese hoch zu den verschachtelten Alpgebäuden, Stimmen und Gelächter klingen aus der Küche, mit jugendlich dunklen Augen unter dem blauen Kopftuch strahlt Christiane: willkommen. Ungefähr so sähe es wohl aus, würde Rapunzel bei den sieben Zwergen Geissen hüten. Holunderblütensirup und Schokolademuffins, aus deren Mitte das Orange einer Taglilienblüte leuchtet, stehen auf dem Tisch bereit. Die Ställe? Die sind schon gemistet.