Laufen trotz schlechter Sicht
Rosa Aeschimann sieht nur fünf Prozent. Den Frauenlauf rennt sie trotzdem – wichtig ist dabei eine Begleitperson, der sie vertrauen kann.
Es wimmelt in der Innenstadt: 16 000 Frauen und Mädchen haben am Berner Frauenlauf teilgenommen, die Sonne brennt aufs Pflaster – es ist 29 Grad heiss. Vor dem Bundeshaus läuft laute Musik, auf dem Waisenhausplatz stehen gedrängt die Zelte und Stände der Sponsoren. Mittendrin ist Rosa Aeschimann, Jahrgang 1969, Startnummer 33 218, gestartet in der Kategorie «Sehbehinderte mit Begleitung 5 km».
Nebel anstatt Details
Selbst wer über einen vollumfänglich funktionstüchtigen Sehsinn verfügt, könnte von der Szene überfordert sein – Lärm, Hitze und schwitzende Menschen en masse. Nicht so Aeschimann. Bereits zum fünften Mal ist sie den Frauenlauf gerannt, trotz ihrer Sehbehinderung. «Es ist, als sähe ich den Rahmen eines Bildes, aber keine Details, sondern Nebel», erklärt Aeschimann ihre visuelle Wahrnehmung.
Am Frauenlauf gefalle ihr insbesondere die schöne Stimmung. Ausserdem seien fünf Kilometer eine angenehme Distanz, und der Boden eigne sich gut zum Laufen. Die Beschaffenheit des Geländes ist für Aeschimann kein blosses Detail, sondern die grösste Herausforderung am Joggen: Wurzeln, Unebenheiten in der Strasse, Kopfsteinpflaster und Tramschienen sind mögliche Stolpersteine. Aus diesem Grund geht Aeschimann nur in Begleitung joggen.
Auch den Frauenlauf rennt sie nicht allein: Ihre Arbeitskollegin Rebekka Scholl ist über ein Stoffband mit ihr verbunden und kann ihr so Richtungswechsel anzeigen. «Das Tempo gibt aber Rosa vor», stellt Scholl klar. Die wichtigste Eigenschaft, die ein Guide mitbringen müsse, sei Verlässlichkeit, betont Aeschimann: «Vertrauen ist das Wichtigste – ich muss mir sicher sein können, dass meine Begleitperson genau das macht, was ich brauche.»
«Ich muss meiner Begleiterin vertrauen können.»
Scholl müsse ihr jede Unebenheit im Gelände mitteilen, sie vor Tramschienen und Randsteinen warnen sowie Verpflegungsstände ansagen. «Noch einmal völlig anders ist vermutlich die Begleitung einer blinden Person», stellt Aeschimann fest. Sie selbst sehe immerhin auf eine Distanz von drei Metern relativ kontrastreich und erkenne so beispielsweise, wenn sie von einer anderen Läuferin überholt werde.
Fitte Begleitperson
Erleichternd sei ausserdem, dass die anderen Läuferinnen aufmerksam und rücksichtsvoll auf die orangen Leuchtwesten reagierten, bemerkt Scholl.
Für sie war sowohl ihre Rolle als Guide als auch die Teilnahme an einem Lauf eine Premiere. Die nötigen Voraussetzungen bringt sie dennoch mit: Sie kennt Rosa Aeschimann sehr gut, die beiden arbeiten gemeinsam in der Blindenschule Zollikofen: Aeschimann ist Klassenassistentin, Scholl Heilpädagogin.
Ausserdem geht auch Scholl in ihrer Freizeit gerne joggen – was nicht ohne Bedeutung ist: Da der Guide während des Laufens sprechen muss, brauche er mehr Ausdauer als die sehbehinderte Person, ist sich Aeschimann sicher.
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