Das Ohr an der Strasse
Swetlana Alexijewitschs Werk ist eine gross angelegte Alltagsgeschichte des Sowjetmenschen und eine Gegengeschichte zur Putin-Propaganda.
Schon 2013 war sich ihre deutsche Verlegerin bombensicher, dass Swetlana Alexijewitsch nach dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gleich auch den Literaturnobelpreis erhalten würde. Es hat dann noch zwei Jahre gedauert, und am Schluss ging die jetzt Gekürte gar als Favoritin ins Rennen. Es ist eine hervorragende Entscheidung, die wohl nur beim offiziellen Russland auf Indignation stossen wird – und bei jenem, gottlob kleiner werdenden Teil des Publikums, der seine Literatur gern «rein» hat. Und fragt: Ist Swetlana Alexijewitsch nicht eigentlich eine Journalistin? Ja, das ist sie, von der Ausbildung her – 1948 in der Ukraine geboren, hat sie in Minsk Journalismus studiert und für verschiedene Zeitungen gearbeitet – und auch, wenn man ihre Arbeitsweise nimmt: Sie beobachtet, sie recherchiert, sie hört zu.