Unkräuter im WinterJäten oder nicht jäten?
Die Winter werden wärmer, einige Pflanzen wachsen dabei weiter, als gäbe es keine Ruhezeit. Auch Beikräuter. Macht es Sinn, sie mitten in der kalten Jahreszeit zu jäten?

Anfang Januar meldete das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie Meteo Schweiz neue Januarrekorde. Bis zu 20 Grad wurden in der Schweiz gemessen. Damit dürfte auch der Winter 2022/23 zu einem Warmwinter werden. Solche haben in den letzten 30 Jahren stark zugenommen und dürften wegen des Klimawandels in Zukunft noch häufiger werden.
Viele Pflanzen stellen sich bei solchen Temperaturen auf Frühling ein und beginnen, munter zu wachsen. Wer zwischen seinen Gemüsebeeten und Kiesflächen spaziert, wird staunen, was sich da bereits schon alles geregt hat. Soll man bereits zum Jätwerkzeug greifen und dem flotten Treiben Einhalt gebieten?
Einige Gärtner beobachten, dass winterliches Jäten erfolgreich sein kann. Die Pflanze wird zu einem Zeitpunkt, in dem sie ihren Stoffwechsel auf ein Minimum eingestellt hat, durch das Jäten geschwächt oder oft gleich ganz entfernt. Was gut sichtbar überwintert und an unerwünschter Stelle wächst, kann bei warmen Temperaturen gejätet werden. Dazu gehören zum Beispiel der Löwenzahn, der Knoblauchhederich, die Echte Nelkenwurz oder die Nachtkerze. Sie alle haben eine gut erkennbare Rosette und können mit einem Unkraut- oder Spargelstecher aus der Erde gehoben werden.
Winterruhe nicht stören
Durch dieses gezielte Entfernen einer Pflanze bleibt die Umgebung möglichst ungestört – darauf sollte man bei winterlichen Gartenarbeiten auch immer achten. So werden im Boden schlummernde Lebewesen und unter Blättern versteckte Insekten nicht gestört.
Im Gemüsegarten trifft man vor allem die Einjährigen an, die bei warmen Temperaturen auch schon im Winter keimen und wachsen, wie etwa das Behaarte Schaumkraut. Wer hier jätet, sollte immer schön auf den Wegen bleiben: «Gemüsebeete sollten im Winter nicht betreten und bearbeitet werden, um Bodenverdichtungen zu vermeiden», sagt Agrarwissenschafterin Brunhilde Bross-Burkhardt. Denn: Kommt Gewicht auf nasse, schwere Böden, werden die Hohlräume im Erdreich zusammengedrückt.
Bross-Burkhardt ist Autorin verschiedener Gartenbücher, darunter «Mein Garten im Winter» und «Lob des Unkrauts», und hat sich in diesem Zusammenhang sowohl mit Gärten während der kalten Jahreszeit als auch mit der Biologie von Beikräutern auseinandergesetzt. Für Bross-Burkhardt lohnt sich das winterliche Jäten vor allem bei ausdauernden Pflanzen, die sich oberirdisch über sogenannte Kindel (Ausläufer) ausbreiten.
Dazu gehören der Kriechende Hahnenfuss und das Kriechende Fingerkraut. Diese Pflanzen sollte man aber nur entfernen, wenn man dabei ebenfalls die Erde nicht zu stark aufwühlt.
Auch das Scharbockskraut streckt im Verlaufe des Winters die ersten Blätter aus dem Boden. «Es lässt sich durch Herausziehen der oberirdischen Pflanzenteile samt den Brutknöllchen etwas eindämmen», sagt Bross-Burkhardt. Alle Knöllchen wird man aber nie erwischen. So bleibt einem das Kraut wohl erhalten, aber es kann sich wenigstens nicht weiter ausbreiten. Damit man das Scharbockskraut über den Kompost nicht wieder selber im Garten verstreut, gibt man die gejäteten Knöllchen am besten in die Grünabfuhr.
Auch Wurzelunkräuter wirft man besser nicht auf den Komposthaufen – es sei denn, man bewirtschaftet diesen vorbildlich und überprüft die Innentemperatur des Kompostes. Bei Temperaturen über 55 Grad kann man davon ausgehen, dass die Würzelchen ihre Wuchskraft verlieren. Alle gejäteten Rosetten kann man hingegen bedenkenlos dem Kompost zuführen.
Willkommene Vitaminquelle
Das winterliche Jäten hat den schönen Nebeneffekt, dass man einige der Kräuter gleich essen kann. In einer Zeit, in der es wenig zu ernten gibt, sind sie eine willkommene Vitaminquelle in Salaten, Dip-Saucen oder Suppen.

Vom Löwenzahn, dem Behaarten Schaumkraut, dem Scharbockskraut oder dem Knoblauchhederich kann man zum Beispiel junge Blätter in den Salat mischen. Knoblauchhederich macht sich auch gut in Suppen oder Quarksaucen. Der Aufenthalt im winterlichen Garten ist für die Gartenautorin Brunhilde Bross-Burkhardt aber auch wegen der belebenden, frischen Winterluft wohltuend – und weil für sie der Garten auch im Winter ihr Beobachtungs- und Erlebnisraum bleibt. Er ist auch dann «voller Leben, voller Abenteuer, voller ästhetischer Reize», sagt sie.
Ohne die Ablenkung durch Blüten und Düfte, zurückgeworfen auf die blosse Struktur, wird der Garten ganz anders erlebbar. Vielleicht entdeckt man dabei auf einmal Dinge, die einem während der geschäftigen Gartensaison verborgen bleiben.
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