Was geht? Die Ausgehtipps der WocheIn 24 Minuten zurück ins Jahr 1977
Eine Zeitreise zum frühen Punk, ein Theaterstück via Zoom und Qualitätsjazz aus dem Keller: All das wird in der aktuellen Kulturwoche aus dem Hut gezaubert.
Im Plastik-Refugium: «Wildern» des Collectif barbare

In seinem Gedichtband «Wildern» (2018) streift der Berner Raphael Urweider mit Worten durchs Unterholz der Natur und stösst dort nicht nur auf die ökologische Krise, sondern auch auf die zunehmend irritierte und einsame Menschheit. Die Bieler Musiktheaterspezialistin Astride Schlaefli bringt mit dem Collectif barbare Urweiders moderne Naturlyrik nun auf die Bühne. Da haust eine Musikerin (Vera Kardos) in einer Art Eremitenklause aus Plastikplanen, spielt auf der Violine, hört Radio, kocht – und erhält so in ihrem Mikrokosmos eine eigene Ordnung aufrecht. Bis das fragile Konstrukt ins Wanken gerät. (reg)
Tojo-Theater Reitschule, Bern, Do, 24., bis Sa, 26. November, 20.30 Uhr. So, 27. November, 19 Uhr
12 Songs, 24 Minuten: Nasty Rumours
Schnell, kurz, hart und mit der genau richtigen Portion Selbstgefälligkeit: Die Nasty Rumours spielen den Punk so, wie er ursprünglich gedacht war. Eineinhalb bis drei Minuten dauern die Songs. Deshalb verzeichnet ihr neues Album auch eine Spielzeit von gerade mal etwas mehr als 20 Minuten. 12 Songs, 24 Minuten – schneller und günstiger gibt es keine Zeitreise in den Sommer 1977, als der Punk lärmend aus der Schale brach. «Bloody Hell, What A Pity!» ist das dritte Album des Berner Quartetts, das seit 2013 dem First-Wave-Punk frönt wie sonst kaum jemand in diesem Land. Dabei stehen sie Grössen und Vorbildern der Szene wie The Buzzcocks, The Boys und den UK Subs in nichts nach. Mit Letzteren übrigens gehen sie nächstes Jahr gar als Supportact auf ausgedehnte Europatournee – Deutschland, Österreich, Tschechien und Belgien. Vorher aber taufen sie ihr neues Werk dort, wo sich das gehört: im Rössli der Reitschule. (mbu)
Rössli, Bern, Do, 24. November, 21 Uhr
Männerfreundschaft ohne Tabus: «Mi vida en tránsito»

Manchmal können Zoom-Gespräche auch zu etwas Kreativem führen. So geschehen beim digitalen Austausch, den die zwei Performer Savino Caruso und Elvio Avila regelmässig miteinander führten. Avila verlor seine Aufenthaltsbewilligung und musste mitten in der Pandemie die Schweiz verlassen, den Ort, wo er zehn Jahre lang gelebt und gearbeitet hatte. Kurz vor der unfreiwilligen Rückkehr nach Argentinien lernte er Savino kennen. Geblieben ist den beiden die Offenheit, mit der sie miteinander sprechen: über Ängste, ihre Depressionen, ihre Verletzbarkeit und über die Arbeit an ihrem gemeinsamen Stück. In «Mi vida en tránsito» ist Savino live auf der Bühne zu sehen, Avila wird digital zugeschaltet. So nah und doch so fern. (sas)
Schlachthaus Theater, Bern, Do, 24. November, 20 Uhr, weitere Vorstellungen 25. und 27. November
«Wies haut eso geit im Läbe»: Neue Mundartgeschichten von Ernst Burren

«Wies haut eso geit im Läbe, mängisch hani s Gfüeu, i heigi, trotzdäm dass i vüu gschaffet ha, nüt erreicht, wie dä aut Ma bim Hemingway, wo kei Fisch het gfange.» Im neuen Band mit Mundartgeschichten «Nume no vor em Färnseh» versuchen Ernst Burrens Figuren, ihre Ängste loszuwerden, der Einsamkeit zu entfliehen – oder sie sinnieren gar schon über ihre Wiedergeburt: «I bi überzügt, dass i im nöchschte Läbe im zentrale Mittufäud vom FC Barcelona e gfiirete Schtar bi, so wie jetze dr Messi.» Der 78-jährige Sohn eines Kleinbauern und Wirtshausbetreibers lauschte schon als Kind dem Dorfklatsch sowie den Geschichten der Büezer und Bauern in der Beiz. In seinen Texten hat Burren immer wieder mit scharfer Beobachtungsgabe und einem ausgeprägten musikalischen Sprachgefühl den Dorfkosmos am Jurasüdfuss als Spiegel der grossen Welt in Szene zu setzen gewusst. (lex)
Buchhandlung Haupt, Bern, Do, 24. November, 19 Uhr
Eine Stimme für die Aidsopfer: Emily Wells

Es ist eine erschreckende und doch einleuchtende Schlussfolgerung: die Pandemie als Generalprobe für die Klimakrise. Davon handelt Emily Wells’ Song «The Dress Rehearsal». Eine ganz andere Krise zieht sich wie ein roter Faden durch das neue Album «Regards to the End» der amerikanischen Sängerin und Multiinstrumentalistin: die Aidskrise. Einigen der Opfer widmet sie ganze Songs, etwa David Wojnarowicz, dem Künstler und Aktivisten aus dem New Yorker East Village, der sich für die Rechte von Infizierten einsetzte. Emily Wells, die als klassische Violinistin ausgebildet ist, verpackt diese schweren Themen in verspielte, geloopte, melancholische Songs, die manchmal fast orchestral anschwellen, manchmal zerbrechliche Miniaturen bleiben, immer aber eines durchschimmern lassen: Hoffnung. (sas)
Frauenraum Reitschule, Bern, Fr, 25. November, 20 Uhr
Es swingt so schön – seit 30 Jahren: Marians Jazzroom
Der swingende Jazz, der inbrünstige Blues: Dafür ist der Marians Jazzroom im Hotel Innere Enge die erste Adresse in Bern. Weder verkopfte Musik noch grosse Experimente sind gefragt, im Marians geht es im besten Sinne klassisch zu und her, und das nun schon seit 30 Jahren. 1992 wurde bei der Sanierung des Hotels der Keller zum Konzertlokal ausgebaut. Die Ambition war von Beginn weg gross: Hotelbesitzer Hans Zurbrügg nutzte seine Kontakte in die US-Jazzszene, um die interessanten Figuren und grossen Namen nach Bern zu lotsen. Er hatte bereits 1966 den Wolverines Jazz Club gegründet und 1969 im Hotel National das erste Berner «Hot Jazz Festival» durchgeführt. Am 5. Dezember 1992 eröffnete das neugestaltete Hotel Innere Enge. Drei Tage später dröhnten erstmals Jazz und Blues aus dem Keller. Mit dabei damals das gloriose Trio Ralph Sutton, Milt Hinton und Butch Miles. In all den Jahren ist der Marians Jazzroom zu einem gerade bei Musikerinnen und Musikern beliebten und weltweit angesehenen Jazzclub avanciert. Gefeiert wird der runde Geburtstag nun dem Etablissement entsprechend traditionell: Eine All-Star-Band aus herausragenden Musikern des Traditional Jazz spielt eine Woche lang im Marians. Mit dabei: einer der renommiertesten Klarinettisten Europas, Antti Sarpila aus Helsinki. Ihn begleiten der Posaunist John Allred, der Ausnahmepianist Rossano Sportiello, der Bassist Andrew Cleyndert und der Jungspund an den Drums Kevin Dorn. (mbu)
Marians Jazzroom, Di, 29. November, bis Sa, 3. Dezember, jeweils 19.30 und 22 Uhr
Fehler gefunden?Jetzt melden.