«Ich habe bewiesen, dass ich führen kann»
Auch Jacqueline Fehr kandidiert für den Bundesrat. Sie fühlt sich dazu geeignet – auch ohne Exekutiverfahrung.
Von Fabian Renz Es war vor allem eine Frage, die Jacqueline Fehr bei ihrer gestrigen Medienkonferenz in Zürich immer und immer wieder beantworten musste: Warum hat sie mit ihrer Bewerbung für die Nachfolge von Bundesrat Moritz Leuenberger so lange zugewartet? Schliesslich weiss man von den übrigen SP-Kandidatinnen – Simonetta Sommaruga, Hildegard Fässler, Eva Herzog – teilweise schon seit Wochen. Und Fehr gab die Antwort, gab sie auf Hochdeutsch, gab sie in Mundart, gab sie auf Französisch, sprach sie in Mikrofone, diktierte sie in Notizblöcke: «Wenn man die Möglichkeit hat, sich einen wichtigen Entscheid gründlich zu überlegen, sollte man sie nutzen.» Die 47-jährige Nationalrätin aus Winterthur bewältigte den polyglotten Interviewmarathon mit der Souveränität der Politveteranin, die weiss, was auf sie zukommt – allwöchentlich auf sie zukommen wird, falls sie künftig nach Bundesratssitzungen am Mittwoch den Medien Rede und Antwort stehen muss. Frau Fehr, was war es vor allem, das Sie so lange zögern liess mit Ihrer Kandidatur? Ich wollte alle Gründe pro und kontra sorgfältig gegeneinander abwägen. Vieles am Bundesratsamt reizt mich, in erster Linie die Gestaltungsmöglichkeiten und die Teamarbeit. Auf der anderen Seite standen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit sowie der Umstand, dass man als Bundesrätin sehr exponiert ist. Ich trete jetzt aber mit voller Überzeugung an und traue mir das Amt auch zu. War es nicht so, dass Sie sich von einer späten Kandidatur einfach taktische Vorteile erhofften? Solche Überlegungen spielten keine Rolle. Ich erachte meine Chancen als intakt, sowohl in der eigenen Fraktion als auch in der Bundesversammlung. Auf Prozentprognosen möchte ich mich aber nicht einlassen. Ihnen fehlt die Regierungserfahrung. Da ist es sehr mutig, direkt ein Bundesratsamt anzusteuern. Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren zur Genüge bewiesen, dass ich führen kann. Führen heisst: Ziele erreichen. Es ist mir zusammen mit anderen gelungen, Projekte wie den Infrastrukturfonds oder die Mutterschaftsversicherung mehrheitsfähig zu machen. Daneben habe ich immer wieder Teams und Abteilungen geleitet: in der Verwaltung, in Arbeitsgruppen, in Nichtregierungsorganisationen. Sie sind auf Gesundheits- und Verkehrsthemen spezialisiert. Was aber, wenn Sie der Bundesrat zur Verteidigungsministerin macht? Man muss zur Übernahme jedes Departements bereit sein. Es hat auch Vorteile, wenn man ohne spezielle Vorkenntnisse und dafür mit dem ungetrübten «Blick von aussen» ein solches Amt antritt. Wie steht es mit dem «Blick von links»? Der Gewerkschaftsflügel Ihrer Partei ist skeptisch, ob Sie im Bundesrat wirklich eine dezidiert linke Politik vertreten würden. Ich kandidiere als Sozialdemokratin, selbstverständlich mit der Absicht, sozialdemokratisches Gedankengut in den Bundesrat einzubringen. Das Ziel muss aber immer sein, ausgehend von klaren Positionen mehrheitsfähige Lösungen zu finden. Eine Ihrer Hauptkonkurrentinnen ist Simonetta Sommaruga. Warum sollte das Parlament Sie wählen statt Frau Sommaruga? Das Parlament soll entscheiden, wen es für dieses Amt geeigneter findet. Ich habe mit Frau Sommaruga vor allem in der Gesundheitspolitik immer bestens zusammengearbeitet. Die SP-Fraktion wird der Bundesversammlung sicher zwei sehr gute Kandidatinnen präsentieren. Ich bringe Folgendes mit: viel politische Erfahrung, eine gute Verankerung in allen Landesteilen, ehrliches Interesse an der Meinung anderer, den Willen, in einem politisch gemischten Team Kompromisse zu erarbeiten. Aber was unterscheidet Sie von Frau Sommaruga? Das sollen die Medien aufzeigen. Sagen Sie uns dafür, wo Sie Unterschiede zu Hildegard Fässler sehen, die es ja ebenfalls auf das SP-Ticket schaffen könnte? Von aussen gesehen, ist es vor allem der Altersunterschied. Und auch ein wenig die Dossierschwerpunkte. Unsere politischen Positionen liegen aber sehr nahe beieinander. Was sagt eigentlich Ihre Familie zur Kandidatur? Meine Söhne finden es «cool». Für meinen Entscheid war wichtig, dass ihre Lebensqualität im Falle meiner Wahl nicht beeinträchtigt würde. Sie leben in Trennung von Ihrem Ehemann. Die «Weltwoche» hat Ihnen dafür ein taktisches Motiv unterstellt: Gemeinsam würden Sie zu viel verdienen für den SP-Geschmack. Was sagen Sie dazu? Nur so viel: Es gibt bessere und schlechtere Journalisten. Ich glaube, ich muss nicht zu jedem Unsinn einen Kommentar abgeben. Verraten Sie uns denn, wie viel Sie verdienen? Gemeinsam versteuern mein Mann und ich zurzeit ein Einkommen von 200 000 Franken und ein Vermögen von 700 000 Franken; den grössten Teil macht dabei unser Haus aus. Wir haben das im Übrigen immer offengelegt. Stellen Sie diese Frage auch anderen Kandidatinnen und Kandidaten? Wenn sie zum Politikum wird, ja. Wie lange würden Sie uns als Bundesrätin eigentlich erhalten bleiben? 15 Jahre wie Moritz Leuenberger? (Lacht.) Ich glaube, in der heutigen Zeit sind 10 Jahre im Bundesrat die obere Grenze. Dann ist es angebracht, den Stab weiterzureichen. Übrigens: Ganz zum Schluss der Medienkonferenz, auf Nachfrage des TA, liess sich Fehr doch noch Auskunft über eine Differenz zu Sommaruga entlocken – wenn nicht gar eine kleine Spitze gegen die Konkurrentin aus Bern. Auf die Frage, ob sie wie Sommaruga mit Stimmtraining an ihrem Auftritt feile, antwortete Fehr kurz und knapp: «Dazu fehlt mir die Zeit.» «Ich wollte alle Gründe pro und kontra gegeneinander abwägen»: Bundesratskandidatin Jacqueline Fehr. Foto: Daniel Kellenberger
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