Sweet Home: Ferien in der WestschweizGemütlichkeit und Anarchie in Le Locle
Ein hübsches Hotel in einem wunderschön renovierten 187 Jahre alten Haus, ein spannendes Kulturprogramm, feines Essen und zauberhafte Ausflüge: Le Locle ist eine Reise wert.

Vor einigen Tagen erhielt ich eine E-Mail, in der mir Regula Schiess schrieb, sie hätte ein Hotel in Le Locle und einige junge Gäste meinten, dieses müsse unbedingt auf Sweet Home kommen. Nachdem ich die Bilder der charmanten, gemütlichen Zimmer gesehen hatte und während eines Spaziergangs mit meinem Hund Daisy mit der Besitzerin ein spannendes Telefongespräch führte, war ich ebenfalls der Meinung von Regulas Gästen.

Das Hotel ist aus einem Wunsch heraus entstanden, einen neuen Aufgabenbereich zu finden. Regula Schiess suchte zusammen mit ihrem Ehemann Max nach einem geeigneten Haus, das sie in ein Hotel verwandeln konnten. Beide arbeiteten in völlig anderen Berufen, Regula war Psychotherapeutin und ihr Mann Max Musikwissenschaftler. Sie selbst hatte schon einmal ein Haus renoviert. Sie erzählte mir, dass sie in den Neunzigerjahren ein wenig Geld von ihren Eltern erbte und damit ein Haus in Zürich kaufen konnte. «Damals war dies noch möglich, denn die Hauspreise waren viel tiefer», erklärt sie mir. Mit dem Verkauf von diesem Haus wurde der Traum vom Gästehaus ermöglicht. Vor zehn Jahren fand das Paar ein Haus in Le Locle. Sie renovierten es vornehmlich selbst und eröffneten 2016 das Boutique Hotel Guesthouse Le Locle. Zwei Jahre später verstarb leider Regulas Ehemann. Sie führt das Hotel alleine und auch im Gedenken an ihren Mann weiter.

Die zehn Zimmer des Gästehauses und Boutique-Hotels sind mehr als Zimmer, nämlich acht Studios und zwei Suiten. Alle verfügen über ein eigenes Badezimmer und eine Küche. Man kann also richtig wohnen im Guesthouse. So haben Regula und ihre kleine Crew auch ein spezielles Frühstückskonzept entwickelt. Regula wollte das allgemein übliche Frühstücksbuffet unbedingt vermeiden. Jedes Studio ist so gebaut und ausgestattet, dass man sich ein Frühstück selber zubereiten kann. Die Zutaten und Küchengeräte dafür sind vorhanden. Zudem gibt es im Haus auch noch eine Gemeinschaftsküche. Dort findet man Eier, Saft, Müesliflocken, Früchte, Käse und vieles mehr – wobei alles im Preis inbegriffen ist.

Regula Schiess hat zusammen mit Sophie Mauch vom Praesent Studio und initiativen Gästen auch ein Kulturprogramm auf die Beine gestellt. An diesem Wochenende vom 9. bis 11. Dezember findet ein Anarchismus-Weekend statt, in dessen Rahmen der Film «Unrueh» am Freitag im örtlichen Kino gezeigt wird. Der Samstagnachmittag ist dem Thema «Le Locle und seine Anarchisten» gewidmet. Le Locles Stadtpräsident Cédric Dupraz, der auch Historiker ist, macht eine Führung durch seine Stadt, erzählt über die Anarchisten und zeigt, wo sie gelebt haben. Der Spaziergang endet im Cercle de l’Union mit einem Podiumsgespräch zum Thema Anarchismus gestern und heute. Florian Eitel, der Autor des Buches «Anarchistische Uhrmacher in der Schweiz», hält einen Vortrag, danach gibt es ein gemeinsames Abendessen.

Für diesen Winter sind noch weitere kulturelle Anlässe geplant. So gibt es am 8. Januar um 17 Uhr das alljährliche Orgelkonzert im Salle de musique in La Chaux-de-Fonds mit Simon Peguiron und Benjamin Righetti an Klavier und Orgel. Das Wochenende vom 13. bis 15. Januar 2023 ist dem Träumen mit und ohne Substanzen gewidmet. Auch da gibt es einen Filmabend mit dem Film «Descending the Mountain» und Gespräche über Traumerfahrungen mit Claude Weill, dem Autor von «Elysium hin und zurück» und weiteren Gästen.
Vom 21. bis 29. Januar 2023 findet die Themenwoche «Uhrwerk» statt mit einer Präsentation der Geschichte der Uhrenindustrie. Anlässlich eines Besuchs im Uhrmachermuseum Le Locle berichtet Giselle Götz von der Entstehungsgeschichte der Ausstellung. Geplant ist unter anderem auch ein Besuch im Musée des Mascarons in Môtier, wo die ehemalige Kuratorin Laurence Vaucher ein Referat hält zum Thema «Wie kann Uhrengeschichte ausgestellt werden?».

Regula Schiess, wie lernten Sie das Renovieren von Häusern?
Ich engagierte Fachleute wie Polsterer, Elektriker oder Schreiner für Privatstunden und Ratschläge. Das war günstiger als langwierige Kurse, aber ich war auch mal im Ballenberg an einem lustigen Schreinerkurs von Urs Lareida.
Wie haben Sie die Liebe zum Einrichten und Dekorieren für sich entdeckt?
Ich lebte 22 Jahre mit dem Filmemacher Richard Dindo zusammen und habe bei der Beobachtung seiner Arbeit verstanden, dass die Auswahl an Bildern, Gegenständen und Eindrücken eines einzelnen Menschen eine Einheit bilden.
Wie haben Sie das in Ihrem Hotel umgesetzt?
Ich wollte keinen Dekostil umsetzen, sondern so einrichten, wie es mir gefällt. Ich vertraute darauf, dass das kunterbunte Sammelsurium von Gegenständen, Farben und Baumaterialien letztlich ein harmonisches Ganzes bilden können.
Ich nehme an, Sie hatten auch ein bestimmtes Budget?
Unser Plan war, die Innendekoration direkt an die Innenarchitektur anzuschliessen. So schauten wir bereits beim Umbau, was vorhanden ist, was wieder gebraucht werden kann oder was nur hervorgehoben werden musste. Letzteres waren zum Beispiel Natursteinwände in einzelnen Studios und im Treppenhaus. Wir haben auch keine Holzelemente weggeworfen, sondern etwas Neues daraus gemacht.
Woher haben Sie die Möbel?
Da gingen wir ein wenig nach dem Zufallsprinzip vor, schauten regelmässig, was in den vielen Brocantes der Region, in den Stoffläden, auf Ricardo, Ebay oder auf Bauteilclick zu finden war. Auch auf der Strasse entdeckten wir Wertvolles wie Parkette, alte Türen oder schöne Bretter, welche andere wegwarfen.

Jedes Zimmer beziehungsweise jedes Studio und Apartment im Hotel ist denn auch einzigartig und individuell eingerichtet. Auf der Webseite vom Guesthouse wird jedes Studio liebevoll beschrieben und auf seine Besonderheiten hingewiesen. Hier etwa steht ein langes, indisches Sofa.

Dieses Studio wird als Lieblingszimmer bezeichnet, da durch seine fünf Fenster friedliches Abendlicht hereinströmt und es ein sizilianisch anmutendes Badezimmer hat. Das Guesthouse eignet sich gemäss dem Konzept der Besitzerin auch für Feste und Familienanlässe.

Alle Badezimmer wurden mit besonderen Kacheln und liebevollen Details eingerichtet. Dieses hier gehört zur zweitgrössten Suite, in der bis zu fünf Personen wohnen können. Es hat zwei Schlafzimmer, eine voll ausgestattete Küche und zehn Fenster.

Im Hotel arbeitet eine kleine Crew. Es gibt auch ein Café, das Regula untervermietet hat und unabhängig vom Hotel betrieben wird. Man kann dort ab acht Uhr morgens Kaffee trinken, ein bisschen später gibts Brunchgerichte wie Pancakes. Gleich in der Nähe des Guesthouse gibt es zwei Boulangerien, die an sieben Tagen der Woche geöffnet sind. «Auch ist da ein kleiner, gepflegter Bioladen mit sehr feinen Spezialitäten aus der Gegend», schwärmt Regula.

Le Locle Tipps von Regula Schiess
Restaurants
Le Locle hat drei Restaurants mit Gault-Millau-Punkten: Chez Sandro, La Croisette sowie Le Prévoux. Sie sind alle sehr fein. Wir empfehlen aber besonders dasjenige, das am nächsten bei uns liegt, das Chez Sandro. Im Nachbarhaus befindet sich das Restaurant Au coeur du Liban, was nicht nur sehr praktisch ist, weil man bloss ein paar Schritte gehen muss, sondern auch gut. Zudem mag ich die Crêperie, die ebenfalls sehr nahe ist und wirklich feine Crêpes macht. Mit Freunden gehe ich gerne ins Gourmetrestaurant La Place in Les Brenets. Dahin gelangt man mit der süssen «Le Locle–Les Brenets»-Bahn. Dann gibt es da auch noch ganz in der Nähe des Bahnhofs von La Chaux-de-Fonds das Gourmetlokal Carvi Noir, welches mein absoluter Lieblingsort ist. Hier kreieren und servieren junge, tätowierte Leute mit einem fantastischen Kochkonzept extrem fein abgeschmeckte Gerichte.
Shopping
In Le Locle gibt es eine Mercerie im alten Stil und gleich nebenan eine fantastische Eisenwarenhandlung mit wirklich allem, was man für Haus und Garten braucht. Ich liebe die vielen Brocantes in der Gegend, auch im nahen Frankreich. Da ist zum Beispiel La Sommett von Dominique. Das Geschäft ist wie ein Museum und hat auch am Sonntag geöffnet.
Ausflüge und Balades
Ich verliere mich gern beim Herumstreunen «dans les monts», wie man hier sagt, wo es allerlei zu finden gibt wie Steinpilze, wilder Kümmel, Blumen und Äste fürs Hotel. Es handelt sich dabei um die Weiden und Wälder, die vom Städtchen zur Krete hinaufführen, welche zum Doubs hinunterfällt. Es ist ein riesiges Gebiet. Die Krete selbst bietet eine unglaubliche Aussicht zum Fluss hinunter und hinaus nach Frankreich. Zudem fahre ich auch gern ins Vallée de la Brévine und gehe da die Moore beobachten.
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