Kolumbien lässt Abtreibungen zuFrauen feiern Recht auf Abtreibung
Das kolumbianische Verfassungsgericht legalisiert Schwangerschaftsabbrüche – ein Signal für Südamerika?

Die wirklich grossen Veränderungen, heisst es, geschehen ganz schnell. Und so kämpften Frauen in Lateinamerika jahrzehntelang um das Recht auf Abtreibung, vergeblich. Doch nun haben in weniger als eineinhalb Jahren gleich drei grosse Länder der Region Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder stellen diese zumindest nicht mehr unter Strafe: Argentinien, Mexiko und nun auch Kolumbien. (Lesen Sie zum Thema den Artikel «Eine kleine Revolution für Südamerikas Frauen».)
Am Montag urteilte das kolumbianische Verfassungsgericht, dass Frauen in Zukunft bis zur 24. Schwangerschaftswoche ohne Angabe von Gründen abtreiben dürfen. Bislang war dies nur in Ausnahmefällen erlaubt: wenn das Leben der Mutter in Gefahr war, der Fötus schwere Missbildungen hatte oder die Schwangerschaft eine Folge von Inzest oder Vergewaltigung war.
Frauenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass dennoch jedes Jahr bis zu 400’000 Abtreibungen in Kolumbien durchgeführt wurden, von denen allerdings nur etwa zehn Prozent legal waren. Immer wieder starben Frauen an den Folgen unprofessionell durchgeführter Eingriffe.
Historischer Sieg für Frauenbewegung
Frauenrechtlerinnen hatten mehrmals Klagen eingereicht. Sie argumentierten, dass Schwangere mit geringem Einkommen durch die Rechtsprechung diskriminiert würden: Ihnen fehle der Zugang zu jenen Ärzten und Anwälten, die trotz des Verbots eine Abtreibung durchführen oder durchsetzen könnten. Das kolumbianische Verfassungsgericht hat ihnen nun recht gegeben.
Im Zentrum Bogotás feierten nach der Bekanntgabe des Urteils viele Befürworterinnen eines liberaleren Abtreibungsrechts. Die Entscheidung des Gerichts sei ein historischer Sieg für die Frauenbewegung in Kolumbien, sagte Erika Guevara-Rosas von Amnesty International: «Nur diejenigen, die in der Lage sind, ein Kind auf die Welt zu bringen, sollten das Recht dazu haben, Entscheidungen über ihren Körper zu treffen.»
«Die Grüne Welle ist stark und wächst immer weiter.»
Viele Aktivistinnen hoffen darüber hinaus, dass die Entscheidung vom Montag Signalwirkung haben könnte für die gesamte Region. Über Jahrhunderte war Lateinamerika geprägt von Katholizismus und einem konservativen Familienbild. Dies spiegelte sich wider in strengen Abtreibungsgesetzen.
Nach langen Bemühungen lockerten einige Länder ihre Rechtsprechung. Doch in El Salvador, Nicaragua oder Honduras sind Schwangerschaftsabbrüche bis heute ausnahmslos verboten. Dass die Forderung nach einem Recht auf Abtreibungen in den letzten Jahren neuen Schwung bekommen hat, liegt vor allem auch an einer neuen feministischen Bewegung, die mittlerweile in fast allen lateinamerikanischen Ländern präsent ist.
Sie richtet sich zum einen gegen die strukturelle Gewalt gegen Frauen in der Region: Immer wieder kommt es zu bestialischen Vergewaltigungen, selbst kleine Mädchen werden entführt, jedes Jahr gibt es Tausende Morde an Frauen, die oft in Machokultur wurzeln und in Straflosigkeit enden.

In Mexiko, Argentinien, aber auch Kolumbien und Chile gab es deswegen teils riesige Demonstrationen, meist unter der Hauptforderung «Ni una menos», auf Deutsch so viel wie «Nicht eine weniger» oder «Schon eine ist zu viel». Dazu forderten die meist jungen Demonstrantinnen auch immer vehementer, Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren. Wegen der grünen Halstücher, die viele als Erkennungszeichen tragen, wird die Bewegung auch oft als «Grüne Welle» bezeichnet.
Als der Senat in Argentinien Ende 2020 Abtreibungen bis zur 14. Schwangerschaftswoche legalisierte, wurde dies als erster grosser Sieg gefeiert. Rund ein halbes Jahr später erklärte der Oberste Gerichtshof Mexikos dann ein absolutes Abtreibungsverbot für verfassungswidrig. Und erst vergangene Woche hatte Ecuador seine strengen Vorschriften zu Schwangerschaftsabbrüchen gelockert: Nach einer Vergewaltigung sind diese nun erlaubt.
Nach dem Urteil aus Kolumbien hoffen Befürworter, dass auch Chile bald ein Recht auf Abtreibung einführt. Eugenia Lopez Uribe von der International Planned Parenthood Foundation sagte am Montag: «Die Grüne Welle ist stark und wächst immer weiter.» (Lesen Sie auch den Artikel «Der beeindruckende Sieg der jungen Frauen in Grün».)
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