Finanzverwalter: «Wir sind unglaublich konservativ»
Er ist der neue Herr über den Bundeshaushalt: Fritz Zurbrügg, Direktor der Finanzverwaltung. Der polyglotte Berner preist die Schuldenbremse und die Schweizer, die beim Sparen – «im positiven Sinn» – konservativ seien.

Andere Amtsdirektoren laden nach 100 Tagen im Amt die Medien ein – Sie nicht. Sind Sie jemand, der nicht die Öffentlichkeit sucht? Fritz Zurbrügg: Ich scheue die Medien nicht. Ich stelle mich gerne der öffentlichen Auseinandersetzung. Aber als Querschnittsamt betreut die Finanzverwaltung vor allem Bundesratsgeschäfte aus allen Departementen. Über diese müssen die politisch Verantwortlichen kommunizieren. Unsere Arbeit findet im Hintergrund statt.
Als Direktor der Finanzverwaltung haben Sie grossen Einfluss auf Bundesrat und Parlament. Ich sehe unsere Hauptaufgabe darin, optimale Unterlagen für politische Entscheide vorzubereiten und eine gute Zusammenarbeit mit den anderen Departementen sicherzustellen.
Aber oft entscheidet die Politik im Sinne der Finanzverwaltung. Rückblickend lässt sich in der Tat feststellen, dass das Parlament grossen Wert auf einen gesunden Finanzhaushalt legt. Ich unterscheide drei Phasen. Bei der Einführung der Schuldenbremse 2003 hatten wir ein strukturelles Defizit. Dieses beseitigte das Parlament relativ rasch mit zwei Entlastungsprogrammen. Für die zweite Phase hatte ich mehr Zweifel: Gemäss der Schuldenbremse müssen in guten Zeiten Überschüsse zum Schuldenabbau erwirtschaftet werden. Die zusätzlichen Einnahmen dürfen also nicht gleich wieder mit vollen Händen ausgegeben werden – aber auch das konnte verhindert werden. Auch in der dritten Phase, als die Wirtschaft in die Rezession geriet, überbordete das Parlament nicht mit Ausgaben zur Stützung der Konjunktur.
Woher rührt der Sparerfolg? Ich glaube, dass letztlich die Bevölkerung eine entscheidende Rolle spielt. Wenn es ums Sparen geht, sind Schweizerinnen und Schweizer – im positiven Sinn – unglaublich konservativ. 85 Prozent der Stimmenden haben im Jahr 2001 zur Schuldenbremse Ja gesagt. Das gibt eine hohe Legitimation für einen sorgfältigen Umgang mit den Bundesfinanzen.
Die Schuldenbremse zügelt die Ausgabenlust des Parlaments. Ist sie eine Erfolgsstory? Ja. Selbst wenn sie noch keinen vollen Konjunkturzyklus durchlaufen hat, kann man das mit Sicherheit sagen. Aber wir dürfen uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Die Schuldenbremse ist eine dauernde Herausforderung.
Deshalb legt der Bundesrat auch für die kommenden Jahre ein Sparprogramm vor: das Konsolidierungsprogramm (KOP). Ist das wirklich nötig? Ja, wir müssen das vorgesehene Ausgabenwachstum um 1,5 Milliarden Franken zurücknehmen, um die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen. Der Grund sind unter anderem die beschlossenen Steuerreformen, die zu einem bleibenden Rückgang der Einnahmen führen.
Angesichts der Erfolge klingt das wie vorsorgliche Schwarzmalerei. Steuersenkungen stimulieren die Wirtschaft und führen so auch zu höheren Steuereinnahmen. Zudem warnen linke Ökonomen davor, den Aufschwung mit Sparübungen abzuwürgen. Die Antwort darauf ist einfach: Die Schuldenbremse trägt der Konjunktur Rechnung. Je schlechter es der Wirtschaft geht, desto grössere Defizite dürfen wir machen. 2010 und 2011 darf der Bundeshaushalt deshalb ein Defizit ausweisen. Es darf aber nicht so gross sein, wie wir früher eingeplant haben, da die Konjunktur deutlich besser sein wird als erwartet.
Mit der Schuldenbremse ist es gar nicht möglich, die Konjunktur abzuwürgen? Die Schuldenbremse stellt sicher, dass die Finanzpolitik der Konjunktur Rechnung trägt. Für ausserordentliche Situationen wie schwere Rezessionen oder Naturkatastrophen gibt es eine Ventilklausel, die es dem Parlament ermöglicht, zusätzliche Ausgaben zu beschliessen.
Aber auch im Vergleich steht die Schweiz finanziell sehr gut da. Die Verschuldung ist in kaum einem anderen europäischen Land so klein. Und trotzdem sollen wir noch mehr sparen. Das ist richtig. Aber wiederum: Die Schuldenbremse hält uns den Spiegel vor. Sie zeigt, dass wir in den kommenden Jahren zusätzlich Geld sparen müssen. Aber nochmals: Sparen ist nie Selbstzweck. Unser Ziel ist, mit einer nachhaltigen Finanzpolitik dafür zu sorgen, dass auch die kommenden Generationen die nötigen Handlungsspielräume haben.
Es gibt immer zwei Wege, die Bremse einzuhalten: Der Bund kann nicht nur sparen, sondern auch die Einnahmen erhöhen. Das ist so. Aber davon ist unbedingt abzuraten. Es gibt eine jahrzehntelange Erfahrung mit Sanierungsprogrammen von Staaten in aller Welt. Die zentrale Erkenntnis ist klar: Erfolgreich sind Sanierungsprogramme, welche vor allem die Ausgaben des Staats reduzieren.
Beim KOP geben vor allem die Sparmassnahmen im Regionalverkehr zu reden. Wieso lässt man sie angesichts des breiten Widerstands nicht fallen? Der Bundesrat will die Massnahmen im Programm behalten. Er stützt sich dabei auf die Vorschläge der einzelnen Departemente: Sie haben die Sparmassnahmen für ihren Bereich erarbeitet und eingebracht.
Also ist es das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation von Moritz Leuenberger, das an den Sparmassnahmen bei den Bussen in den Randregionen festhalten wollte? Es ist davon auszugehen, dass die Departemente Sparmassnahmen vorgeschlagen haben, die sie für vernünftig und wirksam halten.
Was passiert, wenn diese Sparmassnahme scheitert? Dann gehe ich davon aus, dass die zuständige Kommission aufzeigt, wo zur Kompensation im Bereich Verkehr Einsparungen in gleicher Höhe erzielt werden können.
Eine grosse Herausforderung wird sein, die klaffende Finanzierungslücke im Unterhalt und Betrieb der Bahninfrastruktur zu schliessen. Es geht um mehrere 100 Millionen Franken im Jahr. Ist die Lösung schon absehbar? Nein. Eine Arbeitsgruppe wird im Spätherbst Vorschläge vorlegen. Einige Ideen sind bekannt: Man kann die Billettpreise erhöhen, und längerfristig steht ein Mobility-Pricing zur Diskussion. Das Ziel muss auf jeden Fall sein, dass wir Investitionen und Unterhaltskosten in ein Gleichgewicht bringen. Heute sind die Investitionen dank zweckgebundenen Steuern über einen Fonds stark privilegiert; der Unterhalt dagegen muss aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Wir müssen hier eine «Mittelkonkurrenz» erreichen: Wenn wir Bahninvestitionen beschliessen, müssen wir künftig bereits auch über die Finanzierung der Unterhaltskosten entscheiden.
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