Fee mit versponnenen Geschichten
aus Österreich, verzauberte das Publikum mit ihren Erzählungen aus fernen Ländern.
Sie nennt sich Frau Wolle, ist eine Märchenfee und wickelt ihre Zuhörer mit ihren versponnenen Mondgeschichten im Nu um den Finger: Magister Karin Tscholl aus Innsbruck, Sammlerin und Übersetzerin von uralten Legenden und Fabeln aus aller Welt und unter Märchenfreunden längst eine Institution, will die Saison im Casino Theater Burgdorf eröffnen. Gebannt blicken die vorwiegend weiblichen Besucher, die, wie zu vernehmen ist, aus allen Ecken der Schweiz hergepilgert sind, auf die Bühne, wo bereits das Markenzeichen der Erzählerin bereitsteht: ein Korb mit einem riesigen Wollknäuel. Spiegel statt Kamm Bald erscheint Frau Wolle im Prinzessinnenkleid, mit wallen-dem Haar, und legt das Garn als magischen Kreis rund ums Publikum. Dann setzt sie sich und beginnt mit zarter Stimme, wobei sie jedes Wort mit Mimik und Gestik unterstreicht: «Konfuzius hatte eine Frau» Natürlich habe sich die Frau um alles kümmern müssen, während der grosse Weise am Philosophieren gewesen sei, erklärt Frau Wolle, «denn sonst wäre er ja verhungert». Sie erzählt vom zunehmenden Mond, der schuld daran gewesen ist, dass der Gelehrte seiner Gemahlin vom Markt statt des gewünschten Kamms einen Spiegel nach Hause brachte. Die Frau erkannte im ungewohnten Gegenstand ihr eigenes Spiegelbild nicht und beklagte sich bei ihrer Mutter, dass der Mann nun ein Bild seiner Geliebten in der Tasche trage. «Lass sehen, mein Kind», sprach die Alte, blickte in den Spiegel und brach in lautes Gelächter aus. «Nein, diese häss-liche Vogelscheuche kann er nicht lieben», meinte sie – und auch das Publikum stimmt ins Gelächter ein. Es folgen eine Erzählung aus Russland, in der eine Schlange des Zaren Träume deutet, und ein orientalisches Märchen, das davor warnt, süsse Träume Wirklichkeit werden zu lassen. «Begehre nie ein Glück zu gross und nie ein Weib zu schön, der Himmel könnt' es dir in seinem Zorne zugestehn» heisst es dazu im Sprichwort. Berührend dann die äthiopische Fabel vom armen Bauern, der den verirrten König heimgeleitet: «Du herrschst in deinem Reich, ich hier» lautet das Fazit. Diese Geschichten regen zum Nachdenken an, unterscheiden sich stark von Grimms und Andersens Kindermärchen. Märchen machen Mut «Märchenerzählen ist unsere älteste Tradition und eine Kunst» sagt Hasib Jaenike, Präsident und Gründer der Märchenstiftung Mutabor mit Sitz in Lützelflüh. Man stelle sich die langen Winterabende früherer Zeiten vor, in denen es keine Elektrizität, keinen Fernseher, kein Radio und keine Möglichkeit zum Ausgehen gegeben habe: «Die überlieferten Erzählungen waren die einzige Zerstreuung.» Zugleich seien die Märchen Mutmacher, weil sie die Philosophie des Gelingens im Leben beinhalteten: «Der Gute wird letztlich belohnt, der Böse bestraft.» Jaenike betont, dass er in all diesen Geschichten ein Körnchen Wahrheit finde. Im Grunde genommen seien auch die biblischen Gleichnisse Märchen. Dass das Casino Theater zusammen mit der Mutabor-Märchenstiftung Erzählkunst vermittle, sei sehr erfreulich: Landesweit fänden dieses Jahr rund 250 ähnliche Veranstaltungen statt, und das Projekt stehe unter dem Patronat der Schweizerischen Unesco-Stiftung. Gertrud LehmannWeitere Erzählkünstler: Jörg Baesecke, «Engel in Fetzen», 13.November, 20 Uhr; Parvis Mamnun, «1001 Nacht», 25.Februar, 20 Uhr. >
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