EU-Gipfel nominiert Juncker als Kommissionschef
Grossbritanniens Premier David Cameron hatte sich bis zuletzt gegen die Nominierung des Christdemokraten ausgesprochen. Jetzt setzten sich die anderen EU-Staats- und Regierungschefs durch.

Der Luxemburger Jean-Claude Juncker soll neuer EU-Kommissionspräsident werden: Die EU-Staats- und Regierungschefs haben in Brüssel wie erwartet den konservativen Politiker nominiert - gegen den Willen des britischen Premiers David Cameron und des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban.
«Jean-Claude Juncker wurde mit qualifiziertem Mehr zum EU-Kommissionspräsidenten nominiert», sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy nach dem EU-Gipfel vor den Medien. Lediglich Grossbritannien und Ungarn hätten dagegen gestimmt. Zum ersten Mal wurde damit ein EU-Kommissionspräsident nicht im Konsensverfahren ernannt. Es war der britische Premier, der eine Abstimmung im Europäischen Rat - dem Gremium der EU-Staats- und Regierungschefs - verlangt hatte. Dies hatte er bereits im Vorfeld des Gipfeltreffens angekündigt.
Gemäss Cameron ist es «ein schwerer Fehler», dass die EU-Chefs sich nicht zusammen für einen alternativen Kandidaten eingesetzt haben. «Das ist ein schlechter Tag für Europa», sagte der Brite. Dieser lehnt Juncker nicht nur persönlich ab er hält ihn für «die falsche Person» - sprich für zu EU-freundlich. Der Brite wehrt sich auch gegen das vom EU-Parlament initiierte System mit Spitzenkandidaten, was auf einen Machtverlust für die EU-Chefs hinausläuft.
Grossbritannien will EU reformieren
Denn die Staatslenker müssen bei der Nominierung des Kommissionspräsidenten gemäss EU-Verträgen das Ergebnis der Europawahl lediglich berücksichtigen. Von Spitzenkandidaten ist darin nicht die Rede.
Laut Cameron macht es die Ernennung Junckers den Briten schwerer, in der EU zu bleiben. Der Premier hatte bei seiner Wiederwahl eine Abstimmung im Jahre 2017 über den Verbleib Grossbritanniens in der EU versprochen.
Grossbritannien wolle nun intensiv und entschlossen daran arbeiten, die EU in den nächsten Jahren zu reformieren. «Es wird viele Schlachten geben. Einige werden gut laufen, andere weniger. Aber das Wesentliche ist: Wir haben den Schneid, das durchzustehen.»
Merkel will neues System nicht einfach hinnehmen
Die Ernennung von Juncker sieht Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel naturgemäss anders. Gerade in dieser Zeit brauche die EU «einen Kommissionspräsidenten, der an Europa glaubt», sagte er und gratulierte seinem Amtsvorgänger zur Nominierung. Es wird das dritte Mal sein, dass das Grossherzogtum einen Kommissionspräsidenten stellt.
Auch der amtierende EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gratulierte seinem designierten Nachfolger. Er kenne Juncker seit mehr als 20 Jahren. «Ich denke, er ist ein wirklicher Europäer und ein Politiker mit ausserordentlicher Erfahrung.»
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zwar für den 59-jährigen Luxemburger gestimmt, will sich aber das Spitzenkandidaten-System des EU-Parlaments nicht aufzwingen lassen. «Wie sich das beim nächsten Mal genau ausgestaltet, darüber möchte ich heute nicht spekulieren», sagte Merkel.
Die Sorgen Londons müssten aufgenommen werden, sagte die Kanzlerin weiter. «Ich hab ein grosses Interesse daran, dass Grossbritannien weiter ein Mitglied der europäischen Gemeinschaft ist.» In diesem Geist werde sie auch weiter arbeiten, sagte sie.
Sondergipfel Mitte Juli wahrscheinlich
Als nächstes wird das EU-Parlament voraussichtlich am 16. Juli über Juncker entscheiden. Bestätigt dieses den ehemaligen luxemburgischen Premier, ist dieser definitiv als EU-Kommissionspräsident gewählt.
Junckers Wahl gilt als sicher, Konservative und Sozialdemokraten sowie Liberale haben ihm ihre Unterstützung zugesagt. Er braucht 376 der insgesamt 751 Stimmen. Anschliessend wird sich der 59-Jährige daran machen, zusammen mit den Hauptstädten, die neue insgesamt 28-köpfige EU-Kommission zusammenzustellen.
Über die übrigen EU-Spitzenposten, etwa den des neuen EU-Aussenbeauftragen, des Eurogruppen-Vorsitzenden oder der Ratspräsidentin oder des Ratspräsidenten, werden die EU-Chefs nach der Wahl von Juncker im EU-Parlament entscheiden. Dazu soll voraussichtlich am 16. Juli am Abend ein Sondergipfel stattfinden.
Ein Grund dafür ist, dass der oder die Aussenbeauftragte zugleich Vizepräsident der Kommission ist, und daher der neue EU-Kommissionspräsident in den Entscheid mit einbezogen werden muss.
AFP/sda/ajk
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