Sanktionen gegen RusslandEU auf dem Weg zum Ölembargo
Der nächste grosse Schritt gegen Wladimir Putin dürfte ein Importbann für Öl aus Russland sein. Was es dazu noch braucht und welche Folgen ein Embargo für die Schweiz hätte.

Ein Ölembargo der EU gegen Russland rückt näher. Einschränkungen beim Öl sollen Teil des sechsten Sanktionspakets sein. Es wird erwartet, dass die EU-Kommission schon kommende Woche den Mitgliedsstaaten dazu Vorschläge präsentiert. Deutschland gehörte bisher zu den Bremsern bei Ölsanktionen, doch nun spreche sich die Regierung Scholz in Brüssel für ein schrittweise eingeführtes Embargo aus, sagen EU-Diplomaten.
Ein Importbann könnte je nach Ölsorte unterschiedlich lange Übergangsfristen vorsehen und zwischen Lieferungen per Pipeline und Schiff unterscheiden, heisst es. Deutschland kann nach Angaben von Wirtschaftsminister Robert Habeck binnen Tagen unabhängig von russischen Öleinfuhren werden, aber andere Mitgliedstaaten werden sich schwerer tun. Härtester Gegner solcher Strafen ist Ungarns autoritärer Ministerpräsident Viktor Orbán, ihr grösster Befürworter ist Polens Regierung. Da für Sanktionen Einstimmigkeit nötig ist, dürften schwierige Verhandlungen anstehen – das Ergebnis könnten recht lange Übergangsfristen sein, zumindest für manche Ölsorten.
Daher denkt die Kommission auch über Alternativen zu einem Embargo nach, mit denen die Öleinnahmen für Russlands Präsidenten Wladimir Putin geschmälert werden können: zum Beispiel über einen Sonderzoll. Oder die EU und andere westliche Abnehmer verbünden sich zu einem Nachfragerkartell und diktieren Russland niedrigere Preise. Die deutsche Regierung warnt allerdings nach Aussage von Diplomaten vor derartigen Modellen und wirbt stattdessen für den Importbann, der einfacher durchgesetzt werden kann.
Neben Öl wird das sechste Embargopaket der EU russische Brennstoffe für Atomkraftwerke ins Visier nehmen. Die werden nach Frankreich oder Osteuropa geliefert. Zudem soll die grösste russische Bank, die Sberbank, mit Sanktionen belegt werden.
Folgen eines EU-Ölembargos für die Schweiz
Die Schweiz wäre indirekt betroffen von einem Ölembargo durch die EU. Rund 44 Prozent der Energie, welche die Schweiz verbraucht, basieren auf Öl. Dazu gehören insbesondere Benzin und Heizöl. Ein Embargo der EU auf russisches Öl würde dazu führen, dass die Ölpreise weiter steigen. Vor diesen Folgen warnte auch der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck Donnerstag in einer TV-Talkshow. Der Ölpreis hat allein in diesem Jahr bereits um über 30 Prozent zugelegt und notiert weiter über 100 Dollar pro Fass. An den Tankstellen verharrt der Benzinpreis über zwei Franken je Liter.
Der Verband der Schweizer Erdölimporteure Avenergy hatte sich jüngst aber optimistisch gezeigt, dass in der Schweiz kein Versorgungsengpass drohe, sollte die EU ein Embargo gegen russisches Öl verhängen. Die Schweiz beziehe kein Rohöl direkt aus Russland. Was die Schweiz aus Deutschland an verarbeitetem Erdöl beziehe, stamme aus Raffinerien aus dem Westen Deutschlands. Und diese bekommen ihr Rohöl nicht aus Russland.
Unklar ist, was ein Ölembargo für den Rohstoffhandel in der Schweiz bedeuten würde. Bereits jetzt reduzieren Händler ihre Lieferbeziehungen. So hatte der Rohstoffhändler Trafigura am Dienstag angekündigt, ab Mitte Mai kein Rohöl mehr vom staatlichen russischen Ölförderer Rosneft kaufen zu wollen. Auch das Volumen der raffinierten Ölprodukte, welche Trafigura von Rosneft bezieht, solle deutlich reduziert werden.
Deutschland droht Ende Mai Ärger
Deutlich grösser als die Abhängigkeit von russischem Öl ist die von Gas. Doch der Gazprom-Konzern stoppte nun Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien, mit der Begründung, dass die Importeure neue russische Vorschriften zur Begleichung der Rechnungen missachtet hätten. In der EU herrscht aber Unsicherheit, ob und wie Gaskäufer diese Regeln überhaupt umsetzen können, ohne EU-Sanktionen zu brechen. Deutschlands grösster Gasimporteur Uniper muss seine nächste Gazprom-Rechnung Ende Mai bezahlen. Sind die Russen unzufrieden mit Unipers Vorgehen, könnte das als Vorwand dienen, auch Deutschland den Hahn zuzudrehen. Zugleich beteuert Uniper, man werde keinesfalls gegen Sanktionen verstossen.

Zugleich stellte der Beamte jedoch klar, dass die Importeure nicht – wie von Moskau vorgeschrieben – ein zweites, auf Rubel lautendes Konto bei dem Geldhaus eröffnen dürfen: «Es wäre eine Verletzung der Sanktionen, wenn ein Unternehmen es akzeptiert, ein zweites Konto zu eröffnen, um den Forderungen nachzukommen», sagte er. Die Kommission argumentiert, dass dieses zweite Konto ein System schaffe, bei dem die Importeure der unter Sanktionen stehenden Zentralbank de facto ein Darlehen gewähren: Die Konzerne überweisen Euro und Dollar nach Russland, haben keine Kontrolle mehr über das Geld, aber die Rechnung sieht Gazprom erst dann als beglichen an, wenn irgendwann Rubel auf dem zweiten Konto eingehen.
«Putin benötigt die Einnahmen durch das Gas dringend.»
Maria Demertzis, die Vizechefin des Brüsseler Thinktanks Bruegel, sagt allerdings, dass das ausgefeilte Umtausch-System ohne dieses Rubel-Konto des Gaskäufers nicht funktionieren würde. Will Putin das westliche Finanzsystem umgehen für den Umtausch, müsse der Importeur über ein Euro- und ein Rubel-Konto bei der russischen Bank verfügen, erläutert sie.
Die grosse Frage ist daher, wie die russische Regierung und Gazprom reagieren werden, wenn Importeure wie Uniper das Dekret Putins nur teilweise umsetzen. Die Russen könnten es hinnehmen und sich damit zufriedengeben, dass immerhin weiter Devisen ankommen. Oder sie könnten dies als Vorwand für Lieferstopps nutzen. Demertzis sagt, dass Russland vielleicht sogar an der Blockade Polens und Bulgariens verdiene: «Da fallen nur kleine Mengen und Umsätze weg, zugleich ist wegen der Aktion der Gaspreis gestiegen.» Nach und nach der ganzen EU den Gashahn zuzudrehen, könne sich Putin dagegen nicht leisten: «Er benötigt die Einnahmen dringend.»
Holger Alich ist stellvertretender Leiter des Wirtschaftsressorts. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Banken und die Pharma-Branche. Davor arbeitete der Volkswirt als Korrespondent aus Paris und Zürich für das deutsche Handelsblatt. Das journalistische Handwerk hat er an der Kölner Journalistenschule gelernt.
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