Vulkanausbruch in Tonga«Es gibt grosse Sorgen, die Katastrophe noch zu verschlimmern»
Ein Mann wird vom Tsunami mitgerissen und überlebt 24 Stunden schwimmend, ein erstes Aufklärungsflugzeug ist gelandet, doch noch immer ist auf Tonga vieles unklar. Und die Helfer werden nicht mit offenen Armen empfangen.

Viel weiss man immer noch nicht aus dem Inselstaat Tonga, nun hat es immerhin die Geschichte eines Tongaers, der vom Tsunami mitgerissen wurde und 24 Stunden lang von einer Insel zur anderen schwamm, über Facebook in den Rest der Welt geschafft. Knapp eine Woche nachdem der Vulkanausbruch die meisten Kommunikationskanäle nach Tonga gekappt hat.
Lisala Folau, ein Zimmermann im Ruhestand, erzählte dem tongaischen Radiosender Broadcom FM, er sei von seiner Heimatinsel Atata über zwei unbewohnte Inseln geschwommen und getrieben, um schliesslich die Hauptinsel Tongatapu zu erreichen, das ist eine Strecke von rund 13 Kilometern. Folau kann durch eine Behinderung nicht richtig laufen, seine Familie kam ihm zur Hilfe, «als eine Welle durch unser Wohnzimmer ging, sind wir in einen anderen Teil des Hauses geflohen» und dann weiter auf einen Baum. Als sie wieder hinunter kletterten, kam erst die grosse Welle.
Seine Nichte und er wurden aufs Meer rausgezogen, «wir riefen uns gegenseitig zu. Es war dunkel und wir konnten uns nicht sehen. Schon bald konnte ich meine Nichte nicht mehr rufen hören, aber ich hörte meinen Sohn». Nachdem der Kontakt abgebrochen war, klammerte sich Folau an einen Baumstamm. Was aus dem Sohn wurde, ist bisher nicht bekannt, ebenso wenig wie das Schicksal der Nichte. Aber Folaus Geschichte schrieb der Redakteur des tonganischen Senders auf und stellte sie bei Facebook ein.

Der Ausbruch des Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai hat eine gigantische Aschewolke bis weit in die Stratosphäre geschleudert. Dadurch ist es schwierig, das Ausmass der Zerstörung zu erfassen. Die Tsunamis, die auf den Ausbruch folgten, haben nicht nur Häuser mitgerissen, sondern auch Telefon- und Internet-Verbindungen zu der abgelegenen Inselgruppe im Südpazifik gekappt.
Rollfeld per Hand von Asche befreit
Die Regierung zögert grössere Hilfslieferungen auf die Inseln zu lassen, aus Sorge davor, dass die Pandemie eingeschleppt wird. Bislang hatte Tonga nur einen Covid-19-Fall. Ein erstes Aufklärungsflugzeug der neuseeländischen Luftwaffe konnte am Mittwoch auf der Hauptinsel Tongatapu landen, nachdem Hilfskräfte das Rollfeld des internationalen Flughafen per Hand von einer dicken Ascheschicht befreit hatten. Ein bei dem Flug aufgenommenes Luftbild zeigt umfangreiche Schäden an einer Küstengemeinde.
Soneel Ram, der den Einsatz des Internationalen Roten Kreuz koordiniert, und in Suva, der Hauptstadt der Fidschi-Inseln sitzt, erklärt am Telefon, «wir müssen schnell sauberes Trinkwasser dorthin bekommen, weil alle Quellen vom Asche-Fallout kontaminiert wurden. Unser Notfallteam in Tonga konnte den ersten Bedarf decken, die liefern Notunterkünfte, Küchensets, Decken und andere Hilfsgüter an Menschen, die alles verloren haben. Aber wir stehen unter Zeitdruck.»
Die Inseln und Orte sind mit einer dicken Schicht Vulkanasche bedeckt, es gibt viele Salzwasserlachen. Das örtliche Rote Kreuz hat Helfer auf die Inseln Mango, Fonoifua und Namuka geschickt. Aber Helfer von aussen wurden noch keine angefordert, « ohne Anforderung dürfen wir uns aber gar nicht in Bewegung setzen», sagt Soneel Ram.
Nachdem Hilfe unterwegs ist, muss es schnell gehen
Dass die Helfer nicht mit offenen Armen empfangen werden, hat mit den Einreise-Beschränkungen der Regierung von Tonga zu tun. Die Bevölkerung ist nicht gegen das Virus geschützt, «es gibt grosse Sorge, dass man mit den Hilfslieferungen auch Covid-19 einschleppt und die Katastrophe noch verschlimmert», sagt Ram.
Nachdem Hilfe nun auf dem See- und auf dem Luftweg unterwegs ist, müsse es allerdings rasch gehen, «wir haben für etwa 1.200 Familien Hilfsgüter vorrätig, dann müssen wir wieder auffüllen. Leider ist auch die Gefahr durch einen weiteren Vulkan-Ausbruch oder Wirbelstürme nicht ganz absehbar». Auf den Fidschi-Insel hat die Regierung nun eine grosse Booster-Kampagne gestartet, damit die Leute eine dritte Impfung bekommen und nach Tonga können, um zu helfen, ohne die Leute vor Ort anzustecken.

Der australische Premierminister Scott Morrison sagte am Mittwochnachmittag, er habe es noch nicht geschafft, mit seinem Kollegen Siaosi Sovaleni direkt zu sprechen. Der Zusammenbruch der Telekommunikation und die Aschewolken hätten für ein «sehr schwieriges Umfeld» gesorgt, in dem man operieren müsse.
Die HMAS Adelaide der australischen Marine legte am Mittwoch aus Sydney in Richtung Tonga ab. Auch Neuseeland hat zwei Marineschiffe mit Hilfsgütern an Bord entsandt. Verteidigungsminister Peeni Henare sagte, sie würden voraussichtlich in vier Tagen eintreffen, könnten aber auch schon am Freitag die Inselgruppe erreichen, wenn das Wetter hält. Das Rote Kreuz von Tonga soll die Hilfsmassnahmen vor Ort leiten – vorausgesetzt die Schiffe dürfen dann entladen werden.
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