Erstmals setzt ein Papst den Fuss auf die Arabische Halbinsel
Der Pontifex ist in Abu Dhabi. Für seinen Schweizer Gastgeber ist es «Freude und Stress in einem».
Papst Franziskus gibt sich gerne bescheiden. Damit können die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nicht dienen: In Abu Dhabi sind die Shopping Malls noch grösser als anderswo, die Wolkenkratzer glitzern prächtiger, gegen die Moschee wirkt der Petersdom winzig und Geld ist hier Gott. Trotzdem geht es beim Besuch des Pontifex nicht um Pomp. Es wird Geschichte geschrieben: Papst Franziskus ist der erste Pontifex zu Besuch auf der Arabischen Halbinsel.
Er freue sich, «ein neues Kapitel in der Geschichte der Beziehungen zwischen den Religionen zu schreiben», sagte der Papst vorab in einer Videobotschaft an das islamische Land. Im Zentrum des Besuchs steht am Montag ein interreligiöses Treffen namens «Human Fraternity». Schliesslich ist der Dialog zwischen den Religionen eines von Franziskus' Herzensthemen. Der Besuch endet am Dienstag mit einer grossen Messe in einem Sportstadion.
Die Emirate sind nicht das erste muslimische Land, in das der 82-jährige Papst reist. Er war unter anderem bereits in Ägypten oder der Türkei. Der Dialog zwischen Christen und Muslimen ist in vielen Ländern keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Christen werden oft Ziel islamistischer Anschläge und dürfen ihre Religion nicht frei ausüben.
«Leuchtturm» der Toleranz
Doch die Emirate gelten in punkto Toleranz in der arabischen Welt quasi als «Leuchtturm», anders als zum Beispiel Saudiarabien, wo es nicht einmal Kirchen gibt. Franziskus bezeichnete die VAE als «Modell des Zusammenlebens und der menschlichen Brüderlichkeit».
Für die Emirate ist der Besuch perfekte Werbung. Gerade hat das «Jahr der Toleranz» begonnen, das von der Führung ausgerufen wurde. Die VAE seien ein Ort der Offenheit und des Zusammenlebens verschiedener Kulturen, betonte Kronprinz Mohammed bin Said Al Nahjan, auf dessen Einladung der Papst nach Abu Dhabi kommt.
Als Zeichen der Toleranz verkündete das Arbeitsministerium für den Tag der Papstmesse einen Feiertag für alle Angestellten der Privatwirtschaft, die zur Messe gehen wollen. Aus der ganzen Nachbarregion werden Pilger erwartet, die sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollen, einen Blick auf den Papst zu erhaschen.
Vor allem in Dubai und Abu Dhabi leben viele Arbeitsmigranten, besonders aus Asien. Sie machen etwa 88 Prozent der Bevölkerung der Emirate aus. Einer Schätzung der amerikanischen Denkfabrik Pew Research Center zufolge sind knapp über zwölf Prozent der 9,7 Millionen Menschen in den Emiraten Christen. Die katholische Kirche vor Ort geht inzwischen von etwas mehr als einer Million Katholiken aus.
Keine «Religionsfreiheit im technischen Sinn»
Für den dritten Tag ist eine päpstliche Messe im grossen Rahmen geplant, erwartet werden mehr als 100000 Gläubige. Die Emirate haben dafür ein Sportstadion zur Verfügung gestellt. Alle Ausgaben werden von der Regierung getragen. Selbst der Altar sei von den Gastgebern finanziert und gebaut worden, sagte Paul Hinder, der Schweizer Bischof und Oberhirte der Katholiken im südlichen Arabien, der Onlinezeitung «Vatican Insider». «Wir sind geduldet, und uns wird auch geholfen: Die Kirchen etwa, die wir errichtet haben, stehen auf Grundstücken, die uns der Staat entweder geschenkt hat oder für einen symbolischen Betrag vermietet.»

Der Besuch sei natürlich für den Dialog wichtig, betonte Hinder gegenüber der Organisation Kirche in Not. «Gerade in der arabischen Welt basiert vieles mehr auf Beziehungen als auf Gesetzen.» Deshalb könne der Besuch dazu beitragen, «dass sich das Verhältnis der Religionen auf der Arabischen Halbinsel entspannt.»
In einem Interview mit Vatican News schlug der Schweizer aber auch kritischere Töne an. «Ich hätte mir gewünscht, dass er sich ein bisschen mehr Zeit nähme – gerade auch für uns, die katholische Gemeinschaft», so Hinder. Er hätte dem Papst gerne die soziale Situation im Land hinter der glänzenden Oberfläche gezeigt. Es gebe seines Wissens «in keinem islamischen Land Religionsfreiheit im technischen Sinn», so der Bischof. Immerhin gebe es in den Emiraten «Kultus- beziehungsweise Gottesdienstfreiheit». Hinder freut sich aber auf den Besuch: «Es ist beides: Freude und Stress in einem.»
«Ein historisches Ereignis»
Auch Reinhold Sahner, Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in den Emiraten, stimmt zu, dass die Situation für die Christen im Land grundsätzlich gut sei. «Es ist kaum ein Unterschied zu dem, was wir gewohnt sind», sagte Sahner. Man könne sich frei bewegen und auch religiöse Symbole tragen. Der Staat unterstütze die Kirchen und schenke ihnen Land für Kirchenbauten.
Der Papstbesuch «ist ein Wahnsinns historisches Ereignis und eine unfassbare Freude für uns», sagte Sahner. «Es ist auch eine Anerkennung der Arbeit der vielen Menschen christlichen Glaubens im Land, die hier am Aufbau des Landes mitarbeiten und die Zukunft mitgestalten.»
Missbrauchsskandal lastet schwer
Die Kluft zwischen Superreichen und Arbeitsmigranten in den Emiraten wird immer wieder angeprangert. Ob sich der Papst als «Anwalt der Armen» auch dazu äussert, bleibt abzuwarten.
Ein paar positive Nachrichten könnte der Argentinier jedenfalls derzeit gut gebrauchen. Zuhause in Rom lastet der Missbrauchsskandal schwer auf ihm, sein Image ist angekratzt, viele Leute wenden sich von der Kirche ab.
Ende Februar steht ein Gipfel zum Thema Kindesmissbrauch im Vatikan an, der die katholische Kirche endlich aus der Krise führen soll. Bis dahin hat der Papst noch Schonfrist, sich im Licht der Wolkenkratzer Abu Dhabis ein wenig zu sonnen.
SDA/nag
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch