Drei Generationen Scham – und ihre Comics
Julie Doucet, Liv Strömquist und Katja Klengel zeigen und zeichnen, dass nichts, was zu einem Frauenkörper gehört, eklig ist.
Wie krass frau mit ihren ganz normalen Körperfunktionen ringt und sich fürs Frausein geniert, stellte die weibliche Comic-Avantgarde schon in den 1990ern schonungslos aus. Und bis heute sind solche Comics Desiderat und Provokation zugleich. Hier präsentieren wir Vertreterinnen dreier Generationen und Länder, die in ihren Comics die Geburt des weiblichen Ekels vor sich selbst thematisieren – und die Emanzipation davon.
Julie Doucet

Eine Pionierin ist die gefeierte Kanadierin Julie Doucet. In der Serie «Dirty Plotte» (1988–1998) und auch 1999 in der Graphic Novel «My New York Diary» zeichnete sie mit nervösem schwarzem Strich Menstruationspeinlichkeiten und Fehlgeburtstraumata, sexuelle Desaster und Drogenabstürze. Weibliche Realitäten, die es bloss langsam aus der Underground-Nische heraus schafften.
«Heute muss ich sehr lachen über meine ‹Dirty›-Periode. Das war so inspiriert, so voller Rage und roher Energie», schwärmt die 1965 geborene Künstlerin im Gespräch mit dieser Zeitung (Lesen Sie hier das Doucet-Porträt).
Auf Deutsch u. a.: «New Yorker Tagebuch», Reprodukt, 56 S., ca. 15 Fr. «Dirty Plotte: The Complete Julie Doucet» erschien 2018 in einer zweibändigen Ausgabe, Drawn and Quarterly, 552 S., ca. 146 Fr. Im März erscheint bei Reprodukt eine Auswahl auf Deutsch, zu der auch obiges Bild gehört.
Liv Strömquist

Von Julie Doucets Comics hin und weg war die 1978 in Lund geborene Künstlerin, Feministin und Soziologin Liv Strömquist. Auch ihr Werk erkundet die Untiefen weiblicher Scham, jedoch mit viel mehr Leichtigkeit. Woher kommt der Ekel gegenüber dem Eigenen? «Solche Dinge herauszufinden, ist befreiend», sagt Strömquist im Interview mit dieser Zeitung (zum Interview geht es hier).
So konfrontiert sie uns in «Der Ursprung der Welt» (Original 2014) mit den monströsen Vulven steinerner Göttinnen und Menstruationsblut. Sie erzählt, wie der Frauenkörper, besonders die Leibesmitte, im 18. Jahrhundert quasi beschnitten wurde. Auch in «I'm every woman» und «Der Urspung der Liebe» (2010) gehts, in Schwarz-Weiss und in Farbe, um die sich wandelnden Rollen der Frau. Das ist oft couragiert komisch, auch selbstironisch; und manche überfordert es: 2017 wurden die in der Stockholmer U-Bahn ausgestellten Bilder menstruierender Eisläuferinnen attackiert.
Auf Deutsch: «I'm every woman». Avant, 112 S., 32 Fr. «Der Ursprung der Welt & Der Ursprung der Liebe». 280 S., 62 Fr. Auch in Einzelausgaben erhältlich.
Katja Klengel

«Die Angst, Vulva zu sagen, ist nicht neu» – und grösser als diejenige vor dem Wort Voldemort, konstatiert die Heldin in Katja Klengels «Girlsplaining» (2018), das man am liebsten jedem Mädchen in die Hand drücken würde. «Lange tat man so, als gäbe es sie nicht», weiss sie; sie hat ihre Strömquist gelesen. Und lange litt auch sie während ihrer Mens jeweils unter Pein und Ekel. Klengel, 1988 in Jena geboren, blickt auf ihre nahen Teenie-Jahre zurück und zeigt mit bissigem Humor: Schön wars nicht. Scheidengerüche, Beinhaar, Schamhaar: Alles schwer zum Schämen. Aber das in ironischem Pink gehaltene Buch pustet die miesen Gefühle aus dem Frauenleben hinaus.
«Girlsplaining». Reprodukt, 160 S., ca. 28 Fr.
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