Eine Tradition, die verpflichtet
Die SVP Langenthal feiert heuer ihr 100-jähriges Bestehen. Die Partei legte gleich nach ihrer Gründung einen fulminanten Start hin und gehört seither zu den dominanten politischen Kräften in der Stadt.

In der Langenthaler Exekutive mache folgender Spruch die Runde, witzeln die beiden SVP-Gemeinderäte Helena Morgenthaler und Roberto Di Nino: Um aus ihrer Partei Gemeinderat zu werden, müsse man entweder eine Frau sein oder einen Migrationshintergrund haben. Solche Quoten ist man sich von der Schweizerischen Volkspartei zwar eher nicht gewohnt. Für die beiden ist der Witz jedoch ein Zeichen der breiten Abstützung der Partei in der Stadt, die in dieser Hinsicht unerreicht sei. «Das zeigt, dass wir wirklich eine Volkspartei sind», so Di Nino.
Mit diesem Anspruch erfolgte bereits die Gründung der Vorgängerpartei in Langenthal, wie der entsprechenden Annonce von vor ziemlich genau hundert Jahren zu entnehmen ist: «Eine grössere Anzahl vaterländisch gesinnter Bürger hat beschlossen, die Gründung einer neuen bürgerlichen Partei energisch an die Hand zu nehmen.» Am Dienstag, dem 17. Dezember 1918, abends 8 Uhr, im Hotel Löwen solle diese stattfinden, bereits dreihundert und ein Mann hätten ihren Beitritt durch Unterschrift erklärt. Der Name: Neue Bürger-Partei Langenthal.
Rasanter Aufstieg
Der Zeitpunkt erstaunt nicht. Bewegte Zeiten bringen politische Umwälzungen mit sich, und an Bewegung mangelte es im Jahr 1918 wahrlich nicht. In Europa herrschten raue Zeiten: Knapp einen Monat zuvor war der Erste Weltkrieg offiziell beendet worden, Staaten und Reiche fielen zusammen, neue Kräfte drangen an die Macht. Die Schweiz kam zwar glimpflich davon, wurde von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont, Generalstreik und Spanische Grippe hinterliessen jedoch Spuren in den Schweizer Seelen und Körpern.
Bis anhin war die Langenthaler Politik von Freisinnigen, Sozialdemokraten und Grütlianern dominiert worden. Innerhalb des bürgerlichen Lagers wuchs jedoch die Unzufriedenheit über die einseitige Ausrichtung der FDP zugunsten der Industrie. Wie weit verbreitet diese war, zeigte der rasche Aufstieg der neu gegründeten Partei. Mittlerweile in Demokratische Partei Langenthal umbenannt, wuchs sie innerhalb weniger Monate auf fünfhundert Mitglieder an. Und bei den Wahlen 1919 gelang ihr ein wahrhaft fulminanter Einstieg: Ein Drittel der Gemeinderäte, darunter der Gemeindepräsident, sowie mehr als die Hälfte der Sitze im neu gegründeten Gemeindeparlament konnten auf Anhieb gewonnen werden. Von da an wurde die Partei, die nach mehreren weiteren Umbenennungen ab 1973 den Namen SVP trug, zum bestimmenden Faktor in der Lokalpolitik.
Ein erster offensichtlicher Bruch der bürgerlichen Dominanz erfolgte erst 1979, als mit der Wahl des Sozialdemokraten Walter Meyer zum ersten Mal seit sechzig Jahren der Gemeindepräsident nicht aus den Reihen der SVP oder ihrer Vorgängerparteien stammte. «War Langenthal früher noch durchwegs eine bürgerliche Bastion, ist mittlerweile die politische Landschaft viel breiter geworden», sagt Helena Morgenthaler. Ein Problem sei dies jedoch nicht, die überparteiliche Zusammenarbeit klappe in der Regel gut. Lokalpolitik ist eben weniger ideologisch aufgeladen als die nationale, nüchterne Sachgeschäfte eignen sich nicht besonders, um prinzipielle Auseinandersetzungen anzuzetteln.
Starker Zusammenhalt
Das wohl am meisten einschneidende Ereignis der jüngeren Parteigeschichte war die Abspaltung von SVP-Mitgliedern und die Gründung der BDP, die jedoch in Langenthal anders ausfiel als in anderen Teilen des Landes. Nachdem am 21. Juni 2008 die BDP Bern gegründet worden war, trafen sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden Exponenten der Langenthaler Sektion, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Es wurde einstimmig beschlossen, der SVP die Treue zu halten. Bei der darauffolgenden Mitgliederversammlung unterstützten rund neunzig Mitglieder den Beschluss, es wurden einzig zwei Parteiaustritte verzeichnet.
Dies ist keine Selbstverständlichkeit, bedenkt man, dass es insbesondere in Bern schon länger gegärt hatte und der Riss tief in die kantonale Partei hineinreichte. Für Morgenthaler und Di Nino ist dieser Umstand ein Zeichen des guten parteiinternen Zusammenhalts sowie der umsichtigen Führung des damaligen Parteipräsidenten Roland Christen und des Stadtpräsidenten Thomas Rufener, die während dieser für die Partei kritischen Phase hervorragende Arbeit geleistet hätten.
Ausdruck der guten Aufstellung der Partei sei auch die erfolgreiche Durchführung der eidgenössischen Delegiertenversammlung 2016 in der Stadt gewesen, an der Albert Rösti zum neuen Präsidenten der SVP Schweiz gewählt wurde – für beide Gemeinderäte ein Highlight ihrer politischen Karriere. Die Organisation solcher politischer Grossereignisse bietet sich einer Ortssektion nicht alle Tage.
Konstruktiv einbringen
Wie wird es nun weitergehen? Substanzielle Veränderungen sind momentan nicht zu erwarten. Die Partei leiste nach wie vor solide Basisarbeit im Mittelstand, damit sei man für die Zukunft gut gerüstet, sagt Di Nino. Die Leitmotive Bodenständigkeit und Werterhalt seien noch immer aktuell und ein Auftrag, sich weiterhin konstruktiv einzubringen. Passend dazu ist der Titel der neu publizierten Jubiläumsschrift, die sich der Geschichte der Partei widmet: «Zukunft braucht Herkunft». Für Di Nino ist jedoch auch klar, dass Herkunft verpflichtet: «Die hundertjährige Tradition wollen wir natürlich so gut wie möglich weiterführen.»
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