Ein grosser Dichter wird gefeiert
An der Vernissage zur Ausstellung 100 Jahre Gerhard Meier im Räberstöckli in Niederbipp würdigte Franz Hohler seinen langjährigen Freund und Schriftstellerkollegen. Zu Ehren des Amrainer Poeten wurde eine Skulptur enthüllt.
Beim Eintreten ins Räberstöckli bleibt der Blick unvermittelt an einem grossformatigen Albert-Anker-Bild haften. «Mädchenbildnis auf rotem Grund» war eines von Gerhard Meiers Lieblingsbildern. Er hat die junge Frau mit den anmutigen Gesichtszügen «Meretlein» genannt. «Wir sind überglücklich über die Leihgabe des Kunstmuseums Solothurn, das mein Vater regelmässig besucht hat», erklärt Sohn Pedro Meier.
Gleich daneben steht eine Büste mit dem unverkennbaren Profil Gerhard Meiers, geschaffen von Schang Hutter. Im Rahmen der umfangreichen Ausstellung präsentiert der Kulturverein Räberstöckli mehrere Events, etwa einen Filmabend. Bereits eröffnet wurde der Literaturweg durchs Dorf, zu dem ein informativer Ausstellungsführer erhältlich ist.
Trouvaillen aus dem Archiv
Unter dem Dach finden sich Trouvaillen aus dem reichhaltigen Archiv von Pedro Meier, beispielsweise Schallplatten von Chopin, Schubert und Dvo?ák, welche Gerhard Meiers Liebe zur Musik dokumentieren. Neben einem Kunstrosenstrauss, malerisch arrangiert auf einem kleinen Tisch, liegt Gerhard Meiers Buch «Papierrosen», gesammelte Prosaskizzen, 1976 erschienen im Zytglogge-Verlag. Rosen zieren auch das aparte Kleid von Ruth Scheidegger, der ältesten Tochter von Gerhard Meier, die zusammen mit ihrer Schwester Susanne Stöcklin-Meier die Ausstellung im ersten Stock gestaltet hat.
Mit vorwiegend persönlichen Fotografien und Bildern, die einem den Dichter auch als Familienvater und Ehemann näherbringen. «O ja, ich bin sicher, er hätte sich über den strahlenden Maitag gefreut, über die vielen Besucher und all die Begegnungen. Sogar aus Schweden und Frankreich sind Bekannte angereist», sagt Ruth Scheidegger.
«Sämtliche Bücher von Gerhard Meier sind vorhanden, darunter sein erster Gedichtband ‹Das Gras grünt› aus dem Jahr 1964», erklärt Marlies Berger, Präsidentin des Kulturvereins Räberstöckli, die mit ihrer Arbeitsgruppe aus dem Nachlass des Weltenbürgers aus Amrain eine sehenswerte Ausstellung präsentiert.
«Er ist eine Legende»
Franz Hohler begrüsste alle Anwesenden – auch jene, die nicht da waren: «Denn vorhin schien es mir, als hätte ich den weissen Bart Werner Morlangs unten an der Treppe gesehen.» Der verstorbene Literaturwissenschaftler Morlang war ein enger Freund Gerhard Meiers, der sein ganzes Leben lang in Niederbipp gelebt hat. Franz Hohler würdigte Meier als einen der ganz grossen Poeten unserer Zeit mit einem ruhigen, klaren Blick auf die Welt. Er habe einem das Gefühl vermittelt, im kleinen Dorf am Jurasüdfuss befinde sich das Universum. Dort wohnte er am Gerhard-Meier-Weg, und die Welt besuchte ihn, so Hohler. So wie die zahlreichen Vernissagebesucher, die kaum Platz fanden im Räberstöckli.
Hohler zitierte aus Meiers Texten, etwa dessen Morgenritual: Eine Kanne Kaffee brauen, die vorbeiziehenden Wolken begrüssen und schauen, wie es dem Himmel geht. «Das kann nur ein Dichter sein», sagte Franz Hohler lächelnd – und fügte an: «Gerhard Meier entsprach dem Bild, das wir von einem Dichter haben.»
Kennen gelernt habe er ihn 1973, ein Jahr nach Mani Matters Tod. Dessen Witwe hatte ihn gebeten, sie bei einem Besuch zu begleiten. Dies sollte neben der Literaturverwandtschaft der Beginn einer langjährigen Freundschaft sein. «Sein kantiger Kopf war voller Poesie, Sensibilität und Melancholie. Bewundernswert, wie er die Literatur zurückgestellt hat, um seine Familie zu versorgen, und später den Mut aufbrachte, all das, was brachgelegen hat, zu verwirklichen. Er ist eine Legende», sagte Franz Hohler.
«Ob die Granatbäume blühen» war das letzte Buch von Gerhard Meier. Ein schmales Bändchen, welches das Leben mit seiner Frau Dorli umkreist und die Leere nach ihrem Tod. Diesen berührenden Text brachte Schauspieler Ueli Jäggi zum Klingen. An der Matinee vom 11. Juni im Räberstöckli wird er dieses Hörspiel dann mit Eva Pöppelin live vortragen.
Berühmtes Zitat verewigt
Die von Einwohnergemeinde und Burgergemeinde Niederbipp erworbene Stele wurde von Martin Hufschmid geschaffen. Der Künstler ist mit Anna Stöcklin, Enkelin von Gerhard Meier, verheiratet. Nach einer Ansprache von Gemeindepräsidentin Sibylle Schönmann wurde die eindrückliche Skulptur vor dem Gemeindehaus enthüllt. Dieses berühmte Zitat von Gerhard Meier ist nun auf der «Porta» verewigt: «Was im Dorf geschieht, geschieht in der Welt, und was in der Welt geschieht, geschieht im Dorf. Im Prinzip. Einzig das Ausmass ist nicht ganz dasselbe. Darum bin ich ein überzeugter Provinzler, und ich glaube, dass man nur Weltbürger wird über den Provinzler. Man muss den Dienstweg einhalten: erst Provinzler, dann Weltbürger.»
Die Ausstellung des Kulturvereins Räberstöckli dauert bis zum 25. Juni. Informationen finden Sie unter: www.raeberstoeckli.ch.
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