Kommentar zu Corona-MassnahmenEigenverantwortung? Von wegen!
Der Bundesrat hebt die Corona-Schutzmassnahmen auf – und verweigert den Menschen die rechtlichen Instrumente, sich selber zu schützen, etwa am Arbeitsplatz.

Foto: Keystone / Anthony Anex
Alles wieder wie früher oder zumindest das meiste: Maske muss man seit Donnerstag nur noch im ÖV und in Gesundheitseinrichtungen tragen, das Covid-Zertifikat ist fast nirgendwo mehr vorgeschrieben. Die Infektionszahlen sind zwar immer noch hoch, doch der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, dass jetzt genug Einschränkung war. Wer die Corona-Schutzmassnahmen schon immer ablehnte, kann triumphieren, viele andere sind einfach erleichtert und erfreut.
Bleibt die dritte Gruppe: jene Menschen, die sich mit dem Coronavirus nicht infizieren möchten und daher gewisse Massnahmen befürworten. Für sie war der Mittwoch kein Freudentag, im Gegenteil. Sie ärgern sich – und sie haben recht damit. Von den Bundesräten Alain Berset und Ignazio Cassis bekamen sie ausser wohlfeilen Appellen an Respekt und Eigenverantwortung nichts geboten. Insbesondere keine Instrumente, um die geforderte Eigenverantwortung effektiv wahrzunehmen.
«Es gibt legitime Gründe, sich eine schnelle Öffnung zu wünschen. Diese fanden im Bundesrat viel Gehör.»
In krasser Weise zeigt sich das vor allem bei den Bestimmungen für den Arbeitsplatz. Angestellte, die sich vor einer Infektion schützen möchten, sind ab sofort dem Goodwill ihrer Vorgesetzten ausgeliefert. Wenn der Wirt darauf besteht, dass seine Kellner maskenlos servieren, wenn von der Sozialarbeiterin verlangt wird, dass sie «unverhüllt» mit ihren Klienten verhandelt: Dann sind die Betroffenen ziemlich machtlos. Ein «Recht auf Maske» hat der Bundesrat nämlich nicht erlassen.
Auch Homeoffice gibt es jetzt nur noch, wenn der Chef einwilligt. Ebenso wird es Betrieben erschwert, ein Zertifikat zu verlangen. Der Bundesrat scheint Omikron nun als normale Grippe zu betrachten. Doch wir wissen über die neue Corona-Variante noch immer vieles nicht, insbesondere nicht über die Langzeitfolgen einer Infektion.
Es gibt legitime Gründe, sich eine schnelle Öffnung zu wünschen. Diese fanden im Bundesrat viel Gehör. Für die ebenso legitimen Gründe, sich nicht anstecken zu wollen, gilt das leider nicht.
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