Drogen-Kick fürs Büro
LSD in geringen Dosen soll Konzentration und Kreativität fördern, Depressionen bekämpfen und den Antrieb steigern. Es ist aber auch: eine gefährliche Droge.

Für den perfekten Arbeitstag, behaupten manche kalifornische Programmierer, braucht man nur ein paar Mikrogramm LSD. In geringen Dosen soll das Psychedelikum die Konzentration fördern und den Antrieb steigern, zudem Depressionen bekämpfen, den Schlaf verbessern und bei Frauen Periodenkrämpfe lindern. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es vermutlich auch.
Es hat sich weltweit eine kleine Szene an Menschen entwickelt, die von der Wirkung überzeugt sind: die sogenannten Microdoser. Sie schlucken alle zwei bis drei Tage 5 bis 20 Mikrogramm Lysergsäurediethylamid, wie LSD ausgeschrieben heisst. Ihr Ziel ist es dabei nicht, das Bewusstsein zu erweitern oder rauschhafte Trips zu erleben, wie es die «Psychonauten» der Sechzigerjahre propagierten. Sie wollen vielmehr – von Mitmenschen unbemerkt – ihre Produktivität steigern. Der Trend, der aus der Tech-Szene des Silicon Valley stammt, ist auch in Europa angekommen. Er soll ADHS-Medikamente wie Ritalin als Mittel zur Selbstoptimierung ablösen, eindeutige Daten dazu fehlen.
Schwarzmarkt als Quelle
Im Internet boomt das Thema: Das Microdoser-Forum der Onlineplattform Reddit verzeichnet mittlerweile 48'000 Teilnehmer, 2015 waren es noch kaum 1600. «Wie Microdosing meine Ehe und mein Leben rettete» beschreibt etwa die US-amerikanische Autorin und Juristin Ayelet Waldman in ihrem Buch «Ein richtig guter Tag». Das Problem ist nur: Die Anwendung von LSD geschieht nicht unter ärztlicher Aufsicht, die Drogen kommen vom Schwarzmarkt.
Hinweise auf mögliche Gefahren liefert eine im Fachjournal «PLOS One»veröffentlichte Untersuchung des australischen Verhaltensforschers Vince Polito. 98 Microdoser füllten sechs Wochen lang täglich Fragebögen zu ihrem Befinden aus. Die Auswertung zeigt, dass das LSD Depressionen und Stress lindern und die Konzentration verbessern könnte. Allerdings beklagten einige Probanden auch Angstzustände und Nervosität. Ein Proband berichtet, er habe überraschend viel weinen müssen, «obwohl nichts Schlimmes passiert war».
Bloss: Die Erhebung weist Mängel auf, sodass sie für wissenschaftlich valide Aussagen nicht taugt. So mussten sich die Probanden das LSD selbst beschaffen. Niemand kontrollierte Qualität, Dosierung oder Einnahmezyklen. Alle Auskünfte basieren auf Onlinefragebögen, Falschangaben waren also jederzeit möglich. Ausserdem waren die Probanden als Besucher von Internetforen über LSD vermutlich voreingenommen, zumindest gaben sie alle sehr hohe Erwartungen an.
Achtung, Überdosis!
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der Psychiater Torsten Passie, der für seine Untersuchung «The Pharmacology of LSD» etwa 7000 Studien zu der Substanz ausgewertet hat. Sein Ergebnis: «Man kann sagen, je besser die Studien methodisch sind, desto minimaler sind die Ergebnisse.» Die einzige Studie mit einer Placebo-Kontrollgruppe zeigte demnach kaum Unterschiede zwischen LSD-Tropfen und destilliertem Wasser.
Schlimmer aber als ein möglicher Placeboeffekt ist eine ungewollte Überdosis: Eigentlich wollen die Anwender nur geringe Mengen LSD einnehmen, sodass sich die Wahrnehmung nicht stark verändert. Allerdings ist es für sie oft schwer einzuschätzen, wie viel Wirkstoff die Droge tatsächlich enthält und wie viel sie davon vertragen. Um Sinnestäuschungen – also den klassischen Trip – zu erleben, nehmen Konsumenten in der Regel zwischen 50 und 200 Mikrogramm ein; deutliche Effekte sind aber meist schon ab 25 Mikrogramm spürbar. Die Wirkung hängt zudem von der aktuellen Gemütsstimmung ab – LSD kann auch verdrängte Erinnerungen hervorbringen und Psychosen auslösen. Immer wieder gibt es Fälle, bei denen Menschen im LSD-Rausch aus dem Fenster springen oder andere attackieren. Ein Teilnehmer der Studie von Polito bezeichnete LSD als Verstärker von negativen wie positiven Gefühlen.
Einblick ins Gehirn
Doch LSD bietet neben den Gefahren für Konsumenten auch grosse Chancen für die Wissenschaft – seit Jahren forschen Pharmakologen an einem Einsatz der Droge in der Behandlung von Depressionen und Posttraumatischen Belastungsstörungen. «LSD hat grosses Potenzial, uns Einblick in die Funktionsweise unseres Gehirns zu geben», sagt Neuropsychologin Katrin Preller von der Universität Zürich, die zum Einsatz von LSD in der Depressionsbehandlung forscht.
Derzeit finden Forschungen zum Einsatz von Psychedelika unter therapeutischer Überwachung statt, unter anderem in England und der Schweiz. Ziel ist es, mithilfe von LSD Menschen zu helfen, indem die Substanz in die Psyche der Patienten eingreift, womöglich festgefahrene Erinnerungen und Traumata löst und so letztlich eine Psychotherapie erleichtert.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Wissenschaftler mit Psilocybin, einem Wirkstoff, der in einigen Pilzarten vorkommt und ähnliche Effekte wie LSD auslöst. Die Ergebnisse aus Pilotstudien sind vielversprechend. Davon ist das Mikrodosieren noch weit entfernt. «Wir brauchen sorgfältige klinische Studien», sagt auch Studienautor Vince Polito, «bevor wir einschätzen können, ob Microdosing eine sichere und nützliche Behandlung ist.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch