
Auf gewissen Intensivstationen wie in St. Gallen sind 90 Prozent der Covid-Patienten ungeimpft. Sie verbrauchen dort enorme Ressourcen. Nicht nur Betten, Medikamente oder Maschinen – das eigentliche Problem ist ihr «Verbrauch» an menschlicher Aufmerksamkeit und Fürsorge.
Wenn die Atemnot kommt, wenn die Familie am Bett steht, dann geht man nicht freiwillig und aus Prinzip in den Tod.
Einige Ungeimpfte versprechen, dass sie im Ernstfall auf Intensivpflege verzichten. Doch die Realität sieht anders aus, wie Intensivmediziner berichten. Wenn die Atemnot kommt, wenn die Familie am Bett steht, dann geht man nicht freiwillig und aus Prinzip in den Tod.
Die Ärzteschaft sagt klar, dass Ungeimpfte nicht benachteiligt werden dürfen, auch wenn sie ihre Lage selbst verschuldet haben. Sie haben die Freiheit, sich gegen die Impfung zu entscheiden. Und es ist auch nicht angezeigt, sie deswegen zu diffamieren oder zu kriminalisieren.
Doch all das kann die simple Tatsache nicht verdecken: Die Ungeimpften zehren jetzt erheblich von der Solidarität ihrer Mitmenschen. Doch gleichzeitig bringen sie selbst die Solidarität nicht auf, sich impfen zu lassen und damit allenfalls die Intensivstation zu vermeiden.
Das ist ungerecht. Und es ist ein grosses moralisches Dilemma. Jede und jeder Ungeimpfte sollte sich deshalb jetzt die Extremsituation der Ärztinnen, der Pflegenden und der Patienten in den Spitälern vor Augen führen und sich die Frage stellen: «Kann ich wirklich verantworten, was ich tue?»
Oliver Zihlmann ist Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia. Sein Schwerpunkt sind vertiefte Recherchen. Er ist Mitglied des International Consortium of Investigative Journalists und erhielt mit seinem Team den Zürcher Journalistenpreis.
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Kommentar zu den Intensivstationen – Die Ungeimpften stecken in einem grossen moralischen Dilemma
Die Situation in den Spitälern stellt Ungeimpfte vor eine Gewissensfrage, der sie nicht mehr ausweichen können. «Kann ich es verantworten, die Gesellschaft so zu belasten?»