Die SVP sieht die S-Bahn als Alternative zum Tram
Zu teuer für den Nutzen, den es bringt: SVP-Fraktionschefin Madeleine Amstutz erklärt, wieso ihre Partei das Tram nach Ostermundigen ablehnt.

Das Pressebulletin liess aufhorchen. Nicht einmal so sehr, weil es sich gegen das geplante Tram von Bern nach Ostermundigen und gegen die dafür nötigen 102 Millionen Franken aussprach, über die der Kanton am 4. März abstimmt.
Für Stirnrunzeln sorgte vor zwei Wochen vielmehr, dass als Grund für diese Parole «neben den Kosten die stark gewerbe- und autofeindliche Verkehrspolitik der Stadt Bern» herhalten musste. Was damit genau gemeint war, blieb aber offen.
Absender der Botschaft war – nein, keine politische Partei, sondern der Gewerbeverband Berner KMU. Die Handschrift der SVP, die sich zuvor noch klarer für ein Nein ausgesprochen hatte, liess sich dennoch unschwer herauslesen.
Vor den Gewerblern hatte erstens SVP-Stadtrat Alexander Feuz aus Bern die Gegenargumente vertreten und mit markigen Worten von einem «unnötigen Luxusprojekt» gesprochen. Er hieb damit zweitens in die gleiche Bresche wie vor ihm schon so viele SVP-, aber auch BDP- und FDP-Politiker in Stadt und Agglo Bern.
Vor allem aber bewegte er sich drittens auf einer bürgerlichen Argumentationslinie, wie sie bereits bei der ersten Tramabstimmung vor drei Jahren zu hören war. Vor dem aktuellen Urnengang wird sie nun aufgefrischt: Der Umbau der heutigen Bus- in eine Tramlinie sei ein Prestigeprojekt der rot-grünen Stadt, die, unterstützt von der roten Verkehrsdirektion im Kanton, gegen alle Bedenken des ländlichen Umlands durchgepaukt werde.
Stadt wie Land
Stadt gegen Land? Rot-grüne Arroganz gegen berechtigte Anliegen von Gewerblern und Autofahrern? Madeleine Amstutz schüttelt energisch den Kopf. Die Sigriswilerin präsidiert die grossrätliche SVP-Fraktion, vertritt damit die grösste politische Kraft im Kanton Bern und gleichzeitig jene Partei, die dem Tram in der Grossratsdebatte vom letzten Juni die wohl klarste Abfuhr erteilt hat.
Von den 50 Mitgliedern sagten 29 Nein, 17 enthielten sich, 3 waren abwesend. Nur gerade einer konnte sich für die Vorlage erwärmen, die Stimme kam aus dem Oberland.
Das zeige doch, hakt Madeleine Amstutz ein, dass man bei diesem Geschäft gar nicht von einem Stadt-Land-Graben reden könne. Im Nein-Lager wie bei den Enthaltungen seien Stadt und Land gleichermassen vertreten gewesen – generell: Zu behaupten, das Tram werde in der Stadt einhellig begrüsst, stimme nicht. Den Stadtberner Beitrag hätten beim Urnengang im letzten November immerhin fast 40 Prozent der Stimmenden abgelehnt.
Die Negativpunkte der Tramvorlage wiegen für Madeleine Amstutz schwer. Im Auge hat sie allem voran die Kosten, womit sie sich inhaltlich wieder mit ihrem städtischen SVP-Kollegen Alexander Feuz trifft.
Die 102 Millionen Franken vom Kanton sind nämlich bei weitem nicht alles, insgesamt werden die 4,2 Kilometer neues Tram rund 264 Millionen Franken kosten. Das, so sagt die SVP-Fraktionschefin, sei viel zu viel im Verhältnis zum erhofften Nutzen.
Madeleine Amstutz erinnert daran, dass die S-Bahn ab etwa 2030 zwischen Ostermundigen und Bern im Viertelstundentakt verkehren soll. Damit schaffe man auf einer schnellen, attraktiven Verbindung ins Stadtzentrum die geforderten neuen Kapazitäten, sagt sie.
Auf den Einwand, dass so auf dem Abschnitt zwischen den beiden Bahnhöfen im Bus der Platz knapp bleibt, erwidert sie: Der Beweis, dass die Frequenzen in diesem Abschnitt tatsächlich derart steigen würden, sei bis jetzt nicht erbracht worden. Niemand wisse, wie sich die Mobilität bis in zehn Jahren entwickle: «Wenn dereinst auf breiter Front fahrerlose Autos unterwegs sind, stellen sich die heutigen Verkehrsprobleme vielleicht gar nicht mehr.»
Sehr unschön findet Madeleine Amstutz weiter, dass das Tram die Rüti nicht mehr erschliesst, die Leute aus dem Hochhausquartier also künftig umsteigen müssen. Weit weniger Probleme hat sie dagegen mit den Alleebäumen, die dem neuen Schienenstrang zum Opfer fallen, weil man immer Kompromisse eingehen müsse.
Gar nichts anfangen kann sie mit den endlosen Debatten um die richtige Linienführung. «Wir stimmen über ein Projekt ab, das in seinen Grundzügen schon feststeht.» Erst ein Nein brächte «die Chance, nach einer besseren Variante zu suchen.»
Ausgang offen
Zum Ausgang der Abstimmung wagt Madeleine Amstutz keine Prognose. Sie stellt nur fest, dass das Tram auf dem Land kaum ein Thema ist. Und dass die Gegner mit ihren Plakaten genau dort sehr aktiv sind – allerdings ohne das Zutun ihrer Partei. «Wir sind nicht Teil des Referendumskomitees und lassen es bei einer einfachen Parole bewenden.»
Ob ein Nein zum Tram das Verhältnis zwischen Stadt und Land nicht nachhaltig schädigen würde? Madeleine Amstutz denkt es nicht. Genau: Den viel zitierten Graben sieht sie ja eben gerade nicht.
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