Die neue Regierung in Rom macht den Flüchtlingstest
82 Migranten gehen in Italien an Land, und eine EU-Lösung des Problems rückt näher.

Die Ocean Viking ist ein eindrucksvoll grosser Kahn: 69 Meter lang, 15 Meter breit. Betrieben von Ärzte ohne Grenzen und der internationalen Organisation SOS Méditerranée, hatte sie die Flüchtlinge vor mehr als einer Woche von zwei Schlauchbooten im zentralen Mittelmeer gerettet. Seither suchte die Crew nach einem sicheren Hafen, den ihr die neue Regierung aus Cinque Stelle und Sozialdemokraten nun am Wochenende zuwies.
Fünf europäische Länder haben sich bereiterklärt, jeweils eine Anzahl der Migranten aufzunehmen, um Italien zu entlasten – Deutschland, Irland, Portugal, Luxemburg und Frankreich –, mit denen man an einem automatisierten und freiwilligen, zeitlich aber beschränkten Verteilmodus arbeitet. Dazu hatte der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) gesagt, Deutschland nehme künftig jeden vierten Flüchtling auf, der nach Rettung auf See in Italien an Land gebracht werde.
Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) begrüsst die deutschen Pläne. Man hoffe, die Initiative führe zu einem System, «das die geordnete und zeitnahe Ausschiffung von Menschen ermöglicht, die auf See gerettet werden», sagte eine Sprecherin in Genf der Deutschen Presse-Agentur. Frankreich, Deutschland, Italien und Malta wollen beim Treffen der EU-Innenminister am 23. September in Malta eine vorläufige Quotenregelung zur Flüchtlingsverteilung in der EU finden.
Für die neue römische Regierung markiert der Fall der Ocean Viking einen heiklen Moment. Einerseits will sie zeigen, dass sie den Umgang mit Migranten korrigiert: Matteo Salvini, der frühere Innenminister der rechten Lega, hatte mit seiner harten Rhetorik gegen die NGOs und den Hafenschliessungen Stimmung gemacht. Andererseits darf das Kabinett um den alten und neuen Premier Giuseppe Conte nun nicht zu lax wirken: Das würde Salvini nützen.
Die Eile ist gross
Der twitterte nun, man sehe ja, was passiere, wenn er nicht mehr in der Regierung sitze: «Die Häfen sind offen für alle, Italien wird wieder zum Flüchtlingslager Europas. Conte hat vor Brüssel kapituliert.» Den NGOs richtete Salvini aus: «Geniesst die Häfen, solange ihr könnt, ich bin bald zurück.»
Die Regierung rechnet sich aus, dass Salvinis Propaganda schnell abebbt, wenn es gelingt, die Verantwortung auf möglichst viele Länder zu verteilen. Umfragen zeigen nämlich, dass die Italiener Immigration nicht zu ihren dringendsten Problemen zählen: Auf der Prioritätenliste liegt sie erst an siebter Stelle. Das hat auch damit zu tun, dass die Zahl der Ankömmlinge schon unter Salvinis Amtsvorgänger als Innenminister, dem Postkommunisten Marco Minniti zurückgegangen war. Würden es nun plötzlich wieder viel mehr, hätte Salvini beim Opponieren leichtes Spiel.
Darum also möchte man Bilder vermeiden, die den Eindruck erwecken, es legten wieder grosse Schiffe in Italien an. Die Passagiere der Ocean Viking wurden an den Hotspot von Lampedusa gebracht, wo sie nur 48 Stunden bleiben sollen, ehe sie weiterverteilt werden.
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